Abo V.l.n.r.: Bernard Belk (Direktionsbereich Direktzahlungen), Noémie Zink (Digitalisierung und Datenmanagement), Christian Hofer (Direktor) und Simon Lanz (Fachbereich Agrarpolitik und Strategieentwicklung) vom BLW. Agrarpolitik Bauern und BLW haben im Grunde dieselben Ziele vor Augen Thursday, 28. November 2024 «Die Überlegung war, dass wir die Zeit bis zur AP 2030 nutzen wollen, um unsere eigenen Ideen auszuarbeiten und konkrete Vorschläge zu machen», erklärt Michelle Schenk-Wyss, Leiterin des Geschäftsbereichs Agrarwirtschaft beim Schweizer Bauernverband (SBV). Das Resultat ist die rechts abgebildete Grafik, die zeigt, wie sich der SBV das Direktzahlungssystem der Zukunft vorstellt.

Kreise statt Säulen

Im Gegensatz zur Darstellung des Bundes, die das Beitragssystem als Säulengebäude mit dem ÖLN als Fundament und der Bundesverfassung als Dach zeigt, stellt der SBV den einzelnen Betrieb in den Mittelpunkt. «Dargestellt in der Grafik sind nur die Direktzahlungen, ohne z. B. Strukturverbesserungsmassnahmen oder Bereiche des Marktes», sagt Michelle Schenk-Wyss. Aber die Direktzahlungen seien heute die grösste Quelle administrativen Aufwands, gibt sie zu bedenken. Auch wenn es zentral sei, zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation auch im Markt anzusetzen. In seinem eigenen Modell wolle der SBV bei den Direktzahlungen beibehalten, was gut funktioniert, und den Rest so anpassen, dass die Bauernfamilien administrativ entlastet werden.

«Nachhaltig» statt «ökologisch»

Der grösste Teil der Direktzahlungen (blauer Teil der Grafik) soll im Grundsatz unverändert weitergeführt werden. «Der sogenannte ‹Nachhaltigkeitsbeitrag› ist die Summe der heutigen Versorgungssicherheits- und Kulturlandschaftsbeiträge», erläutert Michelle Schenk-Wyss. Für diesen Beitrag müssen Landwirte ihre Strukturdaten einmalig erfassen, um z. B. Beiträge für Produktionserschwernisse oder Steillagen zu bekommen. «Dieser Teil ist direkt einkommenswirksam, soll 60 Prozent der gesamten Direktzahlungen ausmachen und so für finanzielle Stabilität sorgen.» Allerdings schlägt der SBV vor, die Begrifflichkeiten anzupassen: Es sei zwar weiterhin ein ÖLN zu erfüllen, dieser soll aber «nachhaltiger Leistungsnachweis» heissen. Es müsse klar ersichtlich sein, dass diese Gelder an entsprechende Leistungen geknüpft seien und somit politisch gerechtfertigt werden können. «Und das Wort Nachhaltigkeit an dieser Stelle lässt sich begründen, denn der ÖLN wird künftig mit der vorgeschriebenen Versicherung für mitarbeitende Ehepartner(innen) neben Ökologie und Tierwohl auch die soziale Dimension abdecken», bemerkt Schenk-Wyss.

Die Beiträge für Vernetzung und Landschaftsqualität müssen regional sinnvoll sein und sollten daher in der Hoheit der Kantone liegen (gelb in der Grafik). Der Bund plant, die beiden Beiträge per 2028 zum Beitrag für regionale Biodiversität und Landschaftsqualität zusammenzulegen. «Wir hoffen, dass es dann für die AP 2030 dabeibleibt und in diesem Bereich keine weiteren Änderungen kommen», hält die Agrarwissenschaftlerin fest. Denn auch der SBV ist der Ansicht, dass bei den kofinanzierten Beiträgen die Kantone am besten über die richtige Ausgestaltung Bescheid wissen und entsprechend befähigt werden sollten.[IMG 2]

Grösster Handlungsbedarf

Den grössten Handlungsbedarf – und grössten Knackpunkt – verortet Michelle Schenk-Wyss bei den heutigen Produktionssystembeiträgen: «Es ändert dort immer wieder etwas, die Vorschriften sind kompliziert, die Bewirtschaftung muss häufig angepasst werden und auch die entsprechende Aufzeichnung ist arbeitsreich.» In der Grafik sind Stichworte (Biodiversität, Nährstoffe, Tierwohl, Boden, Emissionen, PSM) notiert. «Diese Punkte erscheinen uns wichtig und darin wollen wir für Beiträge Leistungen erbringen», führt die Fachfrau aus. Anders als das heute der Fall sei, müssten diese Leistungen aber enger mit den Branchen bzw. den Produzenten-Organisationen ausgearbeitet werden. Die Finanzierung solle aber auch künftig via Bund erfolgen.

