Beim Luzerner Bauernverband gingen dieses Jahr vermehrt Meldungen ein von Landwirten, die ihren Unmut über Kontrollen kundtaten. Offenbar lag ein Augenmerk auf baulichem Tierschutz und festgestellte Mängel führten direkt zu Sanktionen, statt dass eine Frist mit Nachkontrolle eingeräumt wurde. Man sieht einen Zusammenhang mit der Fusion der beiden Kontrollstellen KUL/Carea und Qualinova zur neuen Aniterra AG, die vor allem in den Kantonen Bern, Luzern, Uri und Obwalden tätig ist: Die Berner Kontrolleure hätten einen anderen Fokus als was die Luzerner Bauern gewohnt waren.
Messen ist einfacher
Der Berner Bauernverband (BEBV) verzeichne keine Mehrmeldungen, sagt Andreas Gafner auf Anfrage. Der Berner Oberländer Landwirt ist Vorstandsmitglied des BEBV, Nationalrat und zudem im Verwaltungsrat der Aniterra. «Ich bin auch oft unter Bauern und mir ist nicht aufgefallen, dass es mehr Beanstandungen gegeben hätte seit der Kontrolldienst-Fusion.»
Es ist Gafner aber bekannt, dass im Kanton Luzern vor allem Mängel an Liegeboxen sanktioniert worden sind. «Was man messen kann, ist immer einfacher, als wenn z. B. Aufzeichnungen nachvollzogen werden müssen», gibt Gafner zu bedenken, der selbst 20 Jahre lang als Kontrolleur tätig war. Das bestätigt Ruedi Streit von Agriexpert. «Wenn etwa die Liegenboxenlänge nicht eingehalten ist, muss man nicht diskutieren, wenn klar ist, wie gemessen werden muss», sagt er. Schwieriger werde es etwa bei Fragen betr. qualitativem Tierschutz wie z. B. ob Tiere nicht übermässig verschmutzt sind, ob eine genügende Klauenpflege vorgenommen oder ob trotz nicht nachgeführtem Journal der Auslauf glaubhaft gewährt wurde.
Andreas Gafner versichert, er verstehe den Unmut, wenn es um augenscheinliche Bagatellfälle geht. «Wenn etwa ein Bugholz nicht oder nicht korrekt montiert ist in einem Stall mit 30 Kühen, könnte man das sicher innert drei Wochen nachholen.» Die Direktzahlungsverordnung ist allerdings eindeutig und die Sanktion von 100 Franken/Kuh kann sich in besagtem Beispiel auf 3000 Franken aufsummieren. «Das ist ärgerlich», bekräftigt Gafner.
Anderer Fokus möglich
Es sei möglich, dass KUL/Carea und Qualinova historisch bedingt durch ihr ursprüngliches Kontrollgebiet etwas andere Schwerpunkte gelegt hätten, erklärt der Berner Oberländer. In Luzern lag das Augenmerk wegen vergleichsweise hoher Tierbestände eher auf der Nährstoffproblematik als auf stallbaulichen Kontrollpunkten. «Das ist meine Interpretation», bemerkt Andreas Gafner, «aber wenn man als Kontrolleur auf einem Betrieb ist, muss man einen gewissen Fokus setzen.» Klar ist allerdings auch: Alle Kontrollstellen arbeiten mit denselben rechtlichen Vorgaben.
Bei diesen soll es nun aber eine Verbesserung geben. Eine von 43 Nationalrät(innen) mitunterzeichnete Motion von Priska Wismer-Felder (Mitte, LU) will für mehr Verhältnismässigkeit in der Direktzahlungsverordnung sorgen. Namentlich ist die Forderung, dass für Bagatellfälle – die weder das Wohl von Mensch, Tier noch Umwelt gefährden – eine Frist zur Nachbesserung eingeräumt wird. «Kürzungen der Direktzahlungen oder Bussen sollen erst dann erfolgen, wenn der Mangel nach der gesetzten Frist weiter besteht oder es sich um einen wiederholten Verstoss handelt», so der Motionstext. Die zuständigen Vollzugsbehörden sollen so mehr Spielraum erhalten, um in Fällen ohne akuten Handlungsbedarf oder relevanten Tierschutzverstoss verhältnismässig reagieren zu können. «Das würde Sinn machen», findet Andreas Gafner, der die Motion ebenfalls mitunterzeichnet hat.
Die Kontrollstelle wechseln?
Im Zusammenhang mit dem Unmut über Kontrollen in Luzern kursiert ein Schreiben der Luzerner SVP, das alle Landwirte dazu aufruft, bei Unzufriedenheit die Kontrollstelle zu wechseln. «Jeder Landwirt wählt selbst frei, von wem er kontrolliert wird», bestätigt Gafner. Das geschieht jeweils bei den Erhebungen im Frühling. Die AGB der Aniterra sehen eine dreimonatige Kündigungsfrist vor, die Vertragsauflösung ist für beide Parteien per Ende des Kalenderjahrs möglich. Eine fristlose Vertragsauflösung kann bei «schwerwiegenden Vorfällen aus wichtigen Gründen» erfolgen. Als solche gelten laut AGB «Verhaltensweisen, die eine reibungslose Kontrolle erschweren, verunmöglichen oder die Durchführung der Kontrolle für eine Partei unzumutbar machen.»
Das Zwischenmenschliche zählt
Man müsse sich bewusst sein, dass alle Kontrollstellen dieselben Vorschriften umsetzen müssen, sagt Andreas Gafner. Wegen seiner Verbindung zur Aniterra werde sein eigener Betrieb jeweils von einer anderen Kontrollorganisation besucht und die habe er stets als fair erlebt.
«Es ist eher eine Symptombekämpfung als eine Problemlösung, die Kontrollstelle zu wechseln», findet er. «Ich glaube nicht, dass die einen Kontrolleure eher ein Auge zudrücken können als die anderen.» Daher empfiehlt Gafner nicht, ständig zu wechseln – ausser es handelt sich um zwischenmenschliche Probleme. Bei der Wahl der Kontrollstelle ist neben der abgedeckten Region die teils unterschiedliche Verrechnung zu beachten. «Manche haben einen höheren Grundbetrag, andere verrechnen nach Aufwand», gibt Gafner ein Beispiel.
«Kontrollen sind eine nie endende Diskussion, unabhängig von der Organisation», hält Ruedi Streit fest. Sein Eindruck sei, dass es wohl mehr auf das Zwischenmenschliche, das persönliche Auftreten des Kontrolleursals auf die Kontrollorganisation ankomme. «Ich kann den spezifischen Fall Luzern/Aniterra nicht einordnen», so Streit, «aber ich denke, diese Leute sind geschult und die Organisation zertifiziert, weshalb fachliche Unterschiede bei den Kontrollen an sich nicht auftreten sollten.»
