Abo Vernehmlassung startet Verordnungspaket 2023: 15 Prozent Stickstoff-Reduktion, tiefere VSB und ein alter Bekannter Tuesday, 24. January 2023 Das nun verabschiedete landwirtschaftliche Verordnungspaket 2023 enthält mehrere heisse Eisen. In den meisten Punkten liess sich der Bundesrat von den Vernehmlassungsantworten wenig beeindrucken. Eine Ausnahme ist der Vorschlag, die Verkäsungszulage (VKZ) neu direkt an die Produzenten auszuzahlen. Davon sieht man angesichts des heftigen Widerstands von Branche und Kantonen ab.

Mehr Kontrolle über die Auszahlung

Stattdessen müssen die Milchkäufer ab dem 1. Januar 2025 auf der Milchgeldabrechnung deklarieren, welche Menge zulagenberechtigte Milch jeder Produzent geliefert hat. «Damit werden dem Bund Informationen dazu vorliegen, wie die Milchzulagen von den Milchkäufer an die Produzenten ausbezahlt werden», erklärt der Bundesrat seine Überlegung. Es wird für mehr Transparenz gesorgt und gleichzeitig könnte der Bundesrat – falls sich ein Abnehmer weigert oder nicht zur Weitergabe der VKZ in der Lage ist – diese selbst direkt auszahlen, heisst es beim Bundesamt für Landwirtschaft.

Die – nicht so – goldene Mitte

Bei der umstrittenen Zielsetzung für den Absenkpfad Nährstoffe kommt der Bundesrat zwar seinem Auftrag nach, die angestrebte Reduktion zu senken. Dazu war er nach der Annahme einer entsprechenden Motion verpflichtet. Mit 15 statt 20 Prozent geringeren Stickstoffverlusten bis 2030 liegt das neue Ziel aber über den 10 Prozent, die in der Branche gemeinhin als realistisch angesehen wurden. Beim Phosphor bleibt die Ziellinie bei 20 Prozent.

Eine grosse Umlagerung

«Die Landwirtschaftsbetriebe beteiligen sich stark an den 2023 eingeführten Produktionssystembeiträgen», stellt der Bundesrat fest.  Die Teilnahme übersteige die zuvor getroffenen Annahmen. Das ist erfreulich aus Sicht der Erreichung der Ziele der Parlamentarischen Initiative (Pa.Iv.), ergänzte Simon Hasler vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) an einem Hintergrundgespräch (siehe Kasten). Gleichzeitig braucht es aber auch mehr finanzielle Mittel als gedacht; Um diese PSB die nächsten zwei Jahre finanzieren zu können, müssen rund 100 Millionen Franken innerhalb des Kredits für Direktzahlungen umgelagert werden. Diese Pläne waren in der Vernehmlassung grossmehrheitlich von den Kantonen, bäuerlichen und anderen Organisationen abgelehnt worden.

Zwar habe die beschlossene Umlagerung keinen Einfluss auf die Mittelverteilung zwischen Tal- und Berggebiet, sie zieht aber Senkungen bei den Beiträgen für Versorgungssicherheit, Biodiversität und Tierwohl nach sich:

Basisbeitrag Versorgungssicherheit: Fr. 600.-/ha und Jahr (heute Fr. 700.-/ha)

Basisbeitrag BFF-Dauergrünflächen: Fr. 300.-/ha und Jahr (heute Fr. 350.-/ha)

Produktionserschwernisbeiträge: Je plus Fr. 100.-/ha und Jahr in allen Zonen

Biodiversitätsbeiträge QI: Insgesamt minus Fr. 31 Mio. (Bei vier Biodiversitätstypen)

BTS: Minus 15-20 Prozent pro Jahr in allen Tierkategorien

Beitrag für längere Nutzungsdauer (neu eingeführt ab 2024): Maximal Fr. 100.-/GVE statt Fr. 200.-/GVE

Wie wurden die DZ für die Reduktion ausgewählt?

