Der Luzerner Biomilchproduzent Thomas Grüter ist seit eineinhalb Jahren höchster Zentralschweizer Milchproduzent. Als Milchpolitiker ist er weiter mehr als die Hälfte der Arbeitszeit für die Anliegen seiner Berufskollegen unterwegs. Wegen Corona bislang vor allem im Hintergrund. Dies hat sich zum Glück geändert, genauso wie die Marktsituation.
Thomas Grüter, nach mehreren schriftlichen Delegiertenversammlungen gab es kürzlich eine offenbar sehr gut besuchte Infoveranstaltung für die ZMP-Delegierten. Wie nehmen Sie die Stimmung unter den Produzenten wahr?
Thomas Grüter: Wir haben zwar viele Info-Kanäle und wegen Corona drei schriftliche Delegiertenversammlungen durchgeführt. Trotzdem waren Informationsbedarf und das Bedürfnis nach Austausch gross. Grundsätzlich ist die Situation auf dem Milchmarkt heute eine andere als vor drei Jahren, die Stimmung entsprechend besser. Thema in Sempach war auch unsere Reorganisation auf strategischer Ebene. Einiges bleibt gleich, verkleinert wird die Anzahl Delegierter von 280 auf 200. Anstelle des Regionalausschusses wird künftig eine Präsidentenkonferenz als wichtiges «Sounding Board» dienen. Infolge eines Bundesgerichtsentscheids werden zudem die Anzahl Delegierter an die Anzahl Betriebe angelehnt und nicht mehr an Liefermengen, was nicht mehr gesetzeskonform wäre. Dies werden wir in den mengenstarken Regionen noch vertiefter erklären müssen.
Der Milchpreis war also weniger ein Thema. Trotzdem: Geht noch etwas nach oben?
Beim aktuellen Benchmark sind wir die Nummer 1. ZMP-Lieferanten haben sehr gute Preise. Möglich, dass der Preis auf Anfang Jahr leicht steigt. Jede Erhöhung muss aber am Ladentisch umgesetzt und akzeptiert werden und hat Einfluss auf den Absatz. Käse kann im Ausland rasch zum Luxusprodukt werden.
«Lieferanten der ZMP haben sehr gute Preise.»
Im aktuellen Benchmark sei man beim Milchpreis die Nr. 1.
Wegen Corona waren Sie in den eineinhalb Jahren als Präsident noch kaum im Schaufenster?
Stimmt. Ich wurde 2020 in den Vorstand gewählt mit der klaren Absicht, 2021 Thomas Oehen als Präsidenten abzulösen. So hatte ich Zeit, mich einzuarbeiten. Ich bin seit 20 Jahren Politiker und hätte einen direkteren Kontakt begrüsst und geschätzt. Schade war insbesondere, dass mein Vorgänger unter diesen «Lockdown»-bedingten Umständen abtreten musste.
Die Milchproduktion bleibt arbeits- und kapitalintensiv. Geht der Zentralschweiz irgendwann die Milch aus?
Wir sind sehr interessiert an der Milch, vor allem aus der Zentralschweiz. Aber jeder Betriebsleiter muss sich die Frage nach der Produktionsrichtung selber stellen. Auch die Fragen nach möglichen Alternativen. Wir haben viele ältere Betriebsleiter, der Strukturwandel wird weitergehen. Dann kommen auch Effekte wie der Milchpreis oder das Wetter hinzu. Aktuell wird wieder vermehrt in die Milchproduktion investiert. Es herrscht eine gewisse Zuversicht in der Branche. Einen grossen Einfluss auf die Mengen hat auch die Politik und das Geschehen rund um uns. Unser Ziel ist es, die aktuellen Mengen zu halten. Dafür braucht es weiterhin gute Preise. Überkapazitäten in der Verarbeitung sind teuer.
«Unser Ziel ist es, die Mengen zu halten.»
ZMP-Präsident Thomas Grüter zu den Milchmengen aus dem ZMP-Gebiet.
Grüner Teppich, Weidebeitrag, RAUS usw. Der Druck auf die klassischen Bergbetriebe mit Anbindestall nimmt eher zu?
Dazu laufen aktuell viele Gespräche und es wäre verfrüht, hier als ZMP Aussagen zu machen. Grundsätzlich ist klar: Auflagen müssen entsprechend abgegolten werden.
Talbetriebe wachsen noch schneller als Bergbetriebe. Wie vereinen Sie die beiden Anspruchsgruppen?
In allen Regionen werden die Betriebe grösser. Die Topografie setzt im Berggebiet sicher früher Grenzen. Dort sehe ich vor allem bei Zusammenarbeitsformen noch Potenzial. Auch beim Emmi-Rückvergütungsmodell haben wir mit unserem 85/15-Modell ja einen Kompromiss gefunden. Also 85 Prozent der Vergütung auf die Milchmenge, 15 Prozent pro Betrieb. Die grossen Betriebe sind uns dabei logischerweise nicht um den Hals gefallen. Es braucht immer den gangbaren Mittelweg. Das Motto unserer Genossenschaft «Wir sind alle ZMP» kommt nicht von ungefähr. Meist muss man etwas geben, um dann wieder etwas zu bekommen.
