Ob tierische Lebensmittel «Freund oder Feind» sind, hängt von den Bedürfnissen der Konsumierenden und den lokalen Produktionsbedingungen ab. So lautet das Fazit einer Übersichtsstudie, an der Forschende aus der Schweiz und Amerika sowie der Global Alliance for Improved Nutrition (Gain) beteiligt waren. Gain setzt sich gegen Mangelernährung in ärmeren Ländern ein. Gerade dort ist demnach der Wert von Fleisch und Co. für die Ernährung nicht zu unterschätzen.

Hoher Nährwert

Wie die Studienautoren festhalten, haben Fleisch, Fisch und andere Wassertiere sowie Milchprodukte einen hohen Gehalt an biologisch leicht verfügbaren Nährstoffen. Eisen, Zink, Kalzium, Vitamine B12 und D, Cholin, Omega-3-Fettsäuren und essenzielle Aminosäuren machen sie besonders wertvoll für Bevölkerungsgruppen mit Mangelernährung, etwa in Afrika oder Südasien. «Diese Menschen würden von einem erhöhten Verzehr tierischer Produkte profitieren», heisst es in der Studie. Dasselbe gelte auch für schwangere und stillende Frauen, Kinder und Jugendliche sowie ältere Personen, da sie alle einen erhöhten Nährstoffbedarf hätten.

Zu viel schadet der Gesundheit

Nur gesund ist der Verzehr von tierischen Lebensmitteln dann aber doch nicht, zumindest nicht im Übermass. Verarbeitetes und rotes Fleisch sowie gesättigte Fette (insbesondere in rotem Fleisch und Milchprodukten) belasten bei zu grossen Mengen die Gesundheit, wobei haltbarer gemachte Produkte (etwa durch Salzen, Pökeln, Fermentieren oder Räuchern) besonders problematisch seien. «Je mehr ein Mensch davon im Durchschnitt verzehrt, desto höher ist sein Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Krankheit, Krebs oder Diabetes zu erkranken», so die Forschenden.

Insgesamt hätten tierische und pflanzliche Lebensmittel komplementäre Nährstoffprofile. Eine ausgewogene Ernährung mit beidem verringere das Risiko eines Nährstoffmangels.


Sind Pflanzen sinnvolle Alternativen?

Die Forschenden haben sich auch mit dem gesundheitlichen Wert von pflanzlichen Alternativen zu tierischen Produkten beschäftigt. Das Fazit ist gemischt. So können einige Produkte (v. a. aus Soja) ähnlich hohe Protein-gehalte aufweisen, und Pilze liefern verschiedene Mineralstoffe sowie Vitamine. Anderes wie Haferdrink unterscheidet sich hingegen stark von Kuhmilch, was den Nährwert angeht.

Nährstoffgehalt wichtig
In reicheren Ländern, wo genügend andere Proteinquellen verfügbar sind und die Ernährung vielseitig ist, könne das weniger relevant sein. Anders sieht es in ärmeren Weltgegenden aus. «Da zwei Drittel der Weltbevölkerung laktoseintolerant sind, sind Pflanzendrinks ein wichtiger Ersatz für Kuhmilch», heisst es in der Studie. Ihr Nährstoffgehalt und ihre Gesundheitseffekte müssten aber beurteilt werden.
Zur Umweltwirkung von falschem Fleisch zitiert die Studie Untersuchungen von Beyond Meat und Impossible Foods, nach denen die Effekte unter jenen von konventionell produziertem Rindfleisch und auf ähnlichem Niveau wie konventionelles Schweine- oder Geflügelfleisch liegen.

Ein möglicher Gewinn
Agroökologisch und im Einklang mit kulturellen Traditionen produziert, könnten alternative Proteine ein Gewinn sein für Mensch und Umwelt. Risiken sieht man in Marktungleich-gewichten durch Konzerne, die Monokulturen und einen hohen Verarbeitungsgrad begünstigen.

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Abhängig vom Management

Abo Das Mittelland zeigt von oben ein Mosaik mit Ackerbau und Weideland. Wie bewirtschaftet wird, hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab. Flächennutzung Ist die Schweiz eigentlich zum «Grasland» bestimmt? Wednesday, 31. May 2023 Fast noch mehr als die gesundheitlichen Folgen des Fleisch- und Milchkonsums wird deren Umweltwirkung diskutiert. Wie diese ausfällt, hängt stark vom Management ab, und man fand in den näher untersuchten Bereichen durchwegs sowohl positive als auch negative Effekte auf die Umwelt:

Landnutzung: Wiederkäuer machen weltweit 1,38 Milliarden Hektaren Land für die Nahrungsmittelproduktion nutzbar. Im Gegensatz zu diesen Flächen wären aber 35 Prozent (0,7 Milliarden Hektaren) des Grünlands, das heute der Viehzucht dient, ackerbaufähig. Sie umzuwandeln, sei allerdings «potenziell» mit einem Verlust in Sachen Kohlenstoffspeicherung, Erosionsschutz oder Biodiversität verbunden. Von den bestehenden Ackerflächen werden 40 Prozent für den Futterbau genutzt. Sie direkt für die menschliche Ernährung zu nutzen, wäre nicht mit solchen Umwandlungsrisiken verbunden.

