Letztes Wochenende ist etwas passiert, was einem als Journalist(in) insgeheim immer etwas freut. Das eigene Medium macht Schlagzeilen. Der «Sonntagsblick» und die «Aargauer Zeitung» berichteten über einen unserer Artikel vom 4. Septemberüber die kürzlich gefällten Entscheide der Wirtschaftskommission des Ständerats (WAK-S).
Schlingerkurs statt Kohärenz
Diese hatte in letzter Zeit ja eher durch einen agrarpolitischen Schlingerkurs auf sich aufmerksam gemacht als durch Kohärenz. Zunächst stimmte sie am 20. August einer Sistierung der Agrarpolitik 2022+ (AP 22+) zu.
Nur eine Woche später folgte die Kehrtwende mit der klaren Zustimmung zu einer Erweiterung der eigenen Parlamentarischen Initiative (PI). Diese war zunächst auf einen Absenkpfad Pflanzenschutzmittel (PSM) beschränkt, dann brachten die SP-Ständeräte Christian Levrat und Roberto Zanetti kurzfristig eine Erweiterung um einen Absenkpfad Nährstoffe ein. Dieser neuen Variante der PI stimmte die Kommission mit zehn zu einer Stimmen zu. Am Montag entschärfte der Ständerat diesen Entscheid wieder.
Empörung über die BauernZeitung
Die BauernZeitung hatte im kritisierten Artikel erwähnt, wer in der Kommission wie abgestimmt hatte. Die Empörung darüber ist gross, insbesondere bei Roberto Zanetti: «Ich finde es ungeheuerlich, dass in der Zeitung praktisch ein Kurzprotokoll der Sitzung publiziert wird», so der Solothurner gegenüber dem «Sonntagsblick», «und dann noch mit einer Namensliste!» In dieser Dreistigkeit habe er eine Verletzung des Kommissionsgeheimnisses noch nie erlebt, doppelte er am Montag in der Session nach.
Kein Protokoll zugespielt
Das Kommissionsgeheimnis ist in Artikel 47 des Parlamentsgesetzes geregelt. Dort steht: «Die Beratungen der Kommissionen sind vertraulich; insbesondere wird nicht bekannt gegeben, wie die einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmer Stellung genommen oder abgestimmt haben.» Tatsache ist aber auch, Journalisten und Journalistinnen erhalten immer wieder Informationen aus den Sitzungen und veröffentlichen diese auch.
Im aktuellen Fall wurde der BauernZeitung aber nicht etwa ein Sitzungsprotokoll zugespielt, wie der «Sonntagsblick» schrieb, sondern unser Chefredaktor Adrian Krebs hat den Telefonhörer in die Hand genommen und getan, was die Arbeit eines jeden Journalisten ist, er hat recherchiert und mit Beteiligten gesprochen.
Lieb und nett bringt nichts
Wenn Politiker beschliessen, ihm Informationen aus den Sitzungen zu verraten, ist das in erster Linie deren Entscheid und eigentlich eine Auszeichnung für seine Hartnäckigkeit. Wer immer lieb und nett ist, wird den sprichwörtlichen Blumentopf nicht gewinnen. Das gilt nicht nur ganz generell für das Leben, sondern auch für den Journalismus. Dass Journalisten kritisch nachfragen, gelegentlich bohren und auch mal Informationen veröffentlichen, die nicht allen Amtsträgern passen, gehört zu ihrem Job.
Quellenschutz ist Journalisten heilig
Trotzdem gibt es natürlich Regeln. In der Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten, zu finden auf der Website des Schweizer Presserats, steht unter anderem:
- Journalisten halten sich an die Wahrheit ohne Rücksicht auf die sich daraus für sie ergebenden Folgen und lassen sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten, die Wahrheit zu erfahren.
- Sie veröffentlichen nur Informationen, Dokumente, Bilder, und Töne, deren Quellen ihnen bekannt sind.
- Sie unterschlagen keine wichtigen Elemente von Informationen. Sie bedienen sich bei der Beschaffung von Informationen, keiner unlauteren Methoden.
- Sie wahren das Redaktionsgeheimnis und geben die Quellen vertraulicher Informationen nicht preis.
Unser Chefredaktor ist also nicht verpflichtet, irgendjemandem zu sagen, wer ihm was gesagt hat. Den Telefonhörer in die Finger zu nehmen und sich umzuhören, ist meiner Ansicht nach auch keine unlautere Methode.
300 Franken Busse
Bislang hatte es übrigens selten rechtliche Folgen für Parlamentarier, wenn sie das Kommissionsgeheimnis gegenüber Journalisten verletzten. 2016 wurde hingegen ein Journalist der «Basler Zeitung» mit 300 Franken gebüsst, weil er über das Abstimmungsverhalten in einer Kommission berichtet hatte, wie die «NZZ» berichtete.
Das Urteil erfolgte gestützt auf den umstrittenen Artikel 293 des Strafgesetzbuchs, in der Medienbranche auch bekannt als «Maulkorbartikel». Dieser stellt die Publikation geheimer Informationen unter Strafe. Im Mai 2017 hat der Ständerat den Artikel nicht gestrichen, wie von einer parlamentarische Initiative gefordert, sondern ergänzt und leicht abgeschwächt. Medienschaffende dürfen seither nicht mehr verurteilt werden, wenn das öffentliche Interesse an einer Berichterstattung überwiegt.
BauernZeitung fragt weiter nach
Für die BauernZeitung überwiegt es in vorliegendem Fall. Wir werden auch weiterhin Fragen stellen zu Vorgängen in der Kommission, auch im Interesse der Landwirtschaft, die wissen muss, in welcher Art über ihre Zukunft entschieden wird.
Im Artikel des «Sonntagsblicks» wurde zudem angedeutet, dass die BauernZeitung ein verlängerter Arm des Schweizer Bauernverbands (SBV) sei. Nach fast zehn Jahren auf der Redaktion kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass das bestimmt nicht so ist.
Das «Verbandsblatt», das keines ist
Der SBV ist zwar Mitaktionär unserer Herausgeberin Schweizer Agrarmedien AG. Die Redaktion geniesst aber redaktionelle Unabhängigkeit und wir nehmen diese auch wahr. Oft genug habe ich erlebt, wie unsere eigenen Aktionäre über unsere Berichterstattung verärgert waren, weil sie sich vielleicht mehr «Linientreue» gewünscht hätten. Den Vorwurf «Verbandsblatt» hören wir immer wieder, aber damit können wir gut leben, weil wir wissen, dass er nicht stimmt.