Abo Weltweit machen Wiederkäuer wie Ziegen oder Rinder grosse Flächen für den Menschen zur Nahrungsmittelproduktion nutzbar. Aber nicht alles mit Tieren genutzte Land ist nicht ackerbaufähig. Internationale Studie Tierische Produkte sind ungesund und umweltschädlich – falsch, sagt die Forschung Wednesday, 31. May 2023 Was die Nutzung landwirtschaftlicher Böden angeht, liegt in der Schweiz der Schwerpunkt klar bei der Tierhaltung. 70 Prozent der Landwirtschaftsflächen sind Wiesen und Weiden. Nicht umsonst ist oft die Rede vom «Grasland Schweiz». Da weltweit über ein Drittel der für die Viehwirtschaft eingesetzten Flächen ackerbaulich nutzbar sein sollen, stellt sich die Frage, ob die Schweiz ein Grasland sein muss. «Wenn wir eine landesweite Bodenkarte hätten, könnten wir diese Frage sehr gut beantworten», sagt Armin Keller, Leiter des Kompetenzzentrums Boden (Kobo). Wesentlich für die landwirtschaftliche Nutzungseignung sind drei Faktoren:

Klima: Bestimmt die Länge der Vegetationsperiode sowie die Temperatur- und Niederschlagsverteilung.

Bodeneigenschaften: Physikalisch, chemisch und biologisch, Gründigkeit und Schichtung.

Terrain: Zum Beispiel Hangneigung.

Aus diesen drei Faktoren lässt sich ableiten, welche Kulturen an einem Standort wachsen könnten und ob die Fläche befahrbar sowie maschinell zu bearbeiten ist.

Über die Hälfte Futter

«Die Grenze ist dabei fliessend», ergänzt Armin Keller. Mit einem grossen Maschineneinsatz und Dünger lassen sich bis zu einem gewissen Grad auch für Ackerbau eher ungeeignete Böden bewirtschaften, das zeige die Praxis, «aber vermutlich mit einem geringeren Ertrag und erhöhtem Risiko für Erosion und Verdichtung sowie einem erhöhten Zeit- und Kostenaufwand». Keller gibt zudem zu bedenken, dass von den rund 440 000 Hektaren Fruchtfolgeflächen derzeit in der Schweiz mehr als die Hälfte für den Futterbau genutzt werden.

«Die grosse Bedeutung des Futterbaus in der Schweiz hat insbesondere natürliche Ursachen», schreibt dazu die Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Futterbaus (AGFF). Sie nennt aber auch wirtschaftliche Gründe: In vergangenen Zeiten sei der Ackerbau auch in heutigen Futterbaugebieten gut konkurrenzfähig gewesen. Dies sei heute aber nur noch ausnahmsweise der Fall, was zu einer Zunahme des Flächenanteils des Graslands geführt hat. «Weitere, nicht zu unterschätzende Gründe sind die Vorlieben der Betriebsleiterfamilien und die Tradition für die Viehwirtschaft sowie fruchtfolgetechnische Vorteile beim Anlegen von Kunstwiesen.»

«Die Karte zur Bodeneignung ist viel zu ungenau.»

Armin Keller, Kobo, über das vorhandene Kartenmaterial aus den 1970ern.

Neue Daten sollen folgen

Der Bundesrat hat kürzlich das Konzept für die schweizweite Bodenkartierung verabschiedet, von der man sich unter anderem einen nachhaltigeren Umgang mit wertvollen Flächen verspricht. Nun werden die dazu nötigen Methoden erarbeitet. Eine Aktualisierung der bestehenden Daten tut not, wie Armin Keller erläutert: «Neben einigen wenigen Kantonen, die über Bodenkarten verfügen, gibt es bisher landesweit nur die Bodeneignungskarte im Massstab 1:200 000 aus den 1970er-Jahren. Diese ist räumlich viel zu ungenau und basiert in vielen Regionen der Schweiz nur auf sehr wenigen erhobenen Bodendaten.» Wie viel von den rund 600 000 Hektaren Graslandfläche (von rund einer Million ha LN) sich auch ackerbaulich nutzen liessen, könne man ohne eine landesweite Bodenkartierung nach dem heutigen Stand der Technik nicht sagen, fasst Keller zusammen.

Die umgekehrte Frage danach, welche Fläche sicher nicht für den Ackerbau infrage käme, lässt sich ebenso schwer genau beantworten. Die AGFF hält fest, dass Wiesen und Weiden an Standorten mit hohen Niederschlagsmengen und relativ viel Sommerregen gedeihen. Die kürzere Vegetationszeit in höheren Lagen begrenzt zwar den Ertrag, macht den Futterbau aber nicht unmöglich. Ebenso sind kleinräumige Unterschiede in Bodeneigenschaften, Exposition und Hangneigung nur ein mässiges Hindernis. Alles Bedingungen, die den Ackerbau erschweren oder gar verunmöglichen können. Der SBV geht davon aus, dass die Hälfte der LN in der Schweiz ausschliesslich als Dauerwiesen oder Weiden nutzbar sind.

