Zwei grinsende Gestalten kommen einem entgegen, beim Treffen zum Gespräch mit den rumänischen Mitarbeitern in Oberwil bei Büren BE. Anita Szekeres (23) und Tibor Ferencz (26) tragen für uns zwar schier unaussprechbare Nachnamen, seine Ziele und Wünsche bringt das junge Paar aber deutsch und deutlich auf den Punkt. 

Der lange Weg zu uns

Der Weg vom rumänischen Dorf  Gyergyószentmiklós (Niklasmarkt) in die Schweiz ist lange und so ist es auch der Werdegang des jungen Paares. Ihr gemeinsamer Weg begann in der Region Siebenbürgen, im Zentrum von Rumänien. Dieses Gebiet gehörte bis im Jahr 1920 Ungarn an. Aus diesem Grund sprechen Anita und Tibor  ungarisch.

Nach der achtjährigen Grundschule absolvierten beide eine unbezahlte Lehre. Anita  als Kellnerin und Tibor als Automechaniker.  Nach der vierjährigen Ausbildung  sah es für die beiden  aus beruflicher Sicht aber düster aus. Damit sind sie aber bei Weitem nicht die Einzigen: 80 rozent der jungen und ausgebildeten Leute in Rumänien finden keine Arbeit und versuchen daher ihr Glück im Ausland. Auch Familienväter lassen zum Teil alles zurück, um in der Schweiz, Deutschland und Österreich  zu arbeiten und ihre Familie ernähren zu können.

Arbeitszeugnis und Hoffnung

Dank dem Vermittlungsdienst Agrimpuls des Schweizer Bauernverbands sind Anita und Tibor  fündig geworden. Seit drei Jahren arbeiten sie nun in der Schweiz. Wichtig waren gute Arbeitszeugnisse, ein gültiger Reisepass und viel Hoffnung, sind sie sich einig.

Nach einem zweimonatigen Deutschkurs in Rumänien konnten sie in einem viermonatigen Praktikum in der Schweiz unsere Landwirtschaft und die Sprache besser kennenlernen. «Ich arbeitete viel in den Heidelbeeren und im Haushalt», sagt Anita. «Ich jätete das Gjät zwischen den Teekräutern mit dem Chräbäli», ergänzt Tibor, der stolz ist, einige berndeutsche Wörter zu beherrschen.

Nach dem Praktikum fanden sie eine Anstellung auf einem Bio-Gemüsebetrieb in Kirchdorf. Nach gut zwei Jahren in Kirchdorf BE freuten sie sich auf eine neue Erfahrung und einen anderen Betrieb. Seit Januar 2020 arbeiten sie nun als landwirtschaftliche Mitarbeiter auf dem Bio-Gemüsebetrieb von Isabel und Samuel Otti in Oberwil bei Büren BE. Sie fühlen sich wohl im kleinen Dorf. Die  Betriebsleiterfamilie hat für sie eine geräumige Wohnung organisiert. Nichtsdestotrotz sei es schon  sehr schwierig, weit weg von der Familie zu sein, gibt die junge Frau zu. «Aber die Zeit geht schnell, wenn die Arbeit Freude macht und man sich am Wochenende in den Bergen ablenken kann.» Momentan weiss das junge Paar aber nicht, wann es die ihre beiden Familien das nächste Mal sehen wird. Die Grenzen seien zwar offen, aber in ihrer Heimat müssten sie zwei Wochen in Quarantäne.

Durchschnittsgrösse 1,8 ha

Am liebsten arbeiten sie im Obst-, Gemüse- und Beerenanbau. Die beiden  kommen nicht aus der Landwirtschaft. Anitas Eltern arbeiten als Dachdecker und im Haushalt. Tibors Mutter in einem grossen Fleischverarbeitungsbetrieb.  Gemüse werde nicht grossflächig angebaut. Was man oft sieht, seien Kartoffeläcker und Weizenfelder. Vieh gebe es vereinzelt. Das Meiste wird jedoch importiert (siehe Kasten). Wie die «NZZ» berichtet, gibt es 4,3 Mio Landwirtschaftsbetriebe in Rumänien, von denen fast alle Kleinbetriebe mit durchschnittlich 1,8 ha Land sind. Der hohe Anteil von Kleinstbauern sei der Regierung ein Dorn im Auge, da man Rumänien gerne wieder als Grossmacht im Agarbereich sehen würde. Aber solange die Leute auf dem Land keine Alternativen haben, wird dies bis auf weiteres so bleiben.

Familie oder Job

Trotz der grossen Distanz zu ihren Liebsten überlege sich Anita oft, ihr Leben in der Schweiz zu verbringen. Ihnen gefalle die abwechslungsreiche Arbeit im Gemüsebau sehr. Für grosse Träume habe es aber  weiterhin Platz.  «Vielleicht könnte ich meinem Traumberuf als Kellnerin nachgehen», sagt sie. Tibor könnte sich vorstellen, irgendwann wieder in der Werkstatt zu arbeiten.

Bis dahin geben sie auf dem Bio-Gemüsebetrieb Vollgas; unterstützen die Betriebsleiter  bei der Planung, pflegen die Kulturen, ernten verschiedenstes Gemüse von den Gewächshäusern und vom Feld, verkaufen die Ware auf dem Wochenmarkt, bedienen die  Traktoren und rüsten Gemüse. Auf die Frage, was ihr grösster Wunsch sei, sagt Anita: «Zusammenbleiben». Das junge Paar unterstreicht die Aussage mit einem High-Five.

Die Autorin arbeitete vor und nach dem Agronomiestudium auf dem erwähnten Bio-Gemüsebetrieb in Oberwil bei Büren BE.