«Wir stellen uns kleinere, einfachere und verständlichere Massnahmen vor, aus denen die Betriebsleitenden das für sie Passende auswählen können.» Verpflichtungen über mehrere Parzellen bzw. über mehrere Jahre lehnt der SBV ab. Vielmehr solle pro Parzelle gewählt werden können. «Idealerweise erfolgt die Anmeldung auch erst Ende Jahr, damit das vorzeitige Anmelden und je nach Jahresverlauf z. B. wegen der Witterung nötige Abmelden entfällt», ergänzt Schenk-Wyss. Als Begriff für diesen Bereich habe der SBV «Umweltbeitrag» diskutiert. Er soll etwa ein Viertel bis ein Drittel der gesamten DZ ausmachen.

Das Datenmanagement bildet als roter Kreis eine verbindende Klammer in der Grafik des SBV. «Das muss alles viel einfacher werden als heute», betont Michelle Schenk-Wyss. Es gehe darum, bereits erfasste Daten möglichst gut zu nutzen – unter der Voraussetzung, dass die Betriebsleitenden die Hoheit über ihre Daten behalten und es keine Automatismen gibt.

Zielvereinbarungen mit Grenzen

Das erklärte Bestreben des Bundes, neben der Landwirtschaft künftig vermehrt den Rest der Wertschöpfungskette in die Verantwortung zu nehmen, unterstützt der SBV. In der Grafik des Verbands sind Leistungsvereinbarungen mit nachgelagerten Stufen vorgesehen. «Inhaltlich ist man da noch nicht weit, aber es muss gewisse Verbindlichkeiten geben», sagt Michelle Schenk-Wyss. Das BLW arbeitet in dieser Hinsicht an Zielvereinbarungen mit dem Detailhandel. Die genauen Massnahmen sind aber noch nicht bekannt. Der SBV begrüsst dies, aber die Agrarwissenschaftlerin weist auch auf Grenzen hin: «Man kann den Konsumenten nicht vorschreiben, was sie kaufen sollen. Und die Marktregeln, wie z. B. Angebot und Nachfrage, sollen berücksichtigt werden.»

Klar vom Markt trennen

Der SBV konzentriert sich bei diesen Vorschlägen zwar auf die Direktzahlungen, der Markt sei aber wirtschaftlich wichtiger, räumt Michelle Schenk-Wyss ein. «Allerdings muss man Markt und Direktzahlungen klar trennen, alles andere wäre gefährlich», warnt sie. Ein grosses Thema sei der Grenzschutz – auch wenn man sich bewusst sei, dass z. B. internationale Handelsabkommen den Spielraum begrenzen. Von Verarbeitern und Abnehmern fordert der SBV insbesondere mehr Transparenz. «Dies vor allem zur Herkunft», so die Bereichsleiterin. Bei Eiern z. B. achte die Kundschaft im Detailhandel in der Regel auf Schweizer Ware. Bei verarbeiteten Produkten ist die Herkunft von Eiern als Zutat in der Regel aber gar nicht angegeben oder schlecht ersichtlich. «Da sehen wir grosses Potenzial, damit bewusster eingekauft werden kann.» Faire Preise seien für den SBV eine Daueraufgabe, der er sich nicht erst seit den Protesten im Frühling in Verhandlungen widme.

Nicht näher behandelt hat der SBV, wie die Verteilung der Direktzahlungen in einem allfälligen neuen System aussehen würde. «Das Ziel ist, möglichst finanzielle Stabilität für alle Betriebstypen zu gewährleisten, auch in einem neuen System.» Man möchte nun aber in einem ersten Schritt eine Diskussion über mögliche Vereinfachungsschritte führen und nicht bereits darüber, wie die Gelder anschliessend verteilt werden könnten. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass der ganze Prozess zur AP 2030 blockiert würde. «Wir fordern Stabilität und keine Verschiebung, schon gar nicht zwischen Berg und Tal», betont Schenk-Wyss. Man präsentiere hier die Grundidee eines DZ-Systems, um administrative Vereinfachung zu bringen – und nicht, welche Betriebstypen oder Standorte mehr oder weniger finanzielle Unterstützung bekommen sollten.

Bereits vor 2030

Die Vorschläge des SBV habe man mit BLW besprochen und z. B. an der kürzlichen DV vorgestellt, sagt Michelle Schenk-Wyss. Weiter ins Detail gehen wolle der Verband zwar nicht, er ist aber weiterhin aktiv in der Begleitgruppe der AP 2030. Und der SBV ist mit dem Bundesrat und dem BLW einig, dass Vereinfachungen bereits vor 2030 umgesetzt werden müssen.

