Seit der Delegiertenversammlung Ende April ist Christian Müller Präsident des Schaffhauser Bauernverbands. Er bewirtschaftet in Thayngen zusammen mit seiner Familie einen 100 ha mit Mastrindern und hat 350 Mastviehplätze. Zum Betrieb gehört auch eine Biogasanlage und eine Biogas-Tankstelle.

Wie ist Ihre Bilanz nach 100 Tagen als Bauernpräsident?

Christian Müller: Seit der Delegiertenversammlung wurde der Vorstand nicht nur verjüngt, sondern auch die Frauenvertretung gestärkt. Die Ressortverteilung ist erfolgt und alle sind voll motiviert. Auch haben wir den Vorstand um ein Mitglied erweitert, sodass wir mehr Kapazitäten haben. Wir beteiligen uns nun direkt an Vernehmlassungen und an kantonalen und nationalen Arbeitsgruppen, was vorher unser Bauernsekretariat übernahm. Wir trafen uns mit dem Regierungsrat. Dem Interkantonalen Labor und dem Planungs- und Naturschutzamt meldeten wir unsere Bedenken gegen ihre Amtsführung an – was nicht gerade wohlwollend aufgenommen wurde. Auch machten wir eine Tour zu den Bauernverbänden unserer Nachbarkantone.

Was sind Ihre Ziele als Bauernpräsident?

Wir wollen unsere Vertretung im Vorstand des Schweizer Bauernverbands verstärken. Als kleiner Kanton haben wir keinen Sitz im SBV-Vorstand. Uns vertritt zurzeit der Präsident des Glarner Bauernverbands, der gleichzeitig auch Appenzell-Innerrhoden und -Ausserrhoden eine Stimme gibt. Als Bergkanton bzw. Hügelregion haben diese Kantone aber ganz andere Interessen als wir in der Talzone und als Grenzkanton. Deshalb wollen wir in Zukunft Allianzen mit dem Zürcher Bauernverband und dem Verband Thurgauer Landwirtschaft bilden, wo wir gemeinsame Interessen teilen, sodass wir Schaffhauser mit unseren Anliegen mehr Gewicht erhalten.

Ihre Betriebe haben andere Probleme als Glarus. Statt über Wölfen ärgern Sie sich über Wildschweine. Wie ist die Situation nach der Revision der Jagdverordnung?

Wir haben riesige Probleme mit dem Schwarzwild. Die Schäden sind enorm und seit der Revision der Jagdverordnung ist man noch weiter weg von einer Lösung. Beispielsweise ist die Jagd nachts im Wald verboten. Wildschweine sind aber vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiv, deshalb muss die Jagd auch nachts stattfinden können. Wir versuchen, mit den Jagdgesellschaften Ausnahmebewilligungen zu erwirken. Auch schlugen wir in Thayngen eine Abschussprämie für Wildschweine vor. Wir Bauern hätten dafür das Geld aufgebracht und die Jagdgesellschaft hatte in einer Vorbesprechung keine Vorbehalte. Aber Abschussprämien sind vom Gesetz her nicht erlaubt.

Sollte man die Jäger vermehrt in die Pflicht nehmen?

Leichter gesagt als getan. Die einen machen einen guten Job, die anderen hegen und pflegen eher, statt zu regulieren. Am schlimmsten ist, dass die Jagdpachten jeweils für acht Jahre vergeben werden. Wenn man mit dem Jagderfolg dieser Jäger unzufrieden ist, hat man keine Handhabe.

Wie ist die Resonanz, seit der «Schaffhauser Bauer» in der Gratiszeitung «Schaffhauser Bock» erscheint?

Zum Wechsel auf 2025 kam es, weil die Schaffhauser Nachrichten die bisherige Zusammenarbeit aufkündigten, und uns zu neuen Konditionen verpflichten wollten – die wir weder finanziell noch personell stemmen konnten. Wir sind sehr zufrieden mit dem «Bock». Da die Auflage doppelt so hoch ist wie vorher, erreichen wir viel mehr Leute. Online funktioniert auch gut. Ein Problem ist, dass die Zustellung nicht auf allen Betrieben funktioniert. Wenn man mit einem Beitrag von Fr. 80.- Mitglied vom Gönnerverein «Bock» ist, dann wird er auch an noch so abgelegene Siedlungen zugestellt.

