Der Duft! Das ist das Schönste an meiner Arbeit am frühen Morgen», sagt Susan Richli. Die Bäuerin aus Osterfingen stand an diesem heissen Sommermorgen bereits um halb sechs Uhr in der Früh in ihrem Rosenfeld zwischen den Hügeln des Klettgaus. 3000 Rosenstöcke wachsen hier in breiten Reihen, ihre Blüten scheinen in der Morgensonne zu leuchten.
Bis zu 500 Stiele schneidet sie an einem Morgen. Dabei den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, ist Erfahrungssache. «Alle Sorten sind beim Aufblühen anders.» Die einen brauchen einige Tage, die anderen blühen schon am nächsten Morgen. Manche Rosen sind zudem empfindlicher als andere.
Gartengemeinde
Susan Richlis Rosenfeld passt zu Osterfingen. Denn der kleine Ort zwischen den Rebbergen ist eine Gartengemeinde: Auf die 350 Einwohner kommen 180 Gärten. Bei rund 30 dieser Gärten dürfen Besucher ungeniert über den Zaun blicken, sie sind Teil des «Osterfinger Gartenpfads».
Seit 15 Jahren ist Susan Richli Mitglied des Vereins, der dahinter steht. Rosen hatte sie früher aber keine im Garten. Dann unternahm die Familie im Jahr 2003 einen Ausflug zum bekannten Rosengarten des Landhauses Ettenbühl im deutschen Bad Bellingen-Hertingen. Die Rosen dort begeisterten sie. «Das wollte ich auch.»
Mal was Farbiges
Wieder daheim, pflanzte sie erste Rosen in ihren Hausgarten und begann, Bücher zum Thema zu lesen. Zu Beginn war das aber nur ein Hobby. Arbeit und Ertrag brachte der Landwirtschaftsbetrieb, den sie gemeinsam mit ihrem Mann Hans-Georg führt. Die Milchwirtschaft hat das Paar schon vor 19 Jahren aufgegeben Statt Kühen halten sie nun an die 50 Mutterschafe, die jeweils im Herbst lammen. Dazu kommen eine Hektare Reben und sieben Hektaren Weizen, Roggen, Mais und Rüben.
«Als wir Reben entfernen mussten, schlug ich meinem Mann vor, dort doch mal was Farbiges zu pflanzen.» Susan Richli wollte herausfinden, ob Freilandrosen ein neuer Betriebszweig werden könnten. Sie dachte dabei an eine Ecke eines Feldes. Doch ihr Mann fand: «Wenn schon, dann richtig.» Daher entschieden sie sich, mit 700 Rosenstöcken zu starten. Susan Richli las sich so viel Fachinformationen an, wie sie finden konnte. Ein Berufskollege, der im Thurgau ein Rosenfeld zum Selberpflücken betreibt, gab
ihnen zusätzliche Tipps.
Das Restaurant Bad Osterfingen war einer der ersten Kunden. Über Mund-zu-Mund-Propaganda kamen erste Privatkunden aus der Gegend, dann gewann sie die Bergtrotte Osterfingen als wichtigen Kunden. Die regionalen Blumenläden winkten aber ab. «Ich klapperte damals alle ab, niemand hatte Interesse.» Daher installierten Richlis vor dem Haus einen Selbstbedienungskasten und zwei weitere in der Umgebung. Das kam an. «Schon im ersten Jahr hatte ich immer mal wieder zu wenige Freilandrosen zum Schneiden.»
100 Sorten
Das Rosenfeld wurde erweitert, jedes Jahr kamen neue Rosenstöcke dazu. Inzwischen sind es rund 100 verschiedene Sorten. Kaufte die 52-Jährige in den Anfängen zehn Rosenstöcke der gleichen Sorte für ihr Feld, so sind es heute 25.
Seit acht Jahren verkauft Susan Richli ihre Freilandrosen auch zweimal die Woche auf dem «Schafhuuser Puure Märkt». Die Kunden schätzen Freilandblumen aus der Region. «Die Rosen dürfen auch durchaus Spuren der Natur haben, zum Beispiel von einem Regen.»
Rosen im Kuhstall
«Rosartig», so der Name des Freilandrosen-Angebot, ist mittlerweile im Klettgau gut etabliert. Auch ein Blumengeschäft konnte sie mittlerweile als regelmässigen Kunden gewinnen. Dazu kommen immer wieder Anfragen für ganz Hochzeits- oder Trauergestecke.
Daher hat sich Susan Richli auch auf diesem Gebiet weitergebildet: Zwei Jahre lang besuchte sie berufsbegleitend einen Floristik-Kurs und lernte alles Grundlegende zum Blumen binden und stecken. Als Floristin darf sie zudem an die Blumenbörse, um Begleitflora für ihre Kreationen einzukaufen.
Der blühende Betriebszweig beschert Susan Richli im Sommerhalbjahr lange Arbeitstage, auch wenn sie drei Teilzeit-Mitarbeiterinnen auf dem Feld und in der Werkstatt unterstützen. Rund zwei Stunden braucht die Mutter von drei Kindern im Alter zwischen 19 und 24 Jahren nur schon jeden Morgen, um die Blumen zu schneiden. Sie werden vor Ort nach Länge sortiert.
Lange Arbeitstage
Regelmässig kontrolliert Susan Richli die Gewächse auf Schädlinge und Krankheiten. «Da muss man rasch handeln». Verarbeitet werden die Blumen in der Werkstatt im früheren Kuhstall. Dort braucht es nochmals zwei Stunden, bis alle entdornt und angeschnitten sind. Anschliessend kommen die Rosen in den Kühlraum, so halten sie länger. Nicht zuletzt füllt Susan Richli jeden Morgen, auch am Sonntag, die Selbst-bedienungskästen wieder auf.
Nach den Rosen sind die Reben an der Reihe, auch sie müssen gepflegt und geschnitten werden. Da Hans-Georg Richli einen Vollzeitjob am Flughafen Zürich hat, macht das unter der Woche seine Frau.
Susan Richli liebt die Arbeit draussen und mit den Rosen, auch wenn sie als junge Frau einen ganz anderen Lebensentwurf hatte. Aufgewachsen ist sie als eine von drei Schwestern in einem Block in Aarborn. Bauernhöfe kannte sie vom Landdienst. Nach der Schule entschied sie sich für eine Lehre als internationale Telefonistin. «Ich habe damals noch Auslandverbindungen gestöpselt.»
Fremde Sprachen und ferne Länder faszinierten sie und eigentlich wollte sie Reiseleiterin werden. Dann lernte sie im Ausgang mit einer ihre Schwester den Bauernsohn Hans-Georg kennen. «Jetzt führe ich halt Gruppen durchs Rosenfeld und über den Osterfinger Gartenpfad.»
Weitere Informationen:
www.rosartig.ch
Gartenpfad Osterfingen
Der 2005 eröffnete Gartenpfad ist ein Teilstück des «lebendigen» Museumspfades in Osterfingen. Zur Zeit sind 27 Bauerngärten am Gartenpfad beteiligt. Die Gärten liegen hauptsächlich entlang
der Dorfstrasse und sind speziell markiert und nummeriert. Ein Übersichtsplan gibt den Standort an.