Barto unterstützt mit Kontrolldossier

«Auch als vielseitiger Betrieb sollte man auf einer Plattform alles Nötige erfassen und Dokumente einsehen sowie für die Kontrolle bereitstellen können», findet Michelle Schenk-Wyss. So könnte die Digitalisierung massgeblich zur Reduktion des administrativen Aufwands beitragen.

«Wie ein Smartphone»
Als Teil der Lösung bringt sich Barto in Stellung. Geschäftsführer Ulrich Ryser beschrieb Barto an der Tagung «Update Agrarpolitik» kürzlich als eine Plattform, die einem Smartphone ähnle: «Die Bausteine sind wie Apps und wir stehen offen für die ganze Landwirtschaft.» Wie bei Apps kommen die Bausteine von Barto selbst oder ausserhalb, so gibt es z. B. Rumiplan (Fütterung, von UFA, Melior und Agridea) oder Fertiplan (Düngung, von Landor und Agridea).
Als Highlight bezeichnete Ulrich Ryser das neue Kontrolldossier von Barto. «Da gibt es alle nötigen Dokumente für die anstehende Kontrolle in einer Übersicht», erläuterte er, «was fehlt, ist rot markiert.» Bisher funktioniere das für ÖLN und Bundes-Bio, man sei aber mit den Labelorganisationen für einen Ausbau in Kontakt. Das Kontrolldossier erstelle automatisch Checklisten der auszuweisenden Dokumente, die sich einscannen und so digital verwalten lassen. «In Zukunft möchten wir die Regeln für Beiträge hinterlegen und mit Warnhinweisen versehen», fuhr Ryser weiter. Dann sähe der Benutzer auf einen Blick, wenn eine Anforderung (noch) nicht erfüllt wäre. Übersicht über seine Daten zu behalten, helfe bei betrieblichen Entscheidungen und dabei, die Effizienz zu steigern, ist Ryser sicher.

Beim Bund ansetzen
Aber: «Für Vereinfachung bei den Kontrollen muss man in erster Linie beim Bund ansetzen. Zusätzlich machen Labels rund die Hälfte der Kontrollen aus», sagt Ulrich Ryser. Verbesserungen auf Stufe Kontrolldienste (z. B. risikobasiert) bezeichnet er hingegen als mehrheitliche «Kosmetik».
Ryser betonte, der Datenschutz bei Barto sei zertifiziert: «Der Bauer entscheidet, was wann wohin geht.
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«Das volle Risiko»

Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) setzt hinsichtlich Vereinfachung grosse Hoffnungen in ziel- statt massnahmenorienterte Beiträge. Es arbeite dabei auch mit der Schweizerischen Vereinigung für einen starken Agrarstandort (Sals) zusammen, die Indikatoren entwickelt, sagt Michelle Schenk-Wyss.

«Wir sind interessiert daran und könnten uns einen solchen Weg durchaus vorstellen», erklärt sie die Position des SBV. Allerdings berge ein rein zielorientiertes System einige Risiken. So könnten Betriebe, für die z. B. aus Gründen des Standorts ein weniger hohes Niveau an Biodiversität auf ihren Flächen erreichbar ist, benachteiligt werden. «Der Landwirt trägt bei Zielorientiertheit das volle Risiko», fährt die Agrarwissenschaftlerin fort.
Daher brauche es eine Kombination: Es soll weiterhin möglich sein, sich für das Umsetzen von Massnahmen (z. B. Errichten von Kleinstrukturen) entgelten zu lassen. «Die Sals schlägt auch einige Indikatoren vor, die so funktionieren», ergänzt Schenk-Wyss.

«Nicht realisierbar»

Eine weitere Piste der Vereinfachung sind für das BLW Lenkungsabgaben (LA), etwa als Ersatz für die Produktionssystembeiträge. Für den SBV kommt dieses Instrument nicht infrage. «Wir sehen nicht, wie das zu einer Vereinfachung beitragen soll», begründet Michelle Schenk-Wyss. Sie bezweifelt, dass der Vorschlag des BLW politisch realisierbar wäre: «Es ist unwahrscheinlich, dass unser Parlament einem Vorschlag zustimmt, welcher der Landwirtschaft im Einsatz von PSM und Nährstoffen absolute Freiheit gäbe, da deren Einsatz nur noch via Preis gesteuert würde.»

Damit hätte man am Ende weder den Fünfer noch das Weggli, sondern LA zusätzlich zu einem strengen ÖLN und einer strengen Suisse-Bilanz. Zudem hätten Studien gezeigt, dass solche Abgaben sehr hoch – und damit eine grosse finanzielle Last – sein müssten, um zu wirken. «Und es ist völlig unklar, wie die Rückverteilung vonstattengehen sollte, und sie würde somit definitiv dem Bund auch mehr Aufwand bringen», schliesst Schenk-Wyss.