Am Hintergrundgespräch erläuterte Simon Hasler, der beim BLW für Direktzahlungen zuständig ist, die Überlegungen hinter der Umverteilung. «Dass Mittel aus den Versorgungssicherheitsbeiträgen (VSB) für die PSB zur Verfügung stehen sollten, war bereits ursprünglich vom Bundesrat so vorgesehen», so Hasler. Um nicht eine Extensivierung zu fördern und das Verhältnis der Beitragshöhe von VSB und BFF-Förderungen beizubehalten, mussten letztere ebenfalls sinken. «Wir wollen bei den BBF Qualität fördern. Daher sinken die Beiträge für QI, nicht QII.» Der Beitrag für längere Nutzungsdauer lasse sich quasi «schmerzlos» senken, da er noch nicht eingeführt worden ist. Zu guter Letzt blieb für weitere Einsparungen zugunsten der PSB nicht viel Auswahl. Zumal das BLW nicht einseitig das Tal- oder Berggebiet bevorzugen oder benachteiligen wolle. Die Wahl fiel auf die BTS-Beiträge, da die besonders tierfreundliche Haltung auch via Strukturverbesserung (Investitionskredite) unterstützt werde.

Kredit wird gekürzt

Gleichzeitig mit der Verabschiedung des landwirtschaftlichen Verordnungspakets hat der Bundesrat eine Kürzung des Direktzahlungskredits um 2,2 Prozent beschlossen. Zur Entlastung des Bundeshaushalts werden so 55 Millionen Franken pro Jahr eingespart. Die Umsetzung soll über eine lineare Kürzung der DZ an die Landwirte in den Jahren 2024 und 2025 erfolgen. Die vorgesehenen Kürzungen sind in den neuen Beitragshöhen und Umlagerungen bereits berücksichtigt, die Budgetdebatte ist im Parlament allerdings noch nicht abgeschlossen.

Anreiz gegen Extensivierung von BFF

Indem die Beiträge für wenig intensiv genutzte Wiesen QII erhöht werden, soll ein Anreiz entstehen, wertvolle nicht-magere bzw. mittelfette Fromental- und Goldhaferwiesen nicht zu extensivieren. Nicht betroffen sind die Bergzonen III und IV. Generell gilt neu ein Verbot für Kalkdünger auf wenig intensiv genutzten Wiesen, da diese schädlich seinen für Amphibien.  

Abo Zahlungsrahmen 2026 bis 2029 92 Millionen Direktzahlungen einsparen – «Bauernfamilien sollen bluten» Wednesday, 11. October 2023 Änderungen bei den Acker-BFF – konkret die Aufnahme weiterer Flächentypen und eine verspätete Einführung der Pflicht zu 3,5 Prozent – waren zwar nicht Teil der Vernehmlassung, wurden aber verschiedentlich in diesem Rahmen gefordert. Die Forderungen blieben ungehört, ebenso gibt es keine Anpassung des Weidebeitrags. Mehrere bäuerliche Organisationen wollten eine Aufhebung der RAUS-Vorschrift für alle Tierkategorien im Weidebeitrag erwirken. Vom politischen Prozess her ist dem Bundesrat aber kaum möglich, auf Anliegen einzugehen, die nicht zur Vernehmlassung gehören.

Anpassungen bei den PSB

Ein Jahr nach ihrer Einführung gibt es bei zwei PSB per 2024 Anpassungen:

Mehrjähriger Nützlingsstreifen: Vierjährige Verpflichtungsdauer. Bei guter Qualität kann der Kanton eine Verlängerung ermöglichen. Reinigungsschnitt im ersten Jahr bei grossem Unkrautdruck zulässig.

Angemessene Bodenbedeckung: Getrennte Anmeldung von einjährigem Gemüse und Beeren sowie anderen Kulturen auf der offenen Ackerfläche. Mindestens 80 Prozent der Ackerflächen müssen die Vorschriften erfüllen (statt gesamtbetrieblich). Zwar erhalten Landwirte den Beitrag trotzdem für die ganze Ackerfläche, seine Höhe wird aber nach unten korrigiert (bisher Fr. 250.-/ha für Ackerkulturen, neu Fr. 200.-/ha). Keine Kopplung an den PSB «schonende Bodenbearbeitung».

