Die gesetzlichen Artikel innerhalb der Landwirtschaftlichen Zonenverordnung sind seit 1998 quasi unberührt – das Dossier über den landwirtschaftlichen Produktionskataster und die Ausscheidung von Zonen verstaubt. In dieser Verordnung ist u. a. geregelt, wie Sömmerungsflächen von den landwirtschaftlichen Nutzflächen (LN) abgegrenzt sind. Somit herrscht eine strikte Trennung zwischen diesen produktiven Flächen und dem Sömmerungsgebiet, «was absolut nachvollziehbar und aus Sicht des Steuerzahlers korrekt ist», so Markus Stoffel, Präsident der Talalpgenossenschaft Hinterrhein im Kanton Graubünden.
LN kosten den Staat mehr als Sömmerungsflächen
Seit geraumer Zeit kämpft er in seiner Region dafür, dass ein flächengleicher Abtausch im Rahmen von Meliorationen und Gewässerraum-Ausscheidungen möglich ist, ohne dass mehr LN ausgeschieden werden müssen. Denn dies wäre gesetzwidrig, weil die LN den Staat aufgrund der darauf ausgezahlten Beiträge mehr «kosten» als die Offenhaltung von Sömmerungsflächen (welche ebenfalls mit Beiträgen gefördert wird).
Und genau hier besteht offenbar Handlungsbedarf. Markus Stoffel sieht im Bündner Berggebiet – aber auch allgemein mit dem flächengleichen Abtausch von LN und Sömmerungsflächen – ein Potenzial, Kosten einzusparen und gleichzeitig die Bewirtschaftung dieser Flächen zu optimieren.
Im Fall der Talalpgenossenschaft, welcher Stoffel vorsitzt, sieht die Situation folgendermassen aus:
Neue LN: Die heutigen Sömmerungsflächen, welche neu zu LN umgewandelt werden sollen, befinden sich in der Talebene des Hinterrheins. Sie können gut bewirtschaftet werden und sind heute vom Bestand her als Fettwiesen taxiert. Diese Flächen sind topfeben, ertragreich, siedlungsnah und bieten somit beste Voraussetzungen für eine Bewirtschaftung als LN.
Ausserdem sind sowohl der ganze Alpbetrieb wie auch alle Heimbetriebe seit 1992 nach Knospe zertifiziert und erfüllen damit hohe Umweltanforderungen, wie Stoffel erklärt.
Neue Sömmerungsflächen: Die Grundstücke, welche an Sömmerungsflächen abgegeben werden sollen, grenzen an bestehende Alpbetriebe und könnten von diesen bewirtschaftet werden.
Schwieriges zu Schwierigem
Gemäss einer von Markus Stoffel in Auftrag gegebenen Bewertung durch das LBBZ Plantahof, mache es Sinn, diese teilweise schwierig zu bewirtschaftenden Flächen einer extensiven Beweidung zuzuführen. Zudem könnten die bestehenden Natur- und Heimatschutz-Inventarflächen erhalten bleiben, wie der Plantahof im Schreiben versichert.
Ein flächengleicher Abtausch von LN in das Sömmerungsgebiet und umgekehrt bedeute erhebliche Kosteneinsparungen für den Bund respektive den Kanton, wie das Lehrzentrum berechnet hat. «Mit dem flächengleichen Abtausch im Talboden fallen tendenziell tiefere Beiträge für die Biodiversität und Landschaftsqualität an als auf der höhergelegenen und kupierten landwirtschaftlichen Nutzfläche», so die Argumentation.
«Der Abtausch könnte viele Kosten einsparen»
Nach Markus Stoffel – und gemäss der Berechnung durch den Plantahof – würde diese Regelung im Fall der Bündner Talalpgenossenschaft bei den jährlichen Direktzahlungen Kosten von rund 16'400 Franken einsparen. Dies, weil die meisten neu in die LN aufgenommenen Flächen flach oder wenig geneigtes Land im Talboden beinhalten, wodurch sich eine jährlich wiederkehrende Einsparung bei den Hangbeiträgen ergeben würde, rechnet Stoffel vor.
Zusätzlich könnte durch die Neueinteilung auf «mindestens eine geplante Erschliessung verzichtet werden», so der Präsident der Genossenschaft. Im Fall der Melioration Hinterrhein heisst das konkret, dass auf den Bau einer Strasse für landwirtschaftliche Fahrten verzichtet werden könnte und somit gemäss der Berechnung einmalig Kosten von 180'000 Franken eingespart würden. Dies, weil die Bewirtschaftung einer Sömmerungsfläche viel weniger Erschliessungsbedarf erfordert als die Bewirtschaftung von LN, präzisiert Markus Stoffel.
Die Bewirtschaftung muss rationell bleiben
Andererseits erleichtere es die Bewirtschaftung der Flächen erheblich. «Genau dafür wären Meliorationen eigentlich gedacht», ruft Stoffel in Erinnerung. «Die Regelung, wie sie in der Verordnung verankert ist, behindert die Bewirtschafter(innen) jedoch in ihrer Arbeit und in ihrem staatlichen Auftrag, effizient zu arbeiten und die Felder rationell zu bewirtschaften», moniert Stoffel. Aus diesen Gründen ist er enttäuscht, dass das BLW dem Anliegen bisher keine Beachtung geschenkt hatte.
Die Befürchtung, dass eine Flexibilisierung in der Verordnung zu einer Flut von Anträgen und Gesuchen führen würde, schliesst Stoffel aus, da die Situation, wie sie beispielsweise im Hinterrhein anzutreffen ist, wohl eher selten sei und somit nur vereinzelte Alpen betreffen würde. Da ein Abtausch nur im Rahmen einer Melioration oder Gewässerraum-Ausscheidung möglich ist, seien die Hürden immer noch hoch.
Was die Motion Schmid will
Der Ständerat Martin Schmid (FDP/GR) reichte am 17. Juni 2021 die Motion «Änderung der Landwirtschaftlichen Zonen-Verordnung im Zusammenhang mit Meliorationen» ein. Darin beauftragte Schmid den Bundesrat, die Verordnung über den landwirtschaftlichen Produktionskataster und die Ausscheidung von Zonen (SR 912.1) so anzupassen, dass im Zusammenhang mit Meliorationen (Strukturverbesserungsmassnahmen) und/oder Gewässerrevitalisierungsprojekten ein Abtausch zwischen landwirtschaftlicher Nutzfläche und Sömmerungsfläche gesetzlich zugelassen wird, sofern die landwirtschaftliche Nutzfläche gesamthaft flächenmässig nicht zunimmt.
Den Abtausch ermöglichen
Gemäss Martin Schmid soll die Möglichkeit geschaffen werden, den Abtausch zwischen landwirtschaftlicher Nutzfläche und Sömmerungsfläche bei Meliorationen, bei Gewässer-Revitalisierungsprojekten sowie bei der Ausscheidung von Gewässerräumen zu ermöglichen. In den Kantonen bestünde ein erhebliches Bedürfnis, die Gesetzgebung an die veränderten Verhältnisse anzupassen, so der Ständerat. «Von der Landwirtschaft wird heute Effizienz und Zukunftstauglichkeit gefordert und durch Strukturverbesserungs-Massnahmen von Bund und Kantonen gefördert, gleichzeitig jedoch faktisch wieder blockiert. Zudem sind auch Gewässerrevitalisierungen ein öffentliches Interesse», wie der Motion zu entnehmen ist.
Ständerat nimmt Motion an
Mittlerweile wurde die Motion im Ständerat angenommen, der Nationalrat berät voraussichtlich im Dezember darüber. Der Bundesrat beantragt die Motion zur Ablehnung. «Nach Abwägung der verschiedenen Wirkungen und Aspekte kommt der Bundesrat zum Schluss, dass die negativen Auswirkungen einer Flexibilisierung der Abgrenzungskriterien aus gesamtheitlicher und gesamtschweizerischer Sicht die möglichen punktuellen wirtschaftlichen Vorteile deutlich überwiegen.»
Die Motion ist eingereicht
Mit seiner Forderung, einen flächengleichen Abtausch von LN und Sömmerungsflächen im Falle von Gewässerraum-Ausscheidungen zu ermöglichen, gelangte Markus Stoffel an den Ständerat Martin Schmid, der daraufhin im Juni 2021 eine entsprechende Motion einreichte. Der Präsident der Talalpgenossenschaft aus dem bergigen Graubünden ist überzeugt, dass das Anliegen auch bei den städtischen Ratslinken Zustimmung finden müsste, da dadurch die Gewässerraum-Auscheidungen in Gebirgstälern oft erheblich erleichtert werden könnten.
Das meint der SAV dazu:
Den Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verband (SAV) auf die Problematik angesprochen, erwidert die Geschäftsführerin Selina Droz: «Der SAV hat ebenfalls festgestellt, dass die bestehende Zoneneinteilung in gewissen Fällen nicht unbedingt logisch ist und eine gewisse Flexibilisierung, vor allem in Härtefällen, zu begrüssen wäre. Eine Annahme der Motion darf aber nicht zur Folge haben, dass Kulturland auf Kosten der Sömmerungsfläche verloren geht. Darum: Sollte die Motion Schmid angenommen werden, müsste die Umsetzung sauber mit dem Vollzug respektive den Kantonen geklärt werden. Und es müsste auf die Bedürfnisse der Alpwirtschaft Rücksicht genommen werden.»
