Freudig und mit lautem Brüllen wird man auf dem Biohof Bruhst von den beiden Eseln Bobby und Bruno-Karl begrüsst. Adrian Iten-Marty wirft ihnen einige Äste in den Auslauf, an denen sie sofort genüsslich knabbern. «Die Eselhaltung ist insofern anspruchsvoll, als dass diese Tiere nur schon mit normalem Weidegras schnell zu fett werden», begründet Adrian Iten-Marty die doch ziemlich karge Kost der beiden Esel-Walachen.
Betriebszweig Eseltrekking
Bobby und Bruno-Karl sind auf dem Biohof Bruhst nicht nur Astmaterial-Verwerter, sie sind auch als Packtiere beim Eseltrekking im Einsatz, das Familie Iten-Marty anbietet. «Unsere Gäste sind mit den beiden selbständig unterwegs und meistens kommen auch alle wieder gemeinsam auf unseren Betrieb zurück», erklärt Adrian Iten-Marty mit einem Lächeln im Gesicht.
«Sind die Eselsführer allerdings zu fürsorglich und zu wenig konsequent, kann es aber auch einmal vorkommen, dass Bobby und Bruno-Karl ihrem Ruf betreffend Sturheit gerecht werden und nicht mehr weiterlaufen. Dann holen wir die Esel mit dem Viehtransporter ab», so der neue Präsident von Bio Zug.
Rindvieh standortgerecht
Agronom und Landwirt
Adrian Iten-Marty ist auf einem Landwirtschaftsbetrieb in Safenwil im Kanton Aargau aufgewachsen. Nach seinem Agronomie-Studium an der ETH Zürich war er von 2012 bis 2015 Leiter Markenprogramm bei Mutterkuh Schweiz. Darauf folgte ein vierjähriges Engagement bei Coop, wo er Projektleiter Tierwohl war. Seit drei Jahren arbeitet der bald 40-Jährige in einem Teilpensum bei der Wiesenschwein AG, wo er als Geschäftsführer für die Rekrutierung von neuen Betrieben und für die Vermarktung zuständig ist. Zusammen mit seiner Frau Laura Marty-Iten führt er seit 2019 den Biohof Bruhst in Oberägeri. Im März dieses Jahres wurde er als Nachfolger von Peter Waltenspül zum neuen Präsidenten von Bio Zug gewählt.
Genau dieses eigensinnige Verhalten sei es aber auch, das den Gästen in Erinnerung bleibe. Eseltrekking sei zwar ein kleiner Betriebszweig, führe aber zu vielen interessanten Begegnungen mit Menschen aus der ganzen Deutschschweiz. Dabei werde nicht selten über Nachhaltigkeitsthemen gesprochen.
Bei vielen Konsumenten bestehe heute viel Aufklärungsbedarf, da diese kaum mehr Berührungspunkte mit der Bauernsame hätten. Könne man ihnen aber vor Ort aufzeigen, dass beispielsweise auf Bergbetrieben wie dem Biohof Bruhst der Ackerbau nur sehr eingeschränkt möglich und die Rindviehhaltung standortgerecht sei, komme auch bei kritischen Gästen viel Verständnis auf.
Austausch mit Konsumenten
«Es ist mir als Bio-Zug-Präsident ein Anliegen, dass wir mit den Konsumenten in einem konstruktiven Austausch sind. Wir regionalen Bio-Organisationen sind nahe beim Kunden. An Events wie der Zuger Messe oder am Bio-Markt ‹O sole Bio› können wir von Bio Zug wichtiges Basis-Marketing für den Biolandbau machen», so Adrian Iten-Marty.
Vor allem in der Ausser-Haus-Verpflegung sieht er für den Bioabsatz noch viel Potenzial. «Während der Covid-Pandemie, als sich die Menschen vermehrt zu Hause verpflegten, stieg der Absatz von Bio-Produkten sprunghaft an. Heute haben die Menschen vielfach keine Möglichkeit, sich über den Mittag mit Bio-Lebensmitteln zu verpflegen, da schlicht kein Angebot besteht.» Insbesondere in öffentlichen Verpflegungsangeboten wie Kantinen, Schulen und Kitas gäbe es Möglichkeiten. «Gerade der finanzstarke Kanton Zug sollte mit gutem Beispiel vorangehen und in seinen eigenen Verpflegungsangeboten auf eine nachhaltige Ernährung setzen», betont Adrian Iten-Marty.
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Geteilte Betriebsführung
Auf ihrem eigenen Betrieb versuchen Laura Marty-Iten und Adrian Iten-Marty, möglichst ressourcenschonend zu wirtschaften. Die beiden ausgebildeten ETH-Agronomen, die beide auch ausserbetrieblichen Tätigkeiten nachgehen, teilen sich die Betriebsleitung. Neben etwas Bergackerbau ist auf dem 18 Hektar grossen Bergbetrieb die Ammenkuhhaltung der Hauptbetriebszweig. «Wir setzen auf diese Produktionsform, weil die Ressourceneffizienz besser ist als bei der normalen Mutterkuhhaltung. Auch eine Mutterkuh produziert rund 4000 Liter Milch. Damit können gut zwei bis drei Kälber versorgt werden.»
Zuchtziel kleine Kühe
Die rund zwölf Kühe der Rassen Original Braunvieh und Grauvieh kalben saisonal von Februar bis Mai ab. Über die Sommermonate läuft ein Angus-Muni in der Herde mit. «Wir kaufen meist einen gut einjährigen Stier. Da wir kleine Kühe haben, können diese auch von einem jungen Stier gesprungen werden.»
Im Herbst sei der Stier dann fast ausgewachsen und könne so gut weiterverkauft werden. Um sicher zu sein, dass der Stier auch zuchtfähig ist, wird bei den ersten gedeckten Kühen eine Trächtigkeitskontrolle über die Milch gemacht.
Ohne Kraftfutter füttern
Diejenigen Kälber, die ausreichend gedeckt sind, rund ein Drittel, werden in den Natura-Veal-Kanal vermarktet, die restlichen als Mastremonten für die Bio-Weidebeef-Produktion. «Der Erlös für die Natura-Veal ist deutlich höher als für die Mastremonten» so Adrian Iten-Marty. Dennoch sei für sie wichtig, ihr Vieh ohne Kraftfutter zu füttern. Dank tieferen Kosten stimmt das Finanzielle so ebenfalls. Während der Vegetationszeit wird fast ausschliesslich geweidet.
Auch an diesem nassen Vorsommertag ist die Herde auf der Weide. Trotz grosser Bodenfeuchte sind die Trittschäden überschaubar. «Wir machen erste Versuche mit dem Mob-Grazing-System. Die Herde ist nur eine kurze Zeit auf einer kleinflächigen Weideparzelle. In dieser Zeit sollte möglichst der ganze Bewuchs gefressen oder niedergetrampelt sein», erklärt Adrian Iten-Marty auf der Weide. Das System sei schon gewöhnungsbedürftig. Da die Tiere aber immer ein sehr grosses Futterangebot hätten, würden sie auf der Weide sofort mit Fressen beginnen und sich danach ruhig verhalten oder über das Einwegtor in den Stall zurückkehren.
«Entsprechend gering sind die Trittschäden», so der innovative Biobauer. Dazu komme der positive Einfluss auf den Bodenaufbau und die Wurzelmasse, was dann auch bei Trockenheitsphasen wieder Vorteile bringe.
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Wichtige Familienauszeiten
Die Ruhe des Viehs auf der Weide ist eindrücklich. «Das ist das drei Monate alte Jungtier Tequila, sie zeigt trotz ausgeprägter Bemuskelung die von uns gewünschten Fettansätze», erklärt der bald 40-Jährige beim Gang durch die Herde. «Dieses Jahr setzte unsere Familie bei der Namensfindung der Kälber auf alkoholische Getränke, da der letztjährig Muni Hendrick hiess, also gleich wie die bekannte Gin-Marke.»
Kuh und Kälber sind sich an den Umgang mit Menschen gewöhnt, denn die ganze Bauernfamilie verbringt Zeit im Stall. Für ihre beiden Kinder Sira und Diego sei der Hof mit all den Tieren natürlich ein grosser Kinderspielplatz. «Aber auch Laura und ich geniessen unsere privilegierte Lebenssituation. Wir nehmen uns bewusst auch kleine Auszeiten, sei es, um gemeinsam als Familie an den Ägerisee zu gehen, oder einfach, um zu Hause gemeinsam einen Kaffee zu trinken.» Bald wird die junge Familie noch Zuwachs bekommen: Im August erwarten Laura Marty-Iten und Adrian Iten-Marty ihr drittes Kind.
Fünf Fragen
Welches Ihrer Talente kennt man nicht?
Einradhockey.
In welcher olympischen Disziplin hätten Sie am ehesten Medaillen-Chancen?
Da der Einradsport nicht olympisch ist, wohl etwas mit Hockey oder in einem Mitteldistanzrennen.
Wen würden Sie zu einer vierköpfigen Diskussionsrunde einladen?
Robert Finger, Markus Ritter, Kathrin Bertschy und Alex von Hettlingen.
Welche Region möchten Sie unbedingt noch bereisen?
Skandinavien.
Welchen Posten würden Sie keinesfalls übernehmen?
Sag niemals nie.