Sie selber sind in St. Urban, Pfaffnau, ein grosser Biomilchproduzent. Es gibt kaum Umsteller in den nächsten Jahren?
Aktuell ist die Nachfrage plus/minus gedeckt. Der ÖLN-Preis ist im Moment hoch. In den vergangenen Jahren hatten wir immer Produzenten, die quasi in den Bio-Kanal flüchteten. Auch hier soll jeder selber entscheiden und den eingeschlagenen Weg mit Überzeugung gehen. Eine Umstellung ist immer auch mit Risiken und Herausforderungen verbunden. Ein Bioland Schweiz ist eine Träumerei. Die Konsumentinnen und Konsumenten in diesem Sinne zu überzeugen und noch mehr miteinzubeziehen, ist eine grosse Aufgabe. Entschieden wird am Ladentisch.
Unter Druck bleiben die grossen Sortenkäsereien, in unserer Region namentlich Emmentaler AOP. Milchproduzenten wechseln nicht ungern in die Molkereimilch. Welche Rolle nimmt hier die ZMP ein?
Das ist das Geschäft von Emmentaler Switzerland. Es braucht auch hier gute Milchpreise. Es sind in der Tat eher grössere Produzenten, die abspringen. Das hilft natürlich keiner Käserei. Die Sortenkäsereien müssen miteinander reden und sich die Frage stellen, wie ihre gemeinsame Zukunft aussieht oder wer noch dabei sein wird. Der Leidensdruck in unserer Branche ist bekanntlich hoch. Nicht verkäste Milch abzunehmen, wird auch für die ZMP nicht immer so einfach sein wie gerade aktuell.
«ZMP mal Emmi gibt keinen SMP-Präsidenten.»
Die Nachfolge des SMP-Präsidenten Kern ist für Grüter kein Thema.
Gesucht wird ein neuer Präsident der Schweizer Milchproduzenten. Weshalb ist dies kein Thema für die grosse ZMP?
Wir pflegen zu sagen: «ZMP mal Emmi gibt keinen SMP-Präsidenten.» Wir sind eigenständig, aber natürlich gewollt nahe an unserer Abnehmerin Emmi. Der SMP-Präsident soll unabhängiger sein. Der Ablauf für das Verfahren ist klar. Sobald die Kandidaten bekannt sind, werden wir sie auch zu uns einladen für ein Hearing. Die beste Kandidatur werden wir dann auch unterstützen. Es braucht jemanden mit viel Fachkompetenz und dem notwendigen «Gschpüri» – gesucht ist ein Integrator.
Bleiben wir bei Emmi. Wie nehmen Sie die Zusammenarbeit wahr, auch in Ihrer Rolle als Verwaltungsrat?
Die beiden Unternehmen sind eigenständig. Die ZMP ist Mehrheitsaktionärin. Über 80 Prozent der ZMP-Milch geht zur Emmi. Als Emmi-VR bin ich der Emmi verpflichtet, mit dem Hintergrund Agrarfachwissen und -erfahrung. Wenn es Emmi gut geht, geht es auch den ZMP-Lieferanten gut. Emmi wächst noch immer im Ausland. Wichtig scheint mir, dass die Emmi-Führungscrew mit den Verantwortlichen der ZMP ein gutes Einvernehmen hat. Dies ist der Fall. Mit dem Rückvergütungsmodell, welches sich in den zehn Jahren positiv entwickelte, spüren die Milchproduzenten ganz konkret, was sie an einer erfolgreichen Emmi haben.
Vier von sieben ZMP-Vorstandsmitgliedern scheiden in den nächsten anderthalb Jahren aus dem Vorstand aus. Meist wegen Amtszeitbeschränkung. Ist die Rekrutierung auf Kurs?
Wir sind bereits mit allen Wahlkreisleitern zusammengesessen. Die Ausgangslage ist klar, im Frühling 2023 suchen wir einen Tunnelmilchlieferanten, sprich einen Käsereimilchproduzenten Emmentaler AOP und einen Molkereimilchproduzenten. Ein Jahr später dann noch zwei Molkereimilchproduzenten. Die Nachfolge darf kein Zufall werden, der Prozess mit Anforderungsprofil, Meldefirst und Hearings hat sich bewährt. Das zeitliche Engagement für ZMP-Vorstandsmitglieder ist hoch. Die Betriebe müssen sich entsprechend organisieren. Ich habe gehört, dass «etwas geht» in den Regionen, kenne aber noch keine Namen.
Zur Person
Der 57-jährige Thomas Grüter ist Meisterlandwirt und Luzerner Kantonsrat (Die Mitte) und präsidiert die ZMP seit Frühling 2021. Er hat Einsitz im Emmi-Verwaltungsrat.