«Meine Kühe und mein Alpkäse sollen einen so negativen Einfluss auf das Klima haben?», fragte ein Urner Älpler während des Kurses «Effiziente Milchviehhaltung – gut fürs Klima und fürs Portemonnaie» etwas ungläubig. Veranstaltet wurde der Anlass im Rahmen von «Klimafitte Landwirtschaft», einem gemeinsamen Projekt der Kantone Uri, Schwyz und Zug. Dass die Kühe an den Pranger gestellt werden, während auf dem Urner Talboden jährlich Millionen von Autos über die Autobahnen dröhnen, sorgte unter den Kursteilnehmern für Unverständnis.

Grosser Fussabdruck der Urproduktion

Rund 25 Personen fanden den Weg ans BWZ Uri in Seedorf. Eine grosse Zahl von Daten und Grafiken wurden an diesem Abend von den Referenten und der Referentin präsentiert. 14 Prozent der Treibhausgase der Schweiz gingen auf das Konto der Landwirtschaft, dabei stehen vor allem der Wiederkäuer und damit auch die Kuh in der Kritik. «Schokoladenproduzenten weisen uns immer wieder auf den grossen Einfluss der Milch auf die Gesamt-Emissionen in ihrer Waren hin», erklärte Peter Meier von Emmi Schweiz. Daten zeigten, dass bei Produkten wie Caffè Latte 75 Prozent des CO₂-Fussabdrucks aus der Urproduktion kämen.

Inkorrekten Daten frustrieren

Die Datenlage betreffs Klimawirkung der Landwirtschaft und der Kuh führte zu engagierten Diskussionen. «In den aktuell verwendeten Berechnungsmodellen wird die Kurzlebigkeit von Methan zu wenig berücksichtigt. Würde dem Rechnung getragen, sähe die Bilanz der Milch bedeutend besser aus», votierte Schulleiter und Viehzüchter Adrian Arnold. Die Kuh sei Teil eines ökologischen Kreislaufes. Die in den Medien oft zitierten und inkorrekten Daten würden in der Landwirtschaft nur zu einer grossen Frustration und damit zu einer negativen Einstellung gegenüber möglichen Klimamassnahmen führen.

Die Kommunikation muss verbessert werden

Die Kommunikation müsse verbessert werden, als gutes Beispiel nannte Adrian Arnold die Emmi-CEO Ricarda Demarmels (Kasten). Dass die Datenlage in der Schweiz betreffs Umwelteinfluss der Milchviehhaltung teilweise dürftig sei, betonte auch Peter Meier. Er wies darauf hin, dass teils Betriebe, die beim Ressourcenprojekt KlimaStar Milch mitmachten, einen Wert von 900 Gramm CO₂-Äquivalenten pro Kilo Milch aufwiesen, wohingegen man in der Schweiz bisher immer von 1,4 Kilogramm ausging. «Darum müssen wir möglichst schnell mehr Daten von Schweizer Milchviehbetrieben erhalten», so Peter Meier und wies auf den Klimarechner der BOM hin. 

Nicht über Direktzahlungen

Dieses Votum unterstützte mit Sabrina Schlegel auch eine weitere Referentin. Mit dem von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) entwickelten Klimarechner BOM erhielten Milchbetriebe ein effektives Werkzeug zur Erfassung und Optimierung ihrer Treibhausgasemissionen, so die Mittelland-Milch-Präsidentin. Zudem ergebe sich dadurch eine wichtige Datengrundlage zu den Treibhausgas-Emissionen der Schweizer Milch. «Es ist entscheidend, dass die zukünftigen Klimamassnahmen der Milchbranche so überzeugend sind, dass der Bund nicht einschreitet», so Sabrina Schlegel weiter. Die Massnahmen müssten unbedingt auf freiwilliger Basis sein und dürften auf keinen Fall über das Direktzahlungssystem laufen: «Das Agrarbudget ist limitiert, für eine allfällige Entschädigung für Klimaanstrengung über Direktzahlungen müssten Mittel aus anderen Programmen gekürzt werden.» Es sei klar, dass die Milchbauern bei Klimamassnahmen nur dann mitmachen würden, wenn ihr Mehraufwand über den Milchpreis abgegolten werde, so Sabrina Schlegel weiter. Sie sieht zukünftigen Abgeltungen über dem Milchpreis positiv entgegen. Da alle Unternehmen in der Schweiz bis ins Jahr 2050 Netto Null Emissionen aufweisen müssen, seien Milchunternehmen darauf angewiesen, dass die Milchproduzenten mitmachen. 

Optimierte Fütterung mit gutem Grundfutter

Auf mögliche Massnahmen für die Reduktion von Treibhausgasemissionen ging Markus Rombach von der Agridea ein. «Mit der Umsetzung von bewährten Massnahmen aus der guten landwirtschaftlichen Praxis, wie eine optimierte Fütterung und ein gutes Grundfuttermanagement, kann schon viel erreicht werden», so Rombach. Weitere Ansätze könnten Kraftfutterkomponenten aus Nebenprodukten, leichtere und effizientere Kühe, reduzierter Rohproteineinsatz, tieferes Erstkalbealter, längere Nutzungsdauer und der Futtermittelzusatzstoff Bovaer sein. Viele dieser Massnahmen würden nicht nur die Emissionen reduzieren, sondern auch die Wirtschaftlichkeit verbessern.

Rindviehbestände halten

Markus Rombach widersprach der verbreiteten Meinung der zu hohen Zahl an Rindern in der Schweiz: «Die Forderung, einfach die Anzahl Kühe zu reduzieren, um Klimaverbesserungen zu erreichen, ist zu kurz gedacht.» Der Ackerbau sei nur auf einer kleinen Fläche in der Schweiz möglich. Eine Studie habe gezeigt, dass für eine nachhaltige Lebensmittelversorgung die Rindviehbestände in der Schweiz auf einem ähnlichen Niveau gehalten werden sollten, um das gewachsene Gras und die Nebenprodukte zu verwerten. «Der grösste Teil der Schweizer Flächen ist nur dank des Wiederkäuers für die Lebensmittelproduktion nutzbar», so der Fachmann abschliessend.

Emmi Chefin klärt auf
Als eine wertvolle Fürsprecherin der Schweizer Milchwirtschaft und eine Kritikerin der aktuellen Berechnungsmodelle der Klimawirkung der Milch gilt Emmi CEO Ricarda Demarmels. So betonte sich kürzlich in der SRF-Sendung ECO Talk die entscheidende Bedeutung der Kuh für die Ernährung. «80 Prozent der Flächen in der Schweiz wären ohne Kühe nicht nutzbar», betonte Demarmels. Die Kuh sei in Grasland-Systemen Teil eines ökologischen Kreislaufes. Das von Rindern ausgestossene Methan zersetze sich innerhalb von zehn bis zwölf Jahren in Kohlenstoff und Wasser, die über die Pflanzen wie Gräser mittels Photosynthese wieder gebunden werden. Dem Unterschied zwischen solchen biogenen Emissionen und fossilen Emissionen wie beispielsweise aus Verbrennungsmotoren werde zu wenig Rechnung getragen werde. Ricarda Demarmels betonte zudem, dass aktuelle Berechnungsmodelle die Kurzlebigkeit von Methan zu wenig berücksichtigten. Denn würde dies gemacht, wäre der Impact der Milch auf das Klima sechsmal kleiner als mit den aktuellen Berechnungsmethoden. [IMG 2]