Auf den ersten Blick scheint die Ausgangslage etwas heikel. Gleich zweimal pochte die Landwirtschaft in diesem Jahr auf die Bedeutung des Erhalts der landwirtschaftlichen Nutzfläche – erst bei der Ablehnung der 3,5 Prozent Biodiversitäts-Förderflächen im Parlament, dann bei der Abstimmung über die Biodiversitäts-Initiative an der Urne. Nun beschloss die Landwirtschaftskammer (Laka) am Mittwoch die Ja-Parole zum Ausbau des Nationalstrassennetzes – dabei frisst der Bau von Autobahnen ebenfalls Fläche. Eine Minderheit befürchtete, die Landwirtschaft verliere damit an Glaubwürdigkeit und verlangte deshalb Stimmfreigabe. Ein entsprechender Antrag erhielt 28 Stimmen, die Zustimmung zur Ja-Parole fiel mit 56 Stimmen bei zwei Enthaltungen aber deutlich aus.

SBV-Präsident Markus Ritter machte auf die unterschiedliche Grössenordnung des Landverlusts aufmerksam. Bei der aktuellen Vorlage gehe es um rund 10 ha, die geopfert werden müssten. Die 3,5 Prozent BFF hätten dagegen den Verlust von 6000 ha bedeutet. Auch habe das Bundesamt für Strassen (Astra) in einem Brief ein Entgegenkommen signalisiert. So sollen ökologische Ausgleichsflächen und Aufforstungen als Ersatz für gerodete Waldfläche möglichst nicht auf Kulturland zu liegen kommen. Möglich werden soll dies etwa, in dem die Aufwertung bestehender Waldflächen als Kompensationsmassnahme anerkannt wird oder bereits zugewachsene, aber noch nicht als Wald erfasste Flächen in den Bergen angerechnet werden. Ritter: «Wir wollen die Gunst der Stunde nutzen für ein Umdenken im Umgang mit Kulturland.»

«Steinzeit-Initiative»

Gegen die Zustimmung zum Autobahnausbau argumentierte unter anderem SBLV-Präsidentin Anne Challandes. «Wir können nicht im September um den Flächenerhalt kämpfen und im November einen erneuten Kulturlandverlust befürworten», sagte sie mit Blick auf die eben erst abgewehrte Biodiversitäts-Initiative: «Es ist illusorisch, zu meinen, dass die Presse und die Bevölkerung uns das abnehmen.» Dass die Ja-Parole mediale Kritik hervorrufen werde, sei zu erwarten, meinte Markus Ritter dazu. Angesichts der völlig unterschiedlichen Grössenordnung sei der Entscheid aber gut zu erklären. Ist die Abstimmung über den Ausbau des Nationalstrassennetzes am 24.  November vorbei, steht der Landwirtschaft bereits der nächste politische Angriff bevor.

Bereits am 9. Februar kommt die Umweltverantwortungsinitiative der Grünen vors Volk, die Ressourcenverbrauch und Emissionen der Schweiz innerhalb von zehn Jahren auf die «planetaren Grenzen» beschränken will – betroffen wären unter anderem Treibstoffe, Phosphor und Stickstoff. SBV-Direktor Martin Rufer sprach von einer «Steinzeit-Initiative». Offiziell spielt die Landwirtschaft bei der Bekämpfung der Initiative nicht die Hauptrolle. Markus Ritter gab aber zu verstehen, dass möglicherweise ein weiteres Engagement der Landwirtschaft gefragt sei.

Verordnung «unbrauchbar»

Weiter befasste sich die Laka mit dem Vorschlag zur Raumplanungsverordnung zum Bauen ausserhalb der Bauzone. Dieser sei unbrauchbar, heisst es dazu in einer Medienmitteilung. Die Landwirtschaft sei bereit, die Bautätigkeit in der Landwirtschaftszone zu stabilisieren, allerdings müsse dies pragmatischer angegangen werden. Die Mitglieder der Laka fordern das Bundesamt für Raumentwicklung deshalb zu einer grundlegenden Überarbeitung auf.