Im September 2012 sagte das Thurgauer Stimmvolk Ja zum Netzbeschluss über BTS (Bodensee-Thurtalstrasse) und OLS (Oberlandstrasse). Der Bau der beiden Strassen soll dereinst den Oberthurgau und das Thurtal vom Verkehr entlasten. Die OLS stellt eine flankierende Massnahme zur BTS dar. Sie soll mit der ersten BTS-Etappe von Arbon bis Amriswil realisiert werden. 

Priorität der BTS in Bern unklar

Seit der Abstimmung sind bald zehn Jahre vergangen. «Die Entscheidungsgrundlagen haben sich seither stark verändert: Die Klimakrise, die ständige Abnahme von Biodiversität und Artenvielfalt sowie ein weiterer ­Kulturlandverlust zwingen zu deutlich sorgfältigeren Abwägungen bei Strassenneubauprojekten», schreiben die Kantonsrätinnen Sandra Reinhart (Grüne) und Nina Schläfli (SP) in einer im Dezember 2021 eingereichten Interpellation.

Die Antwort der Thurgauer Regierung liegt nun vor, «rekordverdächtig schnell», bemerkt Reinhart. Solange die BTS nicht gebaut werde, sei die Realisierung der OLS nicht notwendig, finden die Interpellantinnen. Welche Priorität das Projekt in Bern hat, lässt sich allerdings noch nicht sagen. «Hätte sich der Regierungsrat für die Beantwortung der Interpellation etwas mehr Zeit gelassen, wäre eine Aussage, ob das Projekt für die Ausbauschritte 23–27 vorgesehen ist, möglich gewesen», sagt Reinhart.

17 bis 19 ha Kulturland

Abo Der Oberthurgau, hier mit der Stadt Arbon im Hintergrund, ist heute schlecht ans nationale Strassennetz angeschlossen. Das soll sich durch den Bau der BTS ändern. (Bild Stefanie Giger) Thurgau Strassenbau: Über 100 Hektaren Kulturland betroffen Friday, 5. July 2019 In Bezug auf den Kulturlandverlust rechnet der Regierungsrat vor, dass gemäss Vorprojekt je nach Variante beim Anschluss Münsterlingen 17 bis 19 ha Kulturland dem Projekt zum Opfer fallen. Zwar soll mit der Güterzusammenlegung in einem grös­seren Perimeter eine deutliche Strukturverbesserung für die Landwirtschaft erzielt werden. «Das ändert aber nichts an der Fläche Kulturland, die verloren geht», wendet Sandra Reinhart, die einen bäuerlichen Hintergrund hat, ein. 

In seiner Antwort auf die ­Interpellation hält der Regierungsrat fest, dass die Fruchtfolgeflächen, die mit dem Projekt verloren gehen, vollständig kompensiert werden. Dafür wurden im Rahmen des Gesamtprojektes Flächen im Umfang von 52 ha evaluiert, die zu Fruchtfolgeflächen aufgewertet werden können. «Das scheint aus Sicht der Landwirtschaft auf den ersten Blick positiv. Der Boden ist und bleibt aber ein begehrtes Gut», so die Grüne-Politikerin.

Regierung sieht keinen Bedarf für Anpassungen

«Wir brauchen nicht nur Fruchtfolgeflächen, sondern auch genügend Flächen, um die Biodiversität zu fördern», ergänzt sie. Grosse Teile dieser Schutzflächen würden das Kulturland überlagern. «In einer Zeit, in welcher Klimawandel und Umweltschutz auf dem Schweizer Sorgenbarometer der Credit Suisse (Anm. d. Red.) den zweiten Platz belegen, wäre es sicher sinnvoll, dieses Projekt nochmals grundlegend zu überdenken», sagt Sandra Reinhart. Die Antwort des Regierungsrats zeige allerdings, dass dieser keine Notwendigkeit für eine grundlegende Neubeurteilung sieht.