Boden: Tierischer Dünger versorgt Pflanzen mit Nährstoffen und kann die organische Substanz im Boden erhöhen. Ein zu grosser Eintrag von Mist und Gülle führt aber zu Nährstoff-verlusten.

Klimawandel: Angepasste Beweidung und Düngung kann zusätzlichen Kohlenstoff im Boden binden. Effizientere Tiere und deren bessere Integration ins Pflanzensystem reduzieren Treibhausgasemissionen (vor allem Methan). Auf der anderen Seite sind die Nutztierhaltung und die Futtermittelproduktion bekannte Quellen für Treibhausgase wie Methan undLachgas.

Wasser: Lokal angepasste Tierhaltung begünstigt die Versickerung, Wasserqualität und -menge. Bewässerte Systeme brauchen aber viel Wasser, und die intensive Viehhaltung stellt für Süsswasserquellen wegen Verschmutzungsrisiken eine Gefahr dar.

Biodiversität: Angepasstes Weidemanagement erhält die hoch arten-reichen Ökosysteme, die durch die lange Geschichte der Viehwirtschaft in Europa entstanden sind. Gleich-zeitig gefährden Überdüngung und Schadstoffe aus der Nutztierhaltung die Biodiversität.

Gute Wechselwirkungen stärken

Bei der Nutztierhaltung gibt es also genauso wenig ein Schwarz oder Weiss wie beim Konsum tierischer Produkte – es kommt auf den Zusammenhang an. Um positive Wirkungen zu ver-stärken, sehen die Forschenden eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft als zielführend an. Wobei die lokalen Ernährungs- und Umweltbedingungen zu berücksichtigen und die betroffenen Interessensgruppen einzubeziehen seien. Damit liessen sich die positiven Wechselwirkungen zwischen Tierhaltung und Umwelt verstärken, so die Hoffnung. «Die grossräumige, spezialisierte Pflanzen- und die Tierproduktion müssen über den Handel von Hofdüngern und Futtermitteln miteinander verknüpftwerden».

Konkret könnte dies einen höheren Anteil an Gras und Reststoffen aus der Nahrungsmittelproduktion im Wiederkäuerfutter bedeuten und die vermehrte Nutzung von Hofdünger für Düngung und Energiegewinnung. Laut Ökostrom Schweiz ist Letzteres beispielsweise erst für knapp 5 Prozent des hiesigen Hofdüngers der Fall. «Es braucht Anstrengungen dafür, die gute Praxis in der Produktion sicherzustellen, übermässigen Konsum tierischer Produkte zu reduzieren und diesen nachhaltig zu erhöhen, wo er bisher tief ist», schliesst die Studie.

Mehr über die Studie «Friend or Foe? The Role of Animal-Source Foods in Healthy and Environmentally Sustainable Diets» erfahren Sie hier.


Möglichkeiten, Tiere in Kreisläufe einzubinden

Geschlossene Kreisläufe gelten als Patentrezept dafür, die positiven Wirkungen der landwirtschaftlichen Tierhaltung zu verstärken und die negativen abzuschwächen. Dazu gibt es mehrere Ansatzpunkte.

Ungeniessbares verfüttern
20 Prozent der Biomasse, die weltweit jährlich geerntet wird, landen gemäss der Übersichtsstudie im Trog. Mit der Verfütterung von Nebenprodukten oder Ungeniessbarem spielen Tiere eine wertvolle Rolle.

80 Prozent des Düngerbedarfs
Neben Lebensmitteln liefern Tiere auch Dünger, der aus globaler Perspektive heute deutlich unternutzt wird: Hofdünger könnten über 80 Prozent des Stickstoff- und Phosphorbedarfs landwirtschaftlicher Kulturen decken – aktuell liegt der Wert bei ungefähr 12 Prozent. Als Gründe sieht man die Spezialisierung und Mechanisierung der Produktion, die politischen Rahmenbedingungen (Fördergelder), Bewirtschaftungszwänge und Variabilität im Nährstoffgehalt des Düngers.

Das ganze Tier verwerten und Energie nutzen
Verbesserungspotenzial gibt es bei der vollständigen Nutzung von Tieren, vom Verzehr der nährstoffreichen Organe bis zur Energiegewinnung aus Hofdünger. Wie mit Abfällen umgegangen werden kann, zeigt Japan. Das Forschungsteam nennt Zahlen von 2017, als 80 Prozent der betrieblichen Lebensmittelabfälle und 57 Prozent dessen, was in der Lebensmittelherstellung und dem Grosshandel anfiel, zu Tierfutter oder Dünger rezykliert worden seien. Möglich gemacht hätten es unter anderem ein Zertifizierungssystem und eine obligatorische Wärmebehandlung zur Vermeidung von Krankheitsrisiken.

Auch mit grossen, spezialisierten Produktionssystemen ist laut den Autoren mehr Zirkularität möglich, nämlich über den Handel von Futter und Hofdünger auf Ebene Landschaft bzw. in der Wertschöpfungskette

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