Die Europäische Union (EU) möchte der illegalen Abholzung einen Riegel schieben. Erreichen will sie dies mit einem neuen Gesetz, der «Regulation on Deforestation-free products», was auf Deutsch so viel heisst wie Regulierung der abholzungsfreien Produkte. Mit diesem Gesetz soll es zukünftig nicht mehr möglich sein, Rohstoffe, aber auch daraus verarbeitete Produkte in die EU zu importieren, wenn diese auf entwaldeten Flächen angebaut wurden.
Inhalte der Regulierung
Klingt erst einmal vielversprechend, doch welches sind die Eckpunkte der neuen EU-Verordnung, und warum betrifft sie auch die Schweiz?
- Abgeholzte Flächen: Darunter fallen gemäss der Regulierung alle Flächen, die nach dem 31. Dezember 2020 gerodet wurden. Erfolgte die Rodung vor diesem Datum, fallen die Flächen nicht unter die Regulierung.
- Was darunterfällt: Rohstoffe wie Palmöl, Soja, Kautschuk, Kaffee, Kakao, Holz und Rindfleisch sind betroffen sowie deren Halb- und Fertigfabrikate. Das können zum Beispiel Schokolade, geröstete Kaffeebohnen oder aber auch Autoreifen sein.
- Zeithorizonte: Am 29. Juni 2023 informierte die EU zum ersten Mal über die neue Regulierung. EU-Importeuere, Hersteller und Exporteure haben achtzehn Monate Zeit bis zum 31. Dezember 2024, die neue Verordnung zu erfüllen. Kleine und Mittlere Unternehmen haben etwas länger Zeit, nämlich bis zum 30. Juni 2025.
- Ziele der EU: Die EU möchte mit der Verordnung die illegale, aber auch die legale Abholzung, die für eine Ausdehnung von Landwirtschaftsflächen durchgeführt wird, bekämpfen. Produkte auf dem EU-Markt sollen künftig «entwaldungsfrei» sein. Weil weniger Wald gefällt wird, verspricht sie sich positive Auswirkungen auf die Biodiversität. Daneben soll die Verordnung auch positive Auswirkungen auf den CO2-Ausstoss haben. Dieser lässt sich gemäss EU-Schätzung um mindestens 32 Millionen Tonnen pro Jahr reduzieren.
- Zum Vergleich: Eine 25 Meter hohe Fichte mit einem Brustdurchmesser von 45 Zentimetern speichert etwa 2,1 Tonnen CO2. Die 32 Millionen entsprechen somit 15,24 Millionen solcher Fichtenbäume. Wenn man bedenkt, dass auf einer Hektare etwa 400 Fichten wachsen, entspricht das einer jährlichen Schonung von knapp 38 100 Hektaren Wald.
- Strafen: Produkte, welche nicht der Regulierung entsprechen, können beschlagnahmt werden. Firmen, die gegen die Verordnung verstossen, können mit einer Strafe gebüsst werden. Diese beträgt maximal 4 Prozent von ihrem in der EU erwirtschafteten Gesamtumsatz.
Aufgaben der Unternehmen
Betroffene Unternehmen müssen eine Vielzahl an Massnahmen durchführen:
- Sorgfaltspflicht: Unternehmen müssen sicherstellen, dass Produkte, die sie importieren, nicht von entwaldeten Flächen stammen.
- Rückverfolgbarkeit: Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Lieferketten bis auf Parzellenebene rückverfolgbar sind. Um das zu überprüfen, muss zum Beispiel mit Satellitenaufnahmen belegt werden, dass eine produzierende Fläche bereits vor dem Stichtag, dem 31. Dezember 2020, landwirtschaftlich genutzt wurde.
Auch Schweiz betroffen
Gemäss MME, einer Zürcher Rechtsanwaltskanzlei, die sich auf Rechts- und Steuerberatung spezialisiert, sind Schweizer Unternehmen aus zwei Gründen vom neuen Gesetz betroffen. Erstens ist die Schweizer Wirtschaft eng mit jener der EU verflochten. Möchte eine Firma zum Beispiel Schokolade nach Frankreich exportieren, muss sie sicherstellen, dass die Produkte für die Schokolade gemäss der neuen Regulierung angebaut wurden. Zweitens kann sich keine Schweizer Firma einen Reputationsschaden erlauben, falls ihre Produkte mit Abholzung oder Waldschädigung in Verbindung gebracht würden.
Umsetzung auf Firmenebene
Die BauernZeitung hat sich bei zwei Schweizer Firmen nach der Umsetzung erkundigt.
- Migros: Gemäss Patrick Stöpper, Mediensprecher des Migros-Genossenschaftsbundes, sind lediglich Kakao und Kaffee von der neuen Regelung betroffen. Bei diesen beiden Rohstoffen sei bereits heute ein wesentlicher Teil gemäss einem Nachhaltigkeitsstandard wie zum Beispiel Max Havelaar zertifiziert. Rindfleisch, welches ebenfalls von der Regulierung erfasst werde, stamme zu 90 Prozent aus der Schweiz. Das zur Fütterung verwendete Soja stamme zu 92 Prozent aus Europa. Sämtliches Soja verfüge zudem über ein Nachhaltigkeitszertifikat.
- Barry Callebaut: Schokoladenhersteller mit Hauptsitz in Zürich und einem Jahresumsatz von über 8 Milliarden Franken. Gemäss Mediensprecherin Sara Thallner zählen Rückverfolgbarkeit sowie Entwaldung seit Jahren zu den Grundpfeilern der Nachhaltigkeitsstrategie. Aktuell sei bei 78,9 Prozent aller Flächen die Rückverfolgbarkeit gegeben. Gemäss dem von der Firma publizierten Nachhaltigkeitsbericht will man bis 2030 100 Prozent Rückverfolgbarkeit erreichen.
