Abo Die klassische Zucht einer Sorte dauert Jahre und ist aufwendig. Denn die Pflanzen müssen gekreuzt werden, wachsen und Samen bilden (auf dem Bild: Samenernte an einem Salat). Pflanzenzucht Der Bundesrat will für Transparenz im Patent-Dschungel sorgen Tuesday, 4. June 2024 Der Bundesrat verspricht im Vorentwurf der Revision des Patentrechts mehr Transparenz und Rechtssicherheit im Bereich der Pflanzenzucht. Dafür schlägt er das Modell einer Clearingstelle vor: Züchter(innen) sollen über diese eine neue Sorte melden können, worauf die Patentinhaber angeben sollen, ob die gemeldete Sorte von einem Patent betroffen ist.

Auskunftspflicht beschränken

Dieser Mechanismus ist aus Sicht des Wirtschaftsverbands Scienceindustries, der verschiedene Schweizer Agrarunternehmen vertritt, problematisch. Für den Patentinhaber entständen Rechtsunsicherheit und grosser Mehraufwand. Denn bei fremden Sorten hätten Patentinhaber keinerlei Anhaltspunkte, ob mit ihrem patentierten Material gezüchtet wurde. Zudem könne der Patentschutz nach dem Vorschlag des Bundesrats ignoriert werden, falls ein Lizenzanspruch durch den Patentinhaber nicht innert 90 Tagen geltend gemacht wird. «Die Patentinhaber haben meist nur Kenntnisse über die Patente und Sorten aus der eigenen Zucht, aber bei Sorten von Mitbewerbern wissen sie oft nicht, ob mit eigenem patentgeschütztem Material weiter gezüchtet wurde», gibt Jörg Beck, Leiter Ernährung und Agrar bei Scienceindustries, zu bedenken. Das sei nur mit umfangreicher und teurer Genom-Typisierung der fraglichen fremden Sorte zu eruieren. Daher dürfe sich nach Meinung von Scienceindustries die geplante Auskunftspflicht nur auf die eigenen Sorten des jeweiligen Unternehmens beschränken.

«Das würde die Marktchancen schmälern.»

Jörg Beck, Scienceindustries, über die Folgen eines Patenschutz-Verlusts.

«Umkehr der Beweislast»

Derweil begrüsst Pro Specie Rara als kleinerer Akteur in der Pflanzenzucht den vom Bundesrat vorgeschlagenen Ansatz. Andere Unternehmungen in der Pflanzenzucht aber befürchten gemäss Jörg Beck eine «Umkehr der Beweislast» und damit einen unverhältnismässigen Mehraufwand für die forschenden Firmen in der Schweiz.

Sowohl Sortenschutz- als auch Patentrecht kennen Privilegien für Züchter. In der Kritik stehen aber insbesondere Patente auf einzelne Eigenschaften von Pflanzen. Kleinere Zuchtorganisationen machen geltend, dass sie angesichts fehlender Transparenz jahrelang in eine neue Pflanze investieren könnten – ohne Sicherheit, dass das Resultat ihrer Bemühungen am Ende nicht geistiges Eigentum eines anderen ist. «Patente auf technisch erzeugte Pflanzeneigenschaften machen absolut Sinn», ist Jörg Beck überzeugt, der neben seiner Tätigkeit bei Scienceindustries als Landwirt tätig ist. «Unser Wirtschafts- und Innovationssystem ist darauf aufgebaut.»

Für Landwirte und Konsumenten

«Patente schaffen die Rahmenbedingungen für Innovationen, die letztlich den Landwirten, aber auch den Endkonsumenten zugutekommen», ergänzt Jörg Beck. Als Beispiele nennt er die Widerstandsfähigkeit von Nutzpflanzen gegen Mehltau, einen tieferen Glutengehalt im Getreide oder Krautfäuleresistenz im Kartoffelanbau. Im heurigen nassen Anbaujahr ist der Gedanke an krautfäuleresistente Kartoffelsorten naheliegend.

An ebensolchen wird gearbeitet, bei Agroscope auch mit cisgenen Kartoffeln. Mit gentechnischen Verfahren werden bei diesen Pflanzen Gene aus Wildkartoffeln ergänzt, die ihnen eine Resistenz gegen Krautfäule verleihen. Solche Züchtungen lassen sich heute effizienter mit der Crispr-Cas-Methode erzeugen. «Innovative Unternehmen werden nur in diese neuen Züchtungsmethoden investieren, wenn sich der Aufwand lohnt und Rechtssicherheit in Bezug auf die neuen Züchtungsverfahren und Innovationsschutz besteht», gibt Jörg Beck zu bedenken.

