Es ist nicht die 7-Tage-Arbeitswoche, die Gallus Schafer die Freude an seinem Beruf zusehends nimmt. Es ist die Agrarpolitik: Vor Kurzem hat der Freiburger eine 30-jährige, vernetzte QII-Wiese gepflügt und Mais darauf gesät – schweren Herzens und mit Wut im Bauch. «In meinen Augen gibt es keinen grösseren Blödsinn», macht Schafer seinem Ärger Luft.
Zum Saum geraten
Von einem Biologen vom kantonalen Vernetzungsprojekt hat sich Gallus Schafer im Frühling beraten lassen, wie er die Pflicht zu 3,5 Prozent Biodiversitätsförderflächen im Ackerbau (Acker-BFF) ab 2024 am sinnvollsten umsetzen könnte. «Er riet mir an dieser Stelle zu einem Saum, weil ich den alternierend mähen und so die Verbuschung vom Waldrand her verhindern kann», erklärt der Landwirt. Eine Buntbrache hätte wegen der aufkommenden verholzten Pflanzen nicht gepasst. Sein Plan war, die nötige Fläche aufzueggen und den Saum zu säen. Aber vom Kanton hiess es, das gehe nicht.
Denn die Acker-BFF «Saum auf Ackerfläche» und Brachen dürfen nur auf Flächen angelegt werden, die zuvor ein Acker waren – und zuvor meint im Vorjahr, nicht einst vor Jahrzehnten. Daher war Schafer dazu gezwungen, Mais und an anderer Stelle Getreide zu säen, wo 2024 Ackersäume wachsen sollen. Soweit möglich – das heisst auf maximal der Hälfte der verlangten 3,5 Prozent der LN – will der Landwirt Getreide in weiter Reihe säen. Ansonsten wandelt er bestehende BFF in Acker-BFF um, um nicht mehr Produktionsfläche zu verlieren. Der Gesamtanteil BFF auf Schafers Land liegt mit 11,5 Prozent bereits über dem Minimum von 7 Prozent für den ÖLN.
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Nichts mehr zu machen
Gallus Schafer ist überzeugt, dass er nicht der Einzige ist, der sich mit Acker-BFF abmüht. «Ich höre von Berufskollegen, dass sie etwa zum letzten Mal heuen, bevor es auf derselben Fläche eine Buntbrache gibt, oder dass eine QII-Fläche für Mais umgebrochen wird», schildert er. In seinem Unverständnis hat er sich direkt ans Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) gewandt. Dort habe man gesagt, es sei nichts mehr zu machen und niemand habe diese Wirkung erwartet. «Jeder hätte das kommen sehen», ist sich Schafer aber sicher.
Es ist dem Freiburger ein Anliegen, auf seinen 45 ha Lebensmittel zu produzieren. «Aber die produzierende Landwirtschaft ist nicht gegen Blümchen», hält er fest. Selbst war er von Beginn an Mitglied bei IP-Suisse, weil möglichst wenig chemischer Pflanzenschutz und die Förderung der Biodiversität ihm wichtig erscheinen. Ausserdem habe er gesehen, dass angesichts der Direktzahlungen kaum ein Weg am Labelbetrieb vorbeiführte. «Die Nachbaren haben mich anfangs belächelt, jetzt sind sie auch dabei.»
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Kein Weidebeitrag möglich
Damit, wohin er sich von der aktuellen Agrarpolitik gedrängt fühlt, kann Gallus Schafer aber gar nichts anfangen. Das gilt nicht nur für den Ackerbau. So kommt der Weidebeitrag für den Wiesenmilchproduzenten mit 80 Milchkühen plus Jungvieh nicht infrage. «Wir haben zu wenig Flächen um den Stall, als dass wir die Vorgabe von 70 Prozent TS-Aufnahme via Weidefutter erfüllen könnten», sagt Schafer.
Da den 5000 Mastpoulets ein Auslauf zur Verfügung steht, erhalten Schafers die IP-Suisse-Prämie. Die Tiere werden aber mit 36 bis 40 Tagen geschlachtet, während die RAUS-Bestimmungen ein minimales Alter von 56 Tagen vorschreiben. «So alt würde die Micarna das Fleisch nicht mehr annehmen, wegen des Geschmacks», meint der Landwirt.
