Das Gürbetal ist einer der Hotspots in Sachen Wasserbau. Als Reaktion auf wiederkehrende Überschwemmungen entstand das Projekt «Hochwasserschutz Unteres Gürbetal». Die erste Etappe rund um Mühlethurnen wurde bereits 2019 abgeschlossen, die zweite Etappe in Kaufdorf, Toffen und Belp ist nun ebenfalls beendet.
Die Projektkosten belaufen sich auf rund 15 Millionen Franken, wovon 70 Prozent durch Subventionen von Bund und Kanton gedeckt werden. Der restliche Betrag wird über Gemeindebeiträge finanziert.
Schutz und Ökologie verbinden
Als Kernelement des Projekts wurde das Gerinne verbreitert, um die Abflusskapazität zu erhöhen. Gleichzeitig baute man im Flusslauf neue Strukturierungselemente zur ökologischen Aufwertung.
«Heutzutage versucht man, Hochwasserschutz mit naturnahem Wasserbau zu verbinden», erklärt Heinrich Wildberger das Vorgehen. Er begleitete das Projekt als Präsident des Wasserbauverbands Untere Gürbe und Müsche (WGM).
Land als Überflutungsbecken
Zudem wurde ein Damm gebaut, welcher bei Hochwasser das Wasser auf die östliche Gürbeseite ableitet. So wird bei starken Abflüssen das angrenzende Landwirtschaftsland überflutet und dadurch das Wohn- und Gewerbegebiet geschützt.
Diese Flächen hätten aber schon vor der Revitalisierung regelmässig unter Wasser gestanden, gibt Wildberger zu bedenken. «Jetzt ist die Überflutung kontrolliert und Schäden an der Landwirtschaft werden entschädigt.» Diese Kompensationen, so erklärt er weiter, seien fair und richten sich nach der jeweiligen Kultur.
Kommt dieser Damm zum Einsatz, wird auch ein Teil der Fläche der Betriebsgemeinschaft von Ueli und Martin Oppliger aus Toffen überflutet. «Dieses Projekt ist ein notwendiges Übel», meint Ueli Oppliger. «Aber nach den vielen Hochwasserschäden musste man ja etwas machen.»
Trotzdem war er nicht mit allen Massnahmen einverstanden. So beispielsweise mit der Gestaltung des angehobenen Feldrands, der bei einer Überflutung die Wassermassen auf dem Grünland hält. «Laut Plan war das neue ‹Bort› so steil, dass ich nur noch mit der Sense oder dem Fadenmäher hätte mähen können», erklärt Oppliger. Jetzt ist es so gestaltet, dass er die Böschung mit dem Traktor befahren kann. «Doch dafür musste ich mich wehren», ergänzt er.
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Gemeinsam einen Weg finden
Dass bei einem solchen Projekt auch kritische Stimmen auftauchen, war auch Heinrich Wildberger bewusst. «Bei der Auflage des Projekts war die Begeisterung überschaubar», bemerkt er schmunzelnd. Die Anliegen der Landwirtschaft hätte man ernst genommen und versucht in die Planung zu integrieren. So sei die anfängliche Opposition einem gewissen Verständnis gewichen.
Auch Markus Kilchenmann, Landwirt und Vizepräsident der Flurgenossenschaft Toffen-Belp, bestätigt, dass das Einbringen der eigenen Interessen in einer frühen Phase wichtig sei. Man müsse sich aber bewusst sein, dass man mit einer Einsprache kein ganzes Projekt verhindern kann. «Bei solchen Massnahmen sind uns oftmals die Hände gebunden», meint er. Denn im Bereich des Wasserbaus habe die Öffentlichkeit und nicht die Landeigentümer das Sagen.
Die jetzige Umsetzung des Hochwasserschutzes sei nicht befriedigend, resümiert Kilchenmann. «Doch von allen Lösungen ist es wohl die beste.» Und auch der Präsident des WGM zeigt sich zufrieden: «Ich glaube, über alles gesehen konnten wir einen guten Weg finden.»
Neues Projekt gestartet
Ambitionierte Ziele im Kanton Bern
Von 2008 bis 2021 wurden im Kanton Bern 94 Revitalisierungsprojekte realisiert, teilte die Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern auf Anfrage mit. Knapp die Hälfte der abgeschlossenen Projekte liegt im Landwirtschaftsland.
Gemäss der strategischen Revitalisierungsplanung sollen bis 2035 weitere 100 Kilometer revitalisiert werden. Wie viel Kulturland dafür beansprucht werde, könne im Moment nicht genau beziffert werden.
Noch bevor das Hochwasserschutzprojekt beendet wurde, begann im letzten Herbst bereits ein weiteres Kapitel Wasserbau: Im Rahmen eines neuen Projekts werden der Oele-, der Amsler- und der Weierbodenbach offengelegt. Grund dafür sind Schäden an den Rohren, welche die drei Bäche bis anhin unterirdisch in die Gürbe leiteten.
Da die Gesetzgebung das Ersetzen von solchen Leitungen verbietet, hat man sich entschieden, die Gewässer an die Oberfläche zu holen. Dies schrieb die Gemeinde Belp in einer Mitteilung. Die drei Bäche fliessen in Zukunft in ein neu geschaffenes Gerinne, welches das Wasser dann oberflächlich in die Gürbe leitet.
Ein Bach durch die Weide
Dieser neue Bach quert auch die Weide der BG Oppliger. «Zuerst verstand ich nicht, warum dieser mitten durch die Parzellen fliessen muss", menint Ueli Oppliger. Doch die Bauverwaltung habe sich kooperativ gezeigt. So werden jetzt Übergänge gebaut, auf welchen die Kühe den elf Meter breiten Gewässerraum überwinden können. Für das verlorene Weideland erhält Oppliger Realersatz.
«Für die Flurgenossenschaft insgesamt ist dieses Projekt eine Entlastung», meint der Vizepräsident Markus Kilchenmann. Denn ohne finanzielle Beteiligung durch den Kanton und Bund hätten sie den Unterhalt der Bäche nicht stemmen können. Doch er ist sich bewusst: «Für die betroffenen Landwirte ist es aber ganz klar eine Belastung.»
