Hätte ich eine Schafherde und der Wolf bisse mir Tiere zu Tode, würde ich mich hintersinnen: Habe ich genug für den Herdenschutz gemacht, mussten die Tiere leiden, gibt es zu viele Wölfe? Ich wäre traurig und wütend. Ich würde mich auch in meiner Existenz angegriffen fühlen; schliesslich hielte ich die Tiere nicht zum Vergnügen.

Auch hätte ich den Artikel «Sonderrapport Wolf» in der «Aargauer Zeitung» von letztem Freitag mit anderen Augen gelesen: Verwaltungsinterne Dokumente zeigen, dass Bundesrat Rösti und sein Stab sowohl juristische Bedenken als auch inhaltliche Zweifel an seinem Vorgehen beiseite wischten. Die Zeitung schreibt: «Den Ton aber geben andere Interessenvertreter an: ‹Die landwirtschaftsnahen Kreise befürworten ein rasches Vorgehen zur wirksamen Regulierung und starken Reduzierung des Wolfbestandes›».

Vornehme Zurückhaltung beim Klimawandel

Abo Gastbeitrag Hat die Menschheit den Kindergarten verpasst? Wednesday, 14. June 2023 Zugegeben: Schaflos wie ich bin, ärgert mich das. Und zwar nicht, weil landwirtschaftsnahe Kreise ihren Einfluss geltend gemacht haben. Das ist ihr Recht. Mich ärgert, dass bäuerliche Politiker(innen) und Lobbyisten ihr ganzes Gewicht beim Wolf in die Waagschale werfen, aber sich bei Massnahmen gegen den Klimawandel vornehm zurückhalten. Dabei ergab die Vorstudie des Verbundprojektes «AlpFUTUR» bereits 2008: «Der Klimawandel betrifft das Sömmerungsgebiet massiv. Die Verschiebung der Vegetationsperiode durch frühere und/oder wärmere Sommer wirkt sich auf die Weidedauer aus. Diese wird aber gleichzeitig von der sich verändernden Wasserversorgung mitbestimmt. Die Veränderung des Wasserflusses stellt auch die Versorgung des Viehs, insbesondere des Milchviehs, vor eine neue Herausforderung (…)» Nicht etwa Umweltorganisationen stehen hinter dem Verbundprojekt, das die Zukunft des Sömmerungsgebietes untersucht, sondern die Forschungsanstalten Agroscope und WSL.

Ich weiss, viele Bäuerinnen und Bauern nehmen bereits grosse Anstrengungen auf sich, um auf ihren Höfen schädliche Emissionen zu verringern und ökologisch nachhaltig zu produzieren.

Ich erwarte aber von landwirtschaftsnahen Kreisen, dass sie sich vehement für alle Massnahmen einsetzen, die den Klimawandel bremsen. Egal, welche Wirtschaft davon betroffen ist. Wer sich gegen den Wolf wehrt, muss zugunsten der Landwirtschaft und der gesamten Gesellschaft in gleichem Masse den Klimawandel bekämpfen.