Ein ausgetrockneter Fluss Töss im April 2023, der verheerende Sturm in La Chaux-de-Fonds im Juli desselben Jahres oder der Erdrutsch in Schwanden Ende August 2023: Wetterextreme als Folge des Klimawandels treten in der Schweiz immer häufiger auf und haben direkte und indirekte Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion. Neue Schädlinge und Krankheiten, die sich infolge des Klimawandels etablieren, stellen die Landwirtschaft vor zusätzliche Herausforderungen.
Agroco2ncept machte den Anfang
Längst ist die Klimadiskussion zum Politikum geworden. Auf nationaler Ebene gibt es seit 2011 die Klimastrategie des Bundes und mittlerweile hat praktisch jeder Kanton eine Klimastrategie oder zumindest die politischen Prozesse dafür aufgegleist. Doch die Landwirtschaft ist keinesfalls untätig geblieben. Nach dem Vorbild von Agroco2ncept sind seit 2012 weitere Klimaprojekte in der Schweiz entstanden, bei denen auch Handel, Verarbeitung und Konsum miteinbezogen werden. Nachfolgend werden drei solcher Projekte vorgestellt, wobei die Liste nicht abschliessend ist.
Beispiel 1: Graubünden ist mitten drin
In Graubünden startete 2021 das Projekt «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden». Die Vision: Graubünden soll der erste Kanton der Schweiz sein, in dem die Konsumenten beim Kauf von Bündner Lebensmitteln die Gewissheit haben, dass diese klimaneutral produziert worden sind. Die Laufzeit beträgt zehn Jahre.
50 ausgewählte Betriebe machen bei der Pilotphase (2021 bis 2025) mit. Sie testen Massnahmen zur Reduktion der Treibhausgase in den Bereichen Tierhaltung, Pflanzenbau und Energie. Fachlichen Support erhalten die Betriebe durch die «Fachgruppe Klima», bestehend aus Experten von Hochschulen, Forschungsinstitutionen und weiteren Organisationen. «Längst nicht alle Projekte werden Erfolg haben», schreiben die Projektverantwortlichen.
Die Expansionsphase dauert von 2026 bis 2030. In dieser Etappe sollen nur Massnahmen, die sich in der Pilotphase bewährt haben, auf die Bündner Landwirtschaft ausgedehnt und im bäuerlichen Alltag verankert werden. Klimaschutz und Ressourceneffizienz sollen mittel- und langfristig über die ganze Wertschöpfungskette Graubündens erfolgen, mit Einbezug von Verarbeitung, Handel und Tourismus.
Klima prägt die Politik
Jüngst hat das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) eine neue Klimastrategie für die Landwirtschaft und die Ernährung (KSLE) lanciert. Die KSLE betrifft die Landwirtschaft, den Handel und die Konsumenten. Auf ihrer Grundlage sollen das Ernährungssystem nachhaltiger und die Ernährungssicherheit gestärkt werden. Folgende Oberziele wurden definiert:
- Die Landwirtschaft soll bis 2050 Klima- und standortangepasst produzieren und einen Selbstversorgungsgrad von mindestens 50 % erreichen. Auch bei wachsender Bevölkerung.
- Die Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft im Inland sollen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent reduziert werden. Die restlichen Emissionen werden so weit wie möglich ausgeglichen.
- Die Bevölkerung soll sich gesund und ausgewogen ernähren. So soll sich laut der KSLE der Treibhausgas-Fussabdruck der Ernährung gegenüber 2020 um zwei Drittel verringern.
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Beispiel 2: Klimakompass im Aargau
Im Jahr 2020 schuf die Aargauer Regierung einen Entwicklungsschwerpunkt «Klimaschutz und Klimaanpassung». Mit dem «Klimakompass» wurden sieben Handlungsfelder definiert. Das Handlungsfeld Landwirtschaft fokussiert auf den Erhalt der Fruchtfolgeflächen und eine nachhaltige Bewirtschaftung der Böden. Klimagase der Landwirtschaft aus Tierhaltung und Düngung sowie des Fuhrparks sollen reduziert werden.
Die Abteilung Landwirtschaft Aargau sieht verschiedene Möglichkeiten, wie die Branche zur Energiewende sowie zum Klimaschutz und zur Klimaadaption beitragen kann:
1. Beim Klimaschutz stehen die landwirtschaftlichen Böden als Kohlenstoffspeicher, der Erhalt von Fruchtfolgeflächen, die Elektrifizierung, die Produktion von erneuerbaren Energien oder Methanreduktion in der Nutztierhaltung im Vordergrund.
2. Bei der Klimaanpassung sind es die Wasserspeicherfähigkeit von Böden, Bewässerung oder Hitzemassnahmen in der Tierhaltung.
Ein mögliches Projekt ist die Produktion und der Einsatz von Pflanzenkohle mit positiven Effekten als Kohlenstoffspeicher und auf den Wasserhaushalt der Böden.
Lob und Kritik an der neuen Klimastrategie
Die Reaktionen zur Klimastrategie Landwirtschaft und Ernährung 2050 waren unterschiedlich. Die Agrarallianz bezeichnete die Klimastrategie als richtungsweisend. Sie schaffe einen verlässlichen und sinnvollen Rahmen für die Akteure der Land- und Ernährungswirtschaft. Vom Schweizer Bauernverband (SBV) gab es sowohl Lob als auch Kritik. Positiv wertete der SBV, dass die Anpassung an den Klimawandel thematisiert wurde. Problematisch seien die Bemühungen, die tierische Produktion einzuschränken und den Konsum zu lenken.
Beispiel 3: Bern startet 2024
Das «Umwelt-, Ernährungs- und Klimaprojekt» des Kantons Bern befindet sich in der Konzeptphase. Es handelt sich um ein Gemeinschaftsprojekt des Amts für Landwirtschaft und Natur, des Berner Bauernverbands und verschiedener Partner. «Die Klimabilanz in der Landwirtschaft soll verbessert werden. Wichtige Pfeiler dazu sind die Reduktion von Treibhausgasemissionen, die Speicherung von Treibhausgasen, aber auch die Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel», sagt Lars Hulliger von der Medienstelle der Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektion des Kantons Bern. Das Konzept soll in diesem Frühjahr fertiggestellt werden. Dann entscheidet die Trägerschaft über das weitere Vorgehen für das partizipative Umwelt-, Ernährungs- und Klimaprojekt.

