Der Betrieb Holdern von Andreas Boog und seiner Familie liegt oberhalb der Chommle in Gunzwil. Sie bewirtschaften einen gemischten Betrieb mit 9 Hektaren Ackerbau und 11 Hektaren Grünland. Gehalten werden 55 Aufzuchtrinder, 50 Mastschweine und 100 Mutterschweine. Der Betrieb wird nach den IP-Suisse-Richtlinien bewirtschaftet. Zur Unterstützung hat Familie Boog einen ausländischen Angestellten.
Milch aufgegeben
«Vor 19 Jahren haben wir mit dem Melken aufgehört, weil die Käserei ihren Betrieb einstellte», berichtet Andreas Boog. Der Stall war in die Jahre gekommen und musste umgebaut werden. Boog nutzte die Gelegenheit und stellte auf Rinderaufzucht um. Auch den Ausbau der Mutterschweinehaltung hatte er bereits im Hinterkopf. Zu diesem Zeitpunkt waren es 50 Zucht- und 50 Mastschweine. 2009 realisierte er anschliessend die Erweiterung auf 100 Mutterschweine. «Wir haben nach den CNf-Richtlinien den neuen Stall gebaut. Deshalb sind wir bezüglich den Stallmassen heute gut aufgestellt», so Boog. Die letzte Investition war die Aufrüstung auf energieeffiziente Jagerkisten.
«Zuchtprogramm würde sich nicht mehr lohnen.»
Andreas Boog sieht die Wirtschaftlichkeit der Schweizer Zucht gefährdet.
Die Schweine wurden viele Jahre unter dem Label Coop CNf gehalten. Mit der IG CLP konnten sich die Produzenten gut einbringen. Anfang 2021 wurden die Produktionsrichtlinien von IP-Suisse übernommen. Die Kontrollen werden nun für alle IP-Suisse-Schweineproduzenten vom Schweizer Tierschutz durchgeführt.
Konflikte mit Raumplanung
Neu war für die ehemaligen CNf-Produzenten das Erreichen einer gewissen Anzahl Biodiversitätspunkte. Störend für viele Produzenten seien die immer noch unterschiedlichen Richtlinien und Anforderungen von ehemaligen CNf- und IP-Suisse-Produzenten, welche bis auf weiteres gelten sollen.
«Es harzt beim Absatz der Label.»
Boog zu den hohen Margen und somit Preise, was die Kundschaft abschrecke.
Bereits heute erfüllt der Betrieb Boog die BTS- und RAUS-Richtlinien. Bei einer Annahme der Massentierhaltungs-Initiative (MTI) wären trotzdem grössere bauliche Anpassungen nötig. «Unsere Ställe stehen nahe aufeinander. Ausläufe bei den säugenden Sauen sind nicht möglich, ohne dass ein Neubau realisiert wird.» Die Ställe seien gegenständig, was ein nachträgliches Erstellen der Ausläufe verunmöglicht. Dazu käme noch der Zugang zu Wühl- und Weideareal. Auch bei den Jagerställen liesse sich unmöglich einen Auslauf angliedern, was ebenfalls einen Neubau zur Folge hätte. Doch genau hier hat Andreas Boog Bedenken. «Ein Neubau der Ställe würde raumplanerische Konflikte entstehen lassen und wäre im Kanton Luzern kaum realisierbar.»
Die geforderte längere Säugezeit von sechs Wochen sieht er weniger als Problem. Bereits heute beträgt die Säugezeit auf dem Betrieb 4,5 Wochen. «Durch eine gezielte Fütterung sollte die längere Säugezeit möglich sein», meint Boog. Bei einer Annahme sieht er aber die BTS- und RAUS-Beiträge gefährdet. «Es würde das gleiche passieren wie beim Schleppschlaucheinsatz: Sobald etwas obligatorisch ist, haben die Beiträge keine Berechtigung mehr.»
Es harzt beim Labelabsatz
Die Umweltleistungen der Landwirtschaft seien in den vergangenen 25 Jahren stark verbessert worden, findet der Produzent. Dünger- und Antibiotikaeinsatz hätten stetig reduziert werden können. Die Schweinebauern hätten es mit dem Suisano-Programm selbst in die Hand genommen. «Das Problem liegt beim Absatz.» Die Marge beim Labelfleisch sei zu gross, der Preis werde in die Höhe getrieben und schrecke somit die Kundschaft im Laden ab. «Die Initianten sollten bei der Preispolitik der Grossverteiler den Hebel ansetzen», sagt Andreas Boog.