Einst war die Hälfte Ackerland

Dossier Serie Anbau von Körnerleguminosen Monday, 18. July 2022 Wie von der AGFF angesprochen, war der Ackerbau in früheren Zeiten weiter verbreitet. Das «Historische Lexikon der Schweiz» (HLS) liefert Zahlen dazu: Mitte des 19. Jahrhunderts waren mit über 500 000 ha noch rund die Hälfte der LN Äcker, vor dem Ersten Weltkrieg schrumpfte diese Fläche auf 200 000 ha. Die Milchwirtschaft ersetzte den Getreidebau als zentralen Produktionszweig, denn die Getreidepreise sanken weltweit, und die Schweiz wurde zum starken Milchexporteur. Getreide wurde zwar noch von vielen Bauern angebaut, doch vorwiegend für den Eigenbedarf oder zu Futterzwecken. Die aktuelle Arealstatistik beziffert den Anteil Ackerland an der gesamten Landwirtschaftsfläche auf 27 Prozent (Stand 2018). Die Äcker hatten sich laut HLS unter dem Druck der Milchkontingentierung wieder etwas ausgebreitet.

Produktion muss Sinn machen

Dass wirtschaftliche Aspekte zu einem guten Teil bestimmen, was auf dem Acker wächst oder ob auf einer Fläche Kühe weiden, ist bekannt. Es muss in markttechnischer und gesellschaftlicher Hinsicht Sinn machen, was in der Landwirtschaft produziert wird. Daher bleibt abzuwarten, was die unterschiedlichen Bemühungen vonseiten Bund (Direktzahlungen, künftige Agrarpolitik) und Abnehmer (z. B. Fenaco) in Sachen Anbau von Körnerleguminosen für die menschliche Ernährung verändern werden.


Tiere für den Fleischkonsum und gegen Food Waste

Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) empfiehlt pro Tag eine Portion  Fleisch, Geflügel, Fisch, Eier, Tofu, Quorn, Seitan, Käse oder Quark, wobei zwischen den verschiedenen Proteinquellen abgewechselt werden sollte. Bei rund 365 Tagen pro Jahr ergibt das maximal 43,8 kg pro Kopf, allerdings sind hier Eier, pflanzliche Proteinquellen und Milchprodukte eingerechnet. Laut Proviande isst der Durchschnittsschweizer aber jährlich rund 51 kg Fleisch, was einem knappen Kilo pro Woche entspricht und damit dreifach über den SGE-Empfehlungen von maximal 360 g Fleisch pro Woche (3 Portionen è 100-120 g) liegt. Je nach Produkt variiert der Inlandanteil am Fleischkonsum in der Schweiz: 2021 lag er für Kalb bei rund 97 Prozent, beim Schwein bei 94 Prozent, 80 Prozent beim Rind, 67 Prozent bei Geflügel und 41 Prozent beim Schaffleisch.

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Ein Grossteil wird verwertet
Im internationalen Vergleich wird hierzulande eher viel Fleisch konsumiert (siehe Grafik), und auch der Food Waste ist mit 330 kg pro Kopf und Jahr hoch. Als besonders belastend für die Umwelt gelten dabei verschwendetes Fleisch, Butter, Käse, Eier und Öle. Nach Angaben des Bundesamts für Umwelt landen rund 23 Prozent der vermeidbaren Lebensmittelverluste hierzulande in Verbrennung oder Abwasser. Somit wird der Grossteil entweder auf dem Feld, in einer Anlage oder im Garten kompostiert, zu Biogas vergärt oder verfüttert. Anteilsmässig an der produzierten Menge gehen am meisten Brot und Backwaren, Fisch, Gemüse und Kartoffeln verloren.

Futter statt Abfall
Als wichtigste Food-Waste-Verwerter nennt der Schweizer Bauernverband Schweine, die zum Beispiel Molke fressen. Allerdings ist es aus Hygienegründen hierzulande verboten, Schlachtabfälle oder Reste aus der Gastronomie zu verfüttern, Gleiches gilt bisher für Tiermehl. 2022 ging aber der Auftrag an den Bundesrat, rasch die nötigen rechtlichen Grundlagen für die Verfütterung von Tiermehl an alles-fressende Nutztiere zu schaffen

Tiermehl wieder im Gespräch
Die Verfütterung von Tiermehl an Geflügel und Schweine ist mit politischen Vorstössen und dem Ende des EU-Verbots allerdings wieder mehr zum Thema geworden. Vergangenes Jahr ging der Auftrag an den Bundesrat, unter Einbezug der Wertschöpfungskette und der Konsumenten rasch die nötigen rechtlichen Grundlagen für die Verfütterung von tierischem Eiweiss aus Schlachtnebenprodukten an allesfressende Nutztiere zu schaffen. Damit würde die Kreislaufwirtschaft gestärkt und inländisches Protein besser genutzt.