Gestern Donnerstag war Tag der Pausenmilch. Die Aktion findet laut Swissmilk in rund 2350 Kitas, Horten, Kindergärten und Schulen statt. Doch das Ausschenken von gratis Milch an Kinder kommt immer mehr unter Beschuss. Einen Tag zuvor verschickten die Tierrechtsorganisationen Animal Rights Switzerland, Tier im Fokus sowie die Vegane Gesellschaft Schweiz eine gemeinsame Mitteilung. Wie immer kommunizieren diese Organisationen nicht gerade zurückhaltend.
«Nichts für Kinderaugen»
«Was mit Kühen und Kälbern in der Milchindustrie gemacht wird, ist nichts für Kinderaugen», heisst es da etwa. Die düstere Realität der Milchindustrie sei kein Stoff für die erste Klasse. Besonders deshalb stören sich die Organisationen am Tag der Pausenmilch. Sie fordern Schulleitungen dazu auf, die Aktion zu boykottieren. 2019 machte eine Schule in Wallisellen Schlagzeilen, weil sie genau dies tat.
Bern verbannt Lovely von Znüniboxen
Swissmilk-Aktionen an Schulen wurden in der Hauptstadt gar politisch. Seit 2008 bekamen Stadtberner Kinder zum Kindergartenstart eine Znünibox von der Stadt geschenkt, zusammen mit einer Broschüre mit Ideen für ein gesundes Zmorge und Znüni. Auf der Box zu sehen waren Werbekuh Lovely und zwei Kinder. 2020 reichte Stadträtin Eva Gammenthaler (Alternative Linke Bern) eine Motion mit dem Titel «Kein Sponsoring von Swissmilk an Berner Schulen» ein. Nun hat der Gesundheitsdienst der Stadt Bern die Zusammenarbeit mit Swissmilk auf das Schuljahr 2021 /2022 beendet. Er verteilt den Schüler(innen) nun eine eigene, neutrale Znünibox.
Kleiner Anteil in der Bevölkerung
Trotz der lauten Angriffeauf Milch und Milchprodukte darf man nicht vergessen, dass die Zahl der Veganer(innen) und Vegetarier(innen) in der Schweiz immer noch gering ist. Sie habe sich allerdings hierzulande und in Liechtenstein innert Jahresfrist verdoppelt, wie Swissveg am Montag aufgrund der Mach-Konsumentenstudie mitteilte. Ernährten sich 2020 noch 0,3 Prozent der Bevölkerung vegan, sind es 2021 0,6 Prozent. Der Anteil derer, die auf Fleisch verzichten, erhöhte sich von 3,4 auf 4,1 Prozent. Vegetarier(innen) und Veganer(innen) finden sich besonders unter jüngeren Menschen und Hochschulabsolventen. Bei Frauen sind die beiden Ernährungsformen deutlich verbreiteter als bei Männern.
Beschwerde bei Lauterkeitskommission
Lovely und das Basismarketing von Swissmilk kommen aber nicht nur von dieser Seite unter Druck. Pro Natura stösst die jüngste Plakatkampagne mit «Lovely fördert und liebt die Biodiversität» sauer auf.
Der Umweltverband reichte bei der Lauterkeitskommission Beschwerde wegen irreführender Werbung ein.
Pro Natura wittert politisches Motiv
«In Wirklichkeit schädigt die heute in der Schweiz praktizierte intensive Milchproduktion eindeutig die Biodiversität»,wird Marcel Liner, Landwirtschaftsexperte von Pro Natura, in der Mitteilung zitiert.Er wittert gar eine politische Motivation hinter den Aussagen: «Herr und Frau Schweizer werden irreführt, vermutlich auch mit Blick auf die kommenden politischen Diskussionen um die Massentierhaltungs-Initiative und die Biodiversitäts-Initiative.»
Selbst Stimmung machen
Man könnte nun etwas böse vermuten, dass Pro Naturamit der medienwirksam eingereichten Beschwerde selbst schon etwas Stimmung machen möchte. Gerade nachdem die Umweltorganisationen bei den beiden Pflanzenschutz-Initiativen trotz hart geführtem Abstimmungskampf und der scharfen «Agrarlobby stoppen»-Kampagne an der Urne unterlegen waren. Diese spielte arg auf den Mann, besonders auf Bauernpräsident Markus Ritter.
Kurzfristig versöhnliche Töne
Kürzlich schlug Marcel Liner bei einer Podiumsdiskussion noch versöhnliche Töne in Richtung Bauernverbände an: «Es müsste doch möglich sein, miteinander zu arbeiten.» Er betonte, dass Pro Natura nicht einzelne Bauern, sondern den Sektor kritisiere und sich die Kampagne gegen die Agrarlobby und nicht die Bäuerinnen und Bauern gerichtet habe.
Mit Angriffen wie der Beschwerde bei der Lauterkeitskommission dürfte die Zusammenarbeit mit genau dieser Lobby aber bestimmt nicht harmonischer oder einfacher werden.
Milchkonsum seit Jahren rückläufig
Zurück zum Milchmarketing: Leichter dürfte dieses für Swissmilk in Zukunft nicht werden und der Milchkonsum ist seit Jahren rückläufig, auch wenn einheimische Milchprodukte im ersten Pandemiejahr beliebt waren. Trotzdem muss man ums Milchland Schweiz nicht fürchten. Grasende Kühe gehören zu unserem Landschaftsbild und werden nicht so schnell vertrieben werden.