Warum sind die Bauern unter Druck? Wie läuft es in der Landwirtschaftspolitik und wohin geht die Entwicklung? Kilian Baumann; Landwirt, Nationalrat und Präsident der Kleinbauern-Vereinigung, lieferte in seinem Vortrag Antworten auf diese Fragen. Er war der Gast des diesjährigen Gabris-Gesprächs, das am 8. September vom Verein Förderband Gabris durchgeführt wurde.
Bei den Bauern kommt zu wenig an
Laut Kilian Baumann sind es nicht die Umweltauflagen, sondern eine seit Jahrzehnten verfehlte Agrarpolitik, die von bürgerlichen und wirtschaftsfreundlichen Kräften dominiert werde. «Zwar fliessen erhebliche Mittel in die Landwirtschaft», so Baumann, «doch zu wenig kommt tatsächlich bei den Landwirten an.» Der grösste Teil der Mittel lande im «Speckgürtel». Dieser bestehe zu einem grossen Teil aus Agrarkonzernen und den Grossverteilern.
Jahrelang hätten dieser Speckgürtel sowie Staat und Schulen den Landwirten empfohlen, zu wachsen, zu investieren und zu intensivieren. Jene, die das umgesetzt hätten, seien nun in einer Abwärtsspirale gefangen und frustriert. Diese Wut habe sich schliesslich in den Bauernprotesten manifestiert. Rechte Kreise hätten diese wiederum ausgenützt und auf die Grünen gerichtet. Das sei absurd, so Kilian Baumann, weil diese sich für eine nachhaltige Landwirtschaft und für die Bauern einsetzten. Auch ergibt es für Baumann keinen Sinn, sämtliche Umweltauflagen fallen zu lassen und wieder gemäss «Anbauplan Wahlen» zu produzieren.
Positive Resultate der AP 22+
Die Schweiz importiere bereits jetzt etwa die Hälfte ihrer Nahrungsmittel. Mit einer Intensivierung könnte man das höchstens in einem einstelligen Prozentbereich erhöhen. Dies ginge jedoch mit massiven Kosten und Auswirkungen für die Umwelt einher, so der Berner Nationalrat.
Anschliessend ging Baumann auf die aktuelle Agrarpolitik AP 22+ ein. Viele der Reformmassnahmen hätten bereits positive Auswirkungen gezeigt, insbesondere im Bereich des Artenschutzes und der Reduktion von Pestiziden. Auch habe man dank der AP 22+ die Menge der ausgebrachten Nährstoffe senken können.
In vielen Punkten sei die AP 22+ jedoch von einer Allianz aus Wirtschaft und Bauernverband blockiert worden. Gerade Letzterer sei stark von der SVP geprägt, sagte Baumann. Es gebe jedoch zahlreiche Bauern, die sich für eine nachhaltigere und wissenschaftsnahe Landwirtschaft einsetzten. Als Beispiele hierfür erwähnte er Bio Suisse und IP-Suisse.
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Eine neue Agrarpolitik müsse alle Akteure in Pflicht nehmen
«Die Ökosysteme sind stark unter Druck und dieser Druck komme nicht nur aus der Landwirtschaft, sondern auch zu einem grossen Teil aus dem Siedlungs- und Strassenbau sowie dem Freizeit- und Konsumverhalten», erklärte Kilian Baumann weiter. Die neue Agrarpolitik müsse daher alle Akteure in die Pflicht nehmen – auch durch strengere Lebensmitteldeklarationen und Regelungen für Importprodukte. Solche Massnahmen würden allerdings oft durch Wirtschaftsverbände behindert, die sich gegen Transparenz in der Lebensmittelkennzeichnung wehrten.
Kritik an Handel
Seine Ausführungen stiessen auf grosse Zustimmung, Widerspruch erfuhr Kilian Baumann nicht. In der anschliessenden Diskussions- und Fragerunde verurteilten die Teilnehmenden einzelne Zustände in der Landwirtschaft und im Handel.
So wurde zum Beispiel kritisiert, dass viele Lebensmittel aus der ganzen Welt importiert werden, dass die Dosentomaten zu einem grossen Teil aus China stammen oder dass die Grossverteiler mit günstigen Fleischangeboten aus Südamerika werben, um so die Kunden in den Laden zu locken. Auch wurde kritisiert, dass der Handel häufig Bilder mit dem höchsten Tierwohlstandard zeige, während in Tat und Wahrheit mehrheitlich die tiefer an-gesetzten Standards des ÖLN vorherrschten.
Zum Abschluss wagte Kilian Baumann einen Ausblick auf die zukünftige Rolle neuer gentechnischer Verfahren. Hier seien viele Parlamentarier durch starkes Lobbying von Konzernen umgestimmt worden. Ein grosser Teil der Konsumenten stehe der Gentechnik jedoch immer noch kritisch gegenüber.

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