Für die Beiträge für Herbizidverzicht oder schonende Bodenbearbeitung will Schafer seine Flächen nicht anmelden – «Wenn man Weizen anbaut, baut man Weizen an, nicht Gjät.» Zwar sät der Freiburger den Mais grösstenteils als Streifenfrässaat, ob das angesichts des eingesetzten Glyphosats aber allzu ökologisch ist, frage er sich. Seiner Meinung nach ist der Pflug ein wertvolles Werkzeug, auf das er nicht verzichten will.
Betriebsspiegel
LN 45 ha
Ackerbau Auf 27 ha; Weizen, Gerste, Silomais
Tierbestand 80 Stück Rindvieh (Holstein- und Red-Holstein-Milchkühe), 70 Stück Jungvieh. Wiesenmilch geht an Cremo, Stalldurchschnitt bei 9500 kg. 5000 Mastpoulets
Weiteres Büschelibirne AOP (30 Aren), Direktvermarktung, Eventroom (Buurestuba)
Arbeitskräfte Margret und Gallus Schafer, Sohn Marco (50 Prozent), Praktikantin
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Lieber faire Preise
Die Direktzahlungen (DZ) ermöglichen, die Preis- und Einkommenspolitik zu trennen, und sollen Leistungen für die Gesellschaft abgelten. Gallus Schafer hätte lieber faire Produzentenpreise: «Fr. 1.–/l für Molkereimilch, Fr. 1.20/l für Käsereimilch und Fr. 90.–/dt für den Weizen, dann brauchen wir keine DZ», ist er überzeugt. Niemand wisse besser um die Verantwortung gegenüber künftigen Generationen als die Landwirte und daher hat Schafer keine Sorgen, dass ohne lenkende DZ mit Vollgas und zu wenig Rücksicht auf die Ökologie produziert würde.
Sein Hof wird in vierter Generation geführt, die fünfte ist zur Übernahme bereit. Schafers Stolz ist spürbar, wenn er durch die kleine Obst-Anlage führt oder die Tore zum modernen Stall mit Melkroboter öffnet. Ob er mit den neuen Beiträgen 2024 das DZ-Niveau wird halten können, hat Schafer noch nicht ausgerechnet. «Ich bin angesichts der Agrarpolitik froh, bald pensioniert zu werden», sagt er nicht ohne Frust. Trotzdem ist er motiviert und will weder seinen Betrieb auf den Kopf stellen noch den Bettel hinwerfen. «Ich mache weiter, bis fertig», hält Schafer fest.
«Langfristig positive Effekte», sagt das BLW
Vor dem Beschluss zur Pflicht von 3,5 Prozent Acker-BFF war davor gewarnt worden, es könnten kompensatorisch andere BFF umgewandelt werden. «Aus ökonomischen Gründen ist es in den meisten Fällen nicht angezeigt, eine extensiv genutzte Wiese mit QI-, QII- und Vernetzungsbeiträgen – also eine floristisch und faunistisch wertvolle Wiese – unterzupflügen», entgegnet das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) auf Anfrage. Man habe diese Möglichkeit aber nicht einschränken wollen, zumal bei der Nichteinhaltung von Verpflichtungsdauern auch Direktzahlungskürzungen drohen. «Unternehmerische Überlegungen der Betriebe stehen dem somit eigentlich entgegen.»
Teil der Absenkpfade
Die 3,5-Prozent-Vorschrift sei im Rahmen der Pa. Iv. 19.475 (Absenkpfade) beschlossen worden, obwohl damit auch das grosse Defizit an biodiversitätsfördernden Lebensräumen auf der Ackerfläche angegangen werde, erinnert das BLW. Mittlerweile hat das Parlament drei Motionen zur Aufhebung oder Verschiebung der Acker-BFF-Pflicht abgelehnt, drei weitere Vorstösse sind noch hängig.
Entscheid bestätigt
Von der Wirkung dieser Massnahme zeigt sich das BLW überzeugt. Kurzfristig gesehen sei der Effekt eines Umbruchs einer langjährigen, wertvollen Wiese zwar negativ für die Biodiversität und in jedem Fall schade. «Insgesamt gehen wir aber davon aus, dass die positiven Effekte der vermehrt angelegten Acker-BFF mittel- bis langfristig klar überwiegen.» Einen Grund, noch mal über die Bücher zu gehen, sieht man nicht: «Der Bundesrat hat über die Massnahme entschieden und das Parlament hat schon mehrmals diesen Entschied bestätigt. Die Verwaltung setzt die Entscheide um.»