Betrieb Boog
Betriebsleiter: Andreas und Rita Boog mit vier Kindern
Ort: Holdern, Gunzwil
Fläche: 20 ha LN, davon 9 ha Extenso-Ackerbau (Gerste, Triticale, Winterweizen, Urdinkel, Mais für Rinder)
Tierbestand: 100 Muttersauen, 55 Aufzuchtrinder
Wenn die Initiative angenommen würde, würde die Produktion von Schweinefleisch in der Schweiz um rund die Hälfte einbrechen, schätzt Andreas Boog die Auswirkungen ein. Dafür verantwortlich sind verschiedene Aspekte wie Wirtschaftlichkeit, Raumplanung, Gewässerschutz und hohe Produktionskosten. Alle Label mit tieferen Anforderungen als Bio Suisse würden wegfallen, da die Bio-Suisse-Richtlinien 2018 im Bereich Tierwohl als Standard gelten würden. «Schlussendlich führt es zu Mehrimporten, bei welchen wir keine Kontrolle haben», so Boog weiter. Sowohl das Gesundheitsprogramm als auch das aktuelle Zuchtprogramm sieht er in Gefahr. «Wenn die Population um rund die Hälfte schrumpft, lohnt es sich kaum, ein eigenes Schweizer Zuchtprogramm aufrecht zu erhalten.»
Verzicht auf Schweine
Bei einer Annahme der MTI müsste sein Betrieb auf die Schweinehaltung verzichten, der Neubau von Ställen wäre wohl nicht möglich. Nur Ackerbau und 55 Aufzuchtrinder böten dem Betrieb keine vollständige Existenz mehr. Andreas Boog erwähnt, dass die Landwirte zusammen stehen müssten. Bei dieser Abstimmung seien die Tierhalter betroffen. Aber beim nächsten Mal könnten es die Acker- oder Gemüsebauern sein. «Die Schweizer Landwirtschaft kann nur bestehen, wenn wir uns gegenseitig unterstützen.»
«Schweine sollen in einem eingestreuten Stall leben, in kleinen Gruppen und mit Zugang nach draussen»
Sie und Ihr Kampagnen-Team der Massentierhaltungs-Initiative haben kurzfristig die Teilnahme am Höck der Suisseporcs Zentralschweiz abgesagt. Scheuen Sie den Austausch mit den Tierhaltern?
Philipp Ryf: Unser Team war und ist Covid-bedingt stark reduziert. Mit nur 50 Prozent des Teams und einer allgemein sehr hohen Arbeitsbelastung mussten wir uns leider gegen eine Teilnahme entscheiden. Ich werde am 26. Juni an einem Podium des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbands teilnehmen. Dort wird die Möglichkeit für einen Austausch bestehen.
Was wäre Ihre Botschaft gewesen an die «Söieler»?
Die Initiative fordert, dass alle Schweine Zugang nach draussen erhalten und auf eingestreuten Liegeflächen in kleinen, übersichtlichen Gruppen leben dürfen. Gleichzeitig fordert unsere Initiative gleich lange Spiesse: Schweizer Standards sollen auch für importierte Tierprodukte gelten. Wir sind überzeugt, dass sich hier unsere Interessen mit denen der «Söieler» überschneiden.
Ausländische Besucher attestieren der Schweiz durchwegs ein einzigartig hohes Gesundheitsniveau und eine tierfreundliche Haltung. Wie sehen Sie die Schweizer Schweinehaltung im internationalen Vergleich?
Die Schweiz hat im internationalen Vergleich hohe Standards, die Unterschiede sind jedoch bescheiden. So hat ein Schwein bis 110 kg in der EU 0,75 Quadratmeter Platz zum Leben. In der Schweiz sind es gerade mal 0,15 Quadratmeter mehr. Zudem: Gerade weil unsere Standards hoch sind, ist unsere Initiative wichtig. Nur durch sie kann sichergestellt werden, dass der Import von Tierprodukten aus minderwertiger, ausländischer Produktion unterbunden wird.
Wenn Sie Schweizer Schweineproduzenten besuchen, was stört Sie an der Tierhaltung?
Wir verlangen, dass alle Schweine in einem eingestreuten Stall leben, in kleinen Gruppen und mit Zugang nach draussen. Idealerweise hat ein Schwein Zugang zu einer Weide und einem Schlammloch, damit es seine Grundbedürfnisse richtig ausleben kann. Nicht zuletzt fordern wir weniger überzüchtete Tiere.
Bei Annahme der MTI würden Tierwohl- und Labelbeiträge wohl wegfallen und ein grosser Teil der Produzenten müsste (schon wieder) investieren?
Diese Einschätzung teilen wir überhaupt nicht. Label passen sich konstant an die Bedürfnisse der Kundschaft an. Die Differenzierung nach oben wird immer noch möglich sein. Diese wird es sicherlich auch geben, daran sind alle Stakeholder im System interessiert. Die Übergangszeit von 25 Jahren gibt den Bauern die nötige Zeit, sich an die neuen Bedingungen anzupassen. Gleichzeitig stärkt ihnen unsere Importklausel den Rücken. Sie verhindert, dass Grossverteiler auf ausländische Billigprodukte ausweichen können.
Philipp Ryf von Sentience hat das Co-Präsidium und die Kampagnenleitung der Massentierhaltung-Initative (MTI) inne.
