Die Frage nach potenziellen Nachfolger und Nachfolgerinnen von SBV-Präsident Markus Ritter (Mitte/SG) kann man vorerst beiseitelegen. Am vergangenen Mittwoch wurde der bisher national wenig bekannte Gesundheitsdirektor, Historiker und Germanist Martin Pfister aus dem Kanton Zug während der laufenden Frühlingssession zum neuen Bundesratsmitglied gewählt. Nach zwei Wahlgängen war es entschieden: Martin Pfister holte 134 Stimmen aus der Vereinigten Bundesversammlung, Markus Ritter 110.

«Es wird knapp»

Danach gingen die politischen Spekulationen los. War es eine Anti-Ritter-Wahl, oder war es eine Pro-Pfister-Wahl? Die Frage wird nur mit Vermutungen zu beantworten sein, denn die Wahl ist geheim und «vor keinem anderen Ereignis wird so viel gelogen wie vor einer Bundesratswahl», erzählt Nationalrat Ernst Wandfluh im Gespräch mit der BauernZeitung. So verlief der Vormittag der Wahl:

07:10: Innerhalb der SVP-Fraktion zeigt sich Wandfluh am frühen Mittwochmorgen zunächst sehr zuversichtlich, dass Markus Ritter, der im Parlament bestens vernetzt ist, das Rennen machen wird.

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07:25: Nur 15 Minuten später, nach der Fraktionssitzung der SVP und kurz vor Sessionsbeginn, ist der Nationalrat aus Kandergrund BE schon bedeutend weniger überzeugt. «Es wird knapp», meint er nur. Man müsse davon ausgehen, dass nicht alle Ratsmitglieder so wählten, wie sie angeben, zu wählen.

«Es ist alles Strategie»

08:00: Sessionsbeginn. Bis vor Wahlbeginn geht man laut Berechnungen davon aus, dass die SVP mehrheitlich Markus Ritter wählen wird. Auf die Frage, warum sich gewisse Ratsmitglieder kurzerhand umentscheiden, meint Wandfluh: «Hier unter der Kuppel ist alles Strategie. Einige Parlamentarierinnen und Parlamentarier sagen, Martin Pfister sei uns näher, andere sagen, wir wollten keine starke Mitte. Das sind nicht unsere Stimmen, aber diese Haltung ist im Parlament definitiv vertreten.»

08:53: Bereits nach dem ersten Wahlgang sieht es für Martin Pfister gut aus, für Markus Ritter schwierig. Ritter holt 105 Stimmen, Pfister 122 – für das absolute Mehr braucht er 123 gültige Stimmen.

09:11: Nach dem zweiten Wahlgang steht es fest: Martin Pfister ist als neuer Bundesrat gewählt und wird kurz darauf im Nationalratssaal vereidigt.

09:25: Später, im Pressezimmer des Bundeshauses, beantwortet der sichtlich geschlagene Bauernpräsident Markus Ritter die Medienfragen. «Noch eine Frage», sagt die Generalsekretärin, um der Fragerunde ein Ende zu setzen, aber Ritter wendet ein: «Nein, nein. Ich bleibe, bis alle Fragen beantwortet sind». Es würden zwei Herzen in seiner Brust schlagen, sagt er. Eines für das Schweizer Parlament und das andere für den Schweizer Bauernverband. Diese beiden Aufgaben werde er auch in Zukunft mit Hingabe wahrnehmen, so Ritter.

«Ich habe einen Freund gefunden»

«Es war mir eine grosse Freude, Teil dieses Wahlkampfes gewesen zu sein. Ich habe Martin Pfister vorher nicht gekannt und nun durch ihn einen Freund gewonnen – das ist nicht selbstverständlich», fasst Markus Ritter die kurze und intensive Zeit vor der Bundesratswahl zusammen. Angesprochen auf die Nähe zu den Bauern entgegnet er: «Ich war immer authentisch, transparent und ehrlich. Meine Interessen sind klar – und letztlich bin ich so, wie ich bin.» Es könne sein, dass sein Amt als SBV-Präsident von einigen Parlamentsmitgliedern als Hindernis betrachtet worden sei. «Aber das kann ich nicht einschätzen», so Ritter.

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Gegenüber der BauernZeitung mutmassen Insider, dass einige Parlamentsmitglieder aus ebendiesem Grund «einfach Markus Ritter verhindern wollten.» Auf der anderen Seite hört man trotz der lauten Kritik an der «Bauern-Lobby», dass auch bis weit in linke Kreise hinein Stabilität im VBS gewünscht ist. Und dass Markus Ritter diese Ruhe hätte hineinbringen können.

Die Vermutung eines Medienvertreters, dass Ritter im Laufe seiner politischen Karriere «zu vielen Leuten im Parlament auf die Füsse gestanden» sei, streitet der Nationalrat aus St. Gallen ab. Er wisse aber auch, dass jedes Ratsmitglied letztlich eigene Präferenzen und Tendenzen habe und entsprechend gewählt habe – das sei einfach das politische Geschäft.

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10:30: Weiter geht es zum Apéro in der Eingangshalle des Bundeshauses. Die Stimmung ist heiter, die Gerüchteküche brodelt.

10:24: Hans Jörg Rüegsegger, Nationalrat (SVP/BE) und ehemaliger Präsident des Berner Bauernverbandes, ist zwar enttäuscht von der Bundesratswahl. Trotzdem sei die Wahl erfreulich für die Bauern: «Markus Ritter kann den Schweizer Bauernverband weiterhin präsidieren. Da war er immer sehr erfolgreich in den Abstimmungen.» Rüegsegger gibt zu bedenken, dass unter den vorherrschenden Bedingungen und mit den bevorstehenden Herausforderungen ein Wechsel an der Spitze des SBV zudem «nicht ganz einfach» gewesen wäre.

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Innerlich entschieden

10:48: Was sagt das jüngste Nationalrats-Mitglied, Katja Riem (SVP/BE), zur Wahl von Martin Pfister in Bundesbern? «Ich bin ziemlich enttäuscht – es war nicht das, was wir uns erhofft hatten.» In den Wochen nach der Nominierung der zwei offiziellen Bundesratskandidaten habe sie gemerkt, dass es sehr knapp werden könnte. Sie habe mit vielen Leuten gesprochen, um zu sehen, ob eine gemeinsame Basis bestehe. «Ich hatte den Eindruck, dass die SVP-Fraktion sehr geschlossen war. Bis zum Schluss dachte ich, dass es reichen würde.» Doch die Befürchtung von einer bäuerlichen «Übervertretung» im Bundesrat sei allgegenwärtig gewesen. «Entsprechend schwierig war es, Parlamentskolleginnen und -kollegen zu überzeugen», stellt Riem fest. Sowieso hätten die Ratsmitglieder ab einem gewissen Zeitpunkt innerlich eine Wahl getroffen und würden nur selten davon abweichen. 

Ob enttäuscht oder froh: «Die Demokratie hat gewonnen, und das ist, was zählt», schliesst Ernst Wandfluh.