Auf Ende Jahr tritt die langjährige Bauernsekretärin Virginia Stoll zurück. Wie weit sind Sie bei der Nachfolgesuche?

Wir haben die Stelle ausgeschrieben und erhielten sehr gute Bewerbungsschreiben. Am kommenden Montag haben wir die ersten Vorstellungsgespräche. Der Gesamtvorstand entscheidet anschliessend, wer die Nachfolge antreten wird.

Ihre Frau Andrea Müller ist SVP-Kantonsrätin und SVP-Kantonalpräsidentin. Als Bauernpräsident müssen Sie neutral und für alle da sein. Schaffen Sie diesen Spagat?

Ich bin für all unsere Bauern da. Auch habe ich grundsätzlich nichts gegen andere politische Meinungen, das ist ja der Vorteil von unserem schweizerischen System. Aber ehrlicherweise muss man auch zugestehen, dass nur die Bürgerlichen unsere Interessen vertreten. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren zig Mal erlebt, wie Initiativen und Gegenvorschläge uns in die Knie zwingen. Nachhaltigkeit ist zum Fluchwort geworden.

Wie meinen Sie das «Nachhaltigkeit als Fluch»?

Wir haben in Schaffhausen 19 % Biodiversitätsförderflächen, auf denen keine Nahrung produziert wird. Und stetig wird mehr punkto Biodiversität und Ökologie gefordert. Ist den Leuten überhaupt bewusst, dass jedes Jahr 150 000 Menschen mehr in der Schweiz leben? Immer mehr Lebensmittel kommen aus dem Ausland und stehen im gleichen Regal wie unsere Produkte. Das hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun und ist das unsozialste, was es gibt. Internationale Abkommen dienen nur zur Beseitigung von Handelshemmnissen und unsere Landwirtschaft und Ernährungswirtschaft kommt immer mehr ins Hintertreffen. Ich kann Ihnen versichern, wir werden das von Bundesrat Parmelin beschlossene Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten genau unter die Lupe nehmen.

Apropos Ausland: Wie reagieren Sie auf Kritik aus Baden-Württembergs wegen der Grenzlandbewirtschaftung?

Der Staatsvertrag ist zu unseren Gunsten. Das ist so. Aber der Kritik aus Baden-Württemberg stelle ich mich, wie auch kürzlich an einer Veranstaltung unserer deutschen Nachbargemeinde. Dabei äusserte sich der Bürgermeister sehr negativ. Ich erinnerte ihn daran, dass 90% von seiner Bevölkerung in der Schweiz arbeitet. Das Steuereinkommen seiner Gemeinde stammt zu rund 80 % indirekt aus der Schweiz. Auch hatten wir in Thayngen mal drei Blumenläden, heute keinen mehr, weil die Schweizer im Gartencenter auf der anderen Seite der Grenze Blumen kaufen.

Was sagte der Bürgermeister?

Am Schluss gab mir er mir recht. Jedes Stück Land, das von Schweizer Bauern übernommen wird, stammt von einem deutschen Landbesitzer, der an uns verkauft oder verpachtet. Wir kommen unseren Verpflichtungen nach, zahlen Wegsteuern, Anteile an Güterkooperationen etc. Statt uns zu kritisieren, sollten seine Abgeordneten dafür sorgen, dass den deutschen Bauern anständige Preise für ihr Getreide oder ihre Milch bezahlt werden.

An der Abschlussfeier am Strickhof hielten Sie die Festrede. Was legten Sie den frisch diplomierten nahe?

Ohne die ganze Branche kommen wir nicht weiter. Mein Vater hat immer gesagt: «Ihr müest kei Dummi mache. Ihr müest mitmache». Ich sage das auch meinen Kindern und ich lege es allen jungen Leute nahe, die Landwirt EFZ oder EBA abgeschlossen haben. Es gibt immer Leute, die mit dem Bauernverband nichts am Hut haben. Am Schluss sind es aber nur die Verbände, die sich für unseren Bauernstand einsetzen. Auch wenn es nicht immer für jeden zu 100 % passt, sind wir eine Gesamtlandwirtschaft. Es hat für alle Platz – von bio-dynamischen bis zum intensiven ÖLN-Betrieb. Auch wird es immer wichtiger, dass wir Bauern uns auch auf Gemeindeebene einbringen. Die Zeit dafür sollte sich jeder nehmen.