National- und Ständeräte müssten wissen, was die vorgesehenen Kürzungen bei den Direktzahlungen für die Bauernfamilien bedeuten, sagte Präsident Markus Ritter am Mittwoch an der Delegiertenversammlung des Schweizer Bauernverbands (SBV) in Bern. «Die Lage ist schwierig», so seine Einschätzung vor den Delegierten. Aber: «Der Mist ist noch nicht geführt.»

Mit einer Resolution will der SBV nun die Politik wachrütteln und das Sparpaket noch rechtzeitig stoppen. Aufgrund von Parlamentsbeschlüssen wie dem Absenkpfad seien der Landwirtschaft Mehrkosten und Mindererträge in der Höhe von mindestens 100 Millionen Franken entstanden, heisst es im von den Delegierten einstimmig und ohne Enthaltungen verabschiedeten Schreiben.

Sparprogramm verstösst gegen Artikel im Landwirtschaftsgesetz

Dazu komme der Anstieg der Produktionskosten durch die Inflation. Dieser verschärfe die tiefe Einkommenssituation in der Landwirtschaft. Schon jetzt liege der durchschnittliche Stundenlohn mit lediglich 17 Franken weit unter dem Niveau des Vergleichseinkommens. Da der Bundesrat durch das Landwirtschaftsgesetz verpflichtet ist, Massnahmen zu ergreifen, wenn das landwirtschaftliche Einkommen unter Vergleichsniveau sinkt, verstösst das Sparprogramm nach Ansicht des SBV gegen das Gesetz.

Abo Zahlungsrahmen 2026 bis 2029 92 Millionen Direktzahlungen einsparen – «Bauernfamilien sollen bluten» Wednesday, 11. October 2023

Die Resolution weist auch darauf hin, dass die Landwirtschaft beim Wachstum der Bundesausgaben eine «Musterschülerin» sei, wie Vize-Direktor Francis Egger vor den Delegierten sagte. Die Ausgaben von jährlich 3,6 Milliarden Franken seien seit 20 Jahren nicht angestiegen. Die Gesamtausgaben des Bundes seien aber im gleichen Zeitraum um 80 Prozent gewachsen.

«Freude am Geldausgeben»  blieb auch nach der Coronakrise

Die Ursache für den Spardruck, der nun an der Landwirtschaft ausgelassen werden soll, sieht Markus Ritter in der Ausgabenpolitik im Nachgang der Coronakrise. Damals sei jeder Bezug zu einem haushälterischen Umgang mit den Bundesfinanzen verloren gegangen, kritisierte Ritter: «Diese Freude am Geldausgeben hat sich dann auf das normale Budget übertragen.» Dass der Haushalt nun aus den Fugen gerate, sei nicht die Schuld der Landwirtschaft.

Bundesrat Albert Rösti äusserte sich vor den Delegierten zu seinen Plänen zur Umsetzung des «Montreal-Abkommens». Das von der Schweiz mitunterzeichnete Abkommen sieht vor, 30 Prozent der Erdoberfläche für die Erhaltung der Biodiversität unter Schutz zu stellen. Rösti sprach dabei von einem «Damoklesschwert», das über den Köpfen der Bauernfamilien schwebe.

Keine harte Umsetzung des Montreal-Abkommens

Albert Rösti machte klar, dass er nicht anstrebt, das Abkommen hart umzusetzen. «Die 30 Prozent sind ein globales Ziel, das nicht jeder einzelne Staat erreichen muss», sagte er. Gemäss Einschätzung seines Departements komme die Schweiz je nach Rechnungsart schon jetzt auf diese Grösse. Er werde sich dafür einsetzen, dass die Forderung nach mehr Fläche für Biodiversität in Zukunft nicht nur an die Landwirtschaft gerichtet werde, sondern auch an die Städte und Agglomerationen.

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Markus Ritter lobte die Zusammenarbeit mit dem neu gewählten Bundesrat. In der Wolfspolitik sei die Landwirtschaft mit ihren Anliegen zum ersten Mal überhaupt ernst genommen worden, sagte Ritter. Röstis Amtsantritt sei für die Bauern eine politische «Zeitenwende».

Wahlbeteiligung in ländlichen Gemeinden gesteigert

Eine positive Bilanz der politischen Arbeit der vergangenen Monate zog Direktor Martin Rufer. Das Erstarken der bäuerlichen Vertretung im Parlament bei den Wahlen im Oktober sei ein «Vertrauensbeweis», resümierte er. Der scheidende Vize-Direktor Urs Schneider gab einen kurzen Einblick in die politische Knochenarbeit hinter dem Erfolg. Grund für das starke Engagement seien die Rücktritte schwergewichtiger Bauernvertreter im Parlament gewesen.

Um sicherzustellen, dass diese durch bäuerliche Politiker ersetzt werden, habe die ländliche Bevölkerung mobilisiert werden müssen. Dies sei geglückt: Eine Analyse im Nachgang habe gezeigt, dass die Wahlbeteiligung in vielen ländlichen Gemeinden 4 bis 5 Prozent höher gelegen habe als 2019. Gleichzeitig sei die Wahlbeteiligung aber auch in den Städten gestiegen. «Ohne unsere Mobilisierung hätte das katastrophal enden können», so sein Fazit.