Im Grossraum des Neeracherrieds im Zürcher Unterland sind rund 450 ha Kulturland durch verschiedene Bau- und Renaturierungsprojekte gefährdet. Das sind 20 Prozent der LN in dieser Region. Diese beunruhigenden Zahlen präsentierte Martin Streit vom Zürcher Bauernverband (ZBV) am 25. April 2023 an einer Informationsveranstaltung. Eingeladen hatte die im Februar 2023 gegründete IG Züri Nord, in der sich 175 Bäuerinnen und Bauern aus dem Zürcher Unterland zusammengeschlossen haben.
Der Leidensdruck ist enorm
Die Forderungen der IG erläuterte Präsident Hans Egli den Medien- und Gemeindevertretern: «Wir Bäuerinnen und Bauern wollen von Anfang an im Planungsprozess dabei sein.» Verschiedene Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit – Egli zählte die Nagra, PPF, Flughafenausbau und Revitalisierungsprojekte auf – zeigten, dass der Kanton Projekte plane, ohne die Grundeigentümer vorher zu informieren. Eine partnerschaftliche und respektvolle Zusammenarbeit sieht für Egli anders aus.
«Das Amt für Landschaft und Natur entscheidet, ohne das Gespräch mit den Betroffenen zu suchen. Das muss sich sofort ändern.»
Hans Egli, Präsident IG Züri Nord
Egli legte dar, dass der Leidensdruck in der landwirtschaftlichen Bevölkerung mittlerweile so gross ist, dass diese auch zu Demonstrationen bereit sei. «Wir fordern, dass wir bei der Erarbeitung der ökologischen Infrastrukturen miteinbezogen werden. Die Landwirtschaft hat auch eine Ahnung von Naturschutz.»
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Bestehende Projekte besser vernetzen
Zu eben diesen «ökologischen Infrastrukturen» (ÖI) äusserte sich ZBV-Geschäftsführer Ferdi Hodel. Die ÖI ist ein Netzwerk von Flächen, die für die Biodiversität wichtig sind. Sie besteht aus Kern- und Vernetzungsgebieten, die in ausreichender Qualität und Quantität vorhanden sein müssen. Das Neeracherriet ist eines dieser Kerngebiete im Kanton Zürich. «Hier, wo eine Vernetzung eine maximale Wirkung hätte, diskutieren wir über die Verlegung einer Strasse. Und dies ohne Konzept und ohne zu wissen, wie das Neeracherriet in Zukunft aussehen soll.» Hodel verlangt ein Umdenken beim Kanton.
«Das Ziel muss sein, mit möglichst wenig Fläche die beste Wirkung zu erzielen. Es geht um Qualität, nicht um Quantität.»
Ferdi Hodel, Geschäftsführer Zürcher Bauernverband
Aus Sicht des ZBV sollte die ÖI das Grundgerüst für künftige Projekte sein. Erst nach der Definition von Kern- und Vernetzungsgebieten könne man dazu übergehen, Schutzverordnungen zu erlassen. Erst dann solle die Erarbeitung der Projekte erfolgen. «Ohne Koordination der Massnahmen werden wir die Biodiversitätsziele auch in 30 Jahren nicht erreichen.»
Von vier Projekten betroffen
Mit Ruedi Zimmermann kam ein Direktbetroffener zu Wort. Der 42-Jährige bewirtschaftet in Niederglatt einen 18 ha grossen Betrieb mit Mutterkühen, Acker-, Obst- und Beerenbau. Gleich mehrere geplante Projekte tangieren seinen Hof und sein Land:
- Strassenverlegung Neeracherried
- Revitalisierung der Glatt
- Prioritäre Potenzialflächen für Feuchtgebiete (PPF)
- Ausgleichsmassnahmen im Zuge der Pistenverlängerung beim Flughafen
Zimmermann plagen viele Fragen.
«Niemand kann mir sagen, wie viel Land ich verliere oder mir garantieren, dass mein Betrieb in zehn Jahren noch existiert.»
Ruedi Zimmermann, Landwirt aus Niederglatt
Am meisten stört ihn die fehlende Kommunikation von Seiten der Gemeinde und des Kantons. «Für mich ist es existenziell, zu wissen, was mit der Schutzverordnung auf mich zukommt.» Denn eigentlich würde der zweifache Familienvater gerne weiter in den Betrieb investieren, damit dieser auch für die vierte Generation eine Zukunft bietet.