Herdenschutz und Mulchen

Was das Sömmerungsgebiet betrifft, enthält das Verordnungspaket einen neuen Zusatzbeitrag für den Herdenschutz. Fr. 250.-/Normalstoss werden für Schafe und Ziegen sowie Rindvieh bis 1-jährig ausbezahlt. Voraussetzung dafür ist die Umsetzung eines vom Kanton bewilligten einzelbetrieblichen Herdenschutzkonzeptes. Der zusätzliche Beitrag ist als Ergänzung zu den Zahlungen des Bundesamts für Umwelt für Zäune und Herdenschutzhunde gedacht und soll als solcher in erster Linie personelle Mehraufwände decken.

Weiter ist es den Bewirtschaftern im Sömmerungsgebiet ab nächstem Jahr erlaubt, zwecks Weidepflege zu mulchen. Zur Entbuschung darf aber nur mit kantonaler Bewilligung samt ökologischer Auflagen gemulcht werden.

Beiträge für Flächen mit Solaranlagen

Flächen mit Solaranlagen sind neu direktzahlungsberechtigt. Dazu müssen sie aber die Vorgaben des Raumplanungsgesetzes erfüllen, also eine entsprechende Bewilligung erhalten. Dafür wiederum muss ein Nutzen für die landwirtschaftliche Produktion nachgewiesen werden können, was z. B. für Beeren im Sinne eines Witterungsschutzes der Fall sein kann. Ausgeschlossen sind Zahlungen für Grünflächen mit Solaranlagen, da dort kein Vorteil für die landwirtschaftliche Nutzung denkbar sei.

 

Über höhere Marktpreise abfedern

Die sinkenden Direktzahlungen zugunsten der PSB müssten über höhere Marktpreise aufgefangen werden, fordert der Schweizer Bauernverband in einer Mitteilung. Er bedauert, dass der höhere Mittelaufwand für die PSB nicht bereits in der Planung der neuen Programme berücksichtigt worden ist und es nun im Nachhinein zu dieser Umlagerung kommt. Am Hintergrundgespräch machte das BLW geltend, der Mittelbedarf sei bei neuen Programmen sehr schwer abschätzbar gewesen.

Da zudem für die kommenden Jahre wegen des Sparprogramms des Bundes zusätzlich das Agrarbudget um 2,2 Prozent gekürzt wird, sind die Bauernfamilien laut SBV doppelt betroffen. Er sieht das Parlament in der Pflicht, diese «ungerechte Sparübung auf dem Buckel der Bauernfamilien» in der Wintersession zu korrigieren. Angesichts der Teuerung und immer höheren Ansprüchen sei eine Kürzung der Mittel verantwortungslos.

Positiv bewertet der SBV den Beschluss gegen eine Direktauszahlung der Verkäsungszulage.

«Insbesondere Rindviehhalter bestraft»

Die Schweizer Milchproduzenten (SMP) üben scharfe Kritik an den Beschlüssen des Bundesrats. Mit dem Kürzungsprogramm würden Rindviehaltende doppelt bestraft: Einerseits durch die lineare Senkung der Direktzahlung andererseits die Reduktion bei den BTS-Beiträgen. Dies, obwohl man bereits mit Marktdruck, steigenden Kosten, höheren Anforderungen und Inflation zu kämpfen habe. Der Bundesrat hat in den Augen der SMP unsorgfältig geplant und strafe nun jene, die dem Druck nachgegeben und teuer in Laufställe investiert haben.

Wie der SBV begrüssen auch die SMP den Verzicht auf die Direktauszahlung der VKZ. Die Senkung des N-Reduktionsziels von 20 auf 15 Prozent sei immerhin eine Verbesserung.