Mit dem Begriff «Gülle» verbindet die Bevölkerung nicht immer wohlwollend den «flüssigen Hofdünger», als solcher er in der landwirtschaftlichen Praxis eingesetzt wird. Noch bis Ende 2023 durfte Gülle mit dem herkömmlichen Breitverteiler, also Güllefass mit Prallteller, ausgebracht werden. Wie problematisch (und agronomisch ineffizient) die dabei entstehenden Ammoniakemissionen sind, ist gut dokumentiert und die Minderung dieser Emissionen deshalb ein wichtiges Ziel der Agrar- und Umweltpolitik. Aus diesem Grund muss Gülle seit Anfang dieses Jahres möglichst emissionsarm ausgebracht werden. Darunter wird meist der Einsatz des Schleppschlauchs verstanden. Es gibt aber auch andere Verfahren wie den Schleppschuhverteiler und Gülledrillgeräte, die sogar noch tiefere Ammoniakverluste aufweisen. Alternativ zum Schleppschlauch darf im Ackerbau die Gülle wie bisher ausgebracht werden, sofern sie innerhalb von wenigen Stunden in den Boden eingearbeitet wird.
Der Bund kam entgegen
Emissionsmindernde Ausbringverfahren sind seit mehr als 30 Jahren bekannt und erprobt. Ihr Nutzen ist zweifach: weniger Umweltbelastung und bessere Stickstoffeffizienz. Das heisst, die Nährstoffe werden gezielter in den Boden eingebracht. Die Verfahren wurden während 15 Jahren durch Bund und Kantone finanziell gefördert. Allein der Bund hat insgesamt rund 189 Millionen Franken aufgewendet. Von 2014 bis Ende 2021 wurden die Verfahren in Form von Ressourceneffizienzbeiträgen im Rahmen der Direktzahlungsprogramme finanziell unterstützt. Bereits mit der Einführung der Agrarpolitik 2014–2017 wurde angekündigt, dass die Förderung dieser Verfahren zeitlich befristet ist und sie danach als gute landwirtschaftliche Praxis rechtlich verankert, das heisst obligatorisch werden. Der Bund kam aber nicht nur finanziell entgegen. Um mehr Vorbereitungszeit für die Umsetzung des Obligatoriums zu haben, wurde auf Wunsch der Branche die Übergangsfrist verlängert und der Beginn des Obligatoriums um zwei Jahre auf Januar 2024 hinausgeschoben.
Ausnahmen nur in Einzelfällen
Nicht alle landwirtschaftlichen Flächen sind dem Obligatorium unterstellt. So sind aus Gründen eines einfacheren Vollzugs Flächen mit einer Neigung von über 18 Prozent ohnehin ausgenommen. Gewisse Kulturen fallen ebenfalls nicht unter das Obligatorium. Sie sind in der Vollzugshilfe Umweltschutz in der Landwirtschaft sowie im einschlägigen Merkblatt der Agridea aufgeführt. Ausnahmen können nur in Einzelfällen gewährt werden: aus Gründen der Erreichbarkeit einer Fläche, bei engen Platzverhältnissen oder Sicherheitsbedenken. Das Schleppschlauchobligatoriums ist äusserst wirksam: Es reduziert die Stickstoffverluste um rund 1,5 Prozent. Allein diese Massnahme leistet also einen Beitrag von 10 Prozent an das vom Bundesrat festgelegte Stickstoff-Gesamtreduktions-ziel bis zum Jahr 2030.
Eine gute Gelegenheit für die Landwirtschaft
Der Vollzug obliegt den Kantonen, wobei in den Kantonen Luzern und Thurgau das Obligatorium wie ursprünglich geplant seit Anfang 2022 vollzogen wird und sich etabliert hat. Es zeigt, dass die Schleppschlauchpflicht umsetzbar ist. Trotzdem ist sie anspruchsvoll und erfordert eine betriebliche Umstellung. Der damit verbundene Effort aller Beteiligten verdient deshalb Respekt und Anerkennung. Die Bevölkerung wird es der Landwirtschaft danken, dass nicht nur die Luft weniger mit dem schädlichen Ammoniak belastet wird, sondern dass auch die Geruchsemissionen in Siedlungsgebieten deutlich zurückgehen. Und nicht zu vergessen: Die Landwirtschaft zeigt der Bevölkerung, dass sie umweltschonender produziert. Sie hat jetzt die gute Gelegenheit, dies einer breiteren Öffentlichkeit gegenüber positiv zu kommunizieren und so auch die gewünschte Anerkennung für die einheimische landwirtschaftliche Produktion zu erhalten.
Hans Dreyer ist leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)

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