Sorten- und Patentschutz ergänzen sich nach Meinung von Scienceindustries: Die klassische Kreuzungszucht einer Sorte dauere viele Jahre und für das Produkt (die Pflanzensorte als Ganzes) könne fairerweise Sortenschutz beantragt werden. «Im Gegensatz dazu können Veränderungen an der Pflanze durch Genom-Editierung in kurzer Zeit in eine grosse Zahl von Pflanzen einkopiert werden», fährt Jörg Beck fort.

Einfach kopieren

Ohne Patentschutz könnten Konkurrenten eine so erzeugte Verbesserung beliebig oft kopieren, sagt er. «Das würde die Marktchancen für Erfindung und Entwicklung erheblich schmälern.» Um beim Kartoffelbeispiel zu bleiben: Ein Unternehmen könnte die Krautfäuleresistenz in ihrer cisgenen Sorte – oder ein innovatives Verfahren, um es in bestehende Sorten einzuführen – patentrechtlich schützen lassen. Wer damit weiterzüchten will, müsste entsprechend Gebühren an die Firma bezahlen. So könnte sie den Entwicklungsaufwand über Lizenzgebühren decken und den Ertrag in neue Forschungsprojekte investieren.

Zuerst regeln

Die Warnungen vor Patenten auf Nutzpflanzen relativiert Jörg Beck. Das Patentrecht verbiete die Patentierung von in der Natur vorkommenden Pflanzeneigenschaften. Wer alte Sorten mit traditionellen Methoden züchte, sei nie von Patenten betroffen. «Nur wer die neuesten Technologien in der Züchtung nutzen will, muss sich wie in jedem anderen technischen Bereich auskennen.» Die Anwendung von neuen Züchtungsverfahren sei in der Schweiz derzeit aber noch Zukunftsmusik, sagt Beck.

«Im Idealfall setzt sich eine pragmatische Zulassung von neuen Züchtungsmethoden mit einem angepassten Patentschutz auf Innovationen im Zuchtbereich durch», so seine Hoffnung. Die Ausgestaltung der Transparenzmassnahmen ist stark von der zukünftigen Regulierung der neuen Züchtungsverfahren abhängig. Daher wäre es nach Meinung von Scienceindustries sinnvoll, die Revision des Patentgesetzes erst nach der gesetzlichen Regelung der neuen Züchtungsverfahren abzuschliessen.

Neue Initiative kommt im Herbst

Die Themen Patente und neue (gentechnische) Verfahren sind eng verflochten, wenn es um Patente auf Eigenschaften von Pflanzen geht. Sie sind auch eines der Argumente der neuen «Lebensmittelschutz-Initiative» des Vereins für gentechnikfreie Lebensmittel. Die Initiative will eine Bewilligungspflicht mit Risikoprüfung für sämtliche gentechnisch veränderten Organismen in der Verfassung verankern, ebenso eine obligatorische Kennzeichnung und Massnahmen für die Koexistenz mit gentechnikfreier Produktion.

Aus Sicht der Initianten verteuern die Patente von «Gentech-Konzernen» auf Pflanzen und Verfahren die Züchtung, treiben die Saatgutpreise in die Höhe und zementierten die Abhängigkeit von wenigen multinationalen Unternehmen. Zum Auftakt der Lebensmittelschutz-Initiative wurde Ende Juni in Bern eine Petition mit knapp 25 000 Unterschriften eingereicht, die eine Verlängerung des Gentech-Moratoriums fordert. Dieses läuft 2025 aus.
Die eigentliche Lancierung der neuen Volksinitiative ist für kommenden Herbst geplant.

Umsetzbar und ausgewogen

In der Revision des Patentrechts ist nicht von einem Verbot für Patente die Rede. Der Bundesrat sieht in einer Clearingstelle vielmehr eine Lösung, die auch einen Anstieg der Patente durch eine mögliche Zulassung neuer Züchtungsverfahren in der Schweiz bewältigen könnte. Scienceindustries zweifelt an der Umsetzbarkeit – man sei aber bereit, Transparenz- und Lizenzierungsmassnahmen weiter zu stärken. «Doch müssen solche Massnahmen umsetzbar, praktikabel und ausgewogen sein», stellt Jörg Beck klar. Sowohl Patentinhaber als auch Züchter bzw. Sorteninhaber seien gefordert, ihren Beitrag zu leisten.

Die Vernehmlassung zur Revision des Patentrechts läuft noch bis Mitte September. Weitere Entscheide sind erst nächstes Jahr zu erwarten.