Die Reform zur AHV 21 beinhaltet:

  • die Erhöhung des Rentenalters für Frauen auf 65
  • einen Rentenzuschlag für Frauen der Jahrgänge 1961 bis 1969
  • eine Flexibilisierung des Rentenalters
  • eine Zusatzfinanzierung durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer
  • eine Verkürzung der Karenzfrist für Hilflosenentschädigung.

Am meisten zu diskutieren gab in den vergangenen Wochen die Erhöhung des Rentenalters für Frauen von 64 auf 65 Jahre. Wird die Vorlage angenommen, beginnt die schrittweise Erhöhung des Rentenalters beziehungsweise des Referenzalters (wie es neu heisst) ein Jahr nach Inkrafttreten der Reform:

  • die Jahrgänge 1961 müssen drei Monate länger arbeiten,
  • jene mit Geburtsjahr 1962 ein halbes Jahr länger,
  • für die 1963er macht es ein Dreivierteljahr,
  • und die 1964er sind der erste Jahrgang, der gleichzeitig mit 65 Jahren wie die Männer in Rente geht.

Abgestufter Rentenzuschlag zwischen 12,50 und 160 Franken

Damit die Frauen nicht auf die Barrikaden gehen, sah das Parlament ein «Zückerli» vor. So erhalten Frauen, die bei Inkrafttreten der Reform 55 Jahre oder älter sind, einen lebenslangen Rentenzuschlag. Dieser Zuschlag ist nach Jahrgang abgestuft und beträgt monatlich zwischen 12.50 und 160 Franken.

Es ist gut zu wissen, dass der Rentenzuschlag für Frauen der Übergangsgeneration keine Kürzungen bei den Ergänzungsleistungen zur Folge hat.

Die Berechnungen für Alleinstehende sind leicht nachzuvollziehen. Ausschlaggebend ist das Jahreseinkommen, das sich aus der AHV und Vorsorgegeldern sowie weiteren Einkünften oder Ersparnissen zusammensetzt.

  • Ist dieses Jahreseinkommen tiefer als oder gleich hoch wie der Betrag der vierfachen minimalen jährlichen Altersrente, beträgt der Grundzuschlag 160 Franken (Zahlen 2022, 57 3601 Franken minimale Altersrente).
  • Wenn das Jahreseinkommen zwischen der vierfachen und fünffachen Altersrente ist, beträgt der Grundzuschlag 100 Franken
  • Einkommen über der fünffachen Jahresrente erhalten die Frauen noch 50 Franken.

Der Grundzuschlag wird nach Jahrgang abgestuft. Der erste Jahrgang, 1961, erhält 25 Prozent des Grundzuschlags. Dann steigt der Anteil jeweils um 25 Prozent. Die Jahrgänge 1964 und 1965 bekommen dann den vollen 100-prozentigen Zuschlag. Dann geht es wieder abwärts. Der Jahrgang 1969 bekommt noch 25 Prozent des Grundzuschlags – also zwischen 12.50 und 40 Franken.

Bei Ehepaaren wird es komplizierter: Wenn der Ehemann früher als die Ehefrau in Rente geht, erhält er die volle ihm zustehende Altersrente. Wird die Ehefrau pensioniert, wird das Altersguthaben, das die Ehegatten während der gemeinsamen Ehe erzielt haben, geteilt (gesplittet) und je zur Hälfte beiden angerechnet. Auf ihre Hälfte erhält die Ehefrau den Rentenzuschlag.

Flexibilisierung des Rentenalters: Teil beziehen, Rest später

Eine Chance bedeutet die Flexibilisierung des Rentenalters. Heute können Männer und Frauen ihre AHV-Rente um maximal zwei Jahre vorbeziehen. Auch darf man nach der Pensionierung noch weiterarbeiten und AHV einzahlen. Die Beiträge führen aber nicht zu einer höheren Altersrente.

Bei Annahme der Reform wird es möglich sein, zuerst nur einen Teil der Rente (20 bis 80 Prozent) zu beziehen und den Rest aufzuschieben (Teilrentenaufschub). Innerhalb des Freibetrags (Fr. 1400/Monat beziehungsweise Fr. 16'800/Jahr) sind Rentner von der AHV-Beitragspflicht befreit. Das ist auch heute so. Aber im Gegensatz zu heute werden die AHV-Beiträge auch nach 65 rentenwirksam. «In der Flexibilisierung sehe ich für Bauernfamilien eine grosse Chance», sagt Hanspeter Flückiger von der Agrisano.

«Das flexible Rentenalter ist eine Chance.»

Hanspeter Flückiger, Geschäftsleitungsmitglied, Agrisano-Stiftung

Beispielsweise wenn die Eltern über 65 hinaus auf dem Betrieb mitarbeiten und dem Hofnachfolger zur Hand gehen. Die Eltern können ihre Rente aufbessern und eventuelle Beitragslücken kompensieren.

Ein Vorbezug hat immer Rentenkürzungen zur Folge, das ist auch mit der Rentenreform nicht anders. Aber für die Frauen der Übergangsgeneration (Jahrgänge 1961 bis 1969) sind die Kürzungssätze tiefer, und die Übergangsgeneration kann mit der Reform bereits ab 62 Jahren in Rente gehen.

Alterslimite bei den Direktzahlungen bleibt

Bis 70 arbeiten und AHV einzahlen wäre auch eine Lösung für Betriebsleiter, die keinen Nachfolger haben. Allerdings gibt es ab 65 Jahren, ob pensioniert oder nicht, keine Direktzahlungen mehr.

Die rechtlichen Grundlagen dazu im Landwirtschaftsgesetz geben dem Bundesrat die Kompetenz, eine Altersgrenze für den Bezug von Direktzahlungen für Ganzjahresbetriebe festzulegen (Artikel 70a Abs. 1 Bst. g LwG). Im Beitragsjahr, in dem der Bewirtschafter oder die Bewirtschafterin des Betriebs 65 wird, gibt es noch Direktzahlungen, aber ab dem Folgejahr dann nicht mehr.

«Die Altersgrenze ist nicht an den Eintritt in die AHV oder in die Pensionierung geknüpft. Daher wird auch die AHV-Abstimmung vorderhand an der aktuell eindeutigen Formulierung in der Direktzahlungsverordnung (DZV) nichts ändern», sagt Jonathan Fisch vom Bundesamt für Landwirtschaft.

«Bei den Direktzahlungen bleibt die Limite bei 65.»

Jonathan Fisch, Bundesamt für Landwirtschaft

Karenzfrist Hilflosenentschädigung wird halbiert

Die AHV richtet zusätzlich eine Hilflosenentschädigung für Personen im Rentenalter aus. Beansprucht kann diese werden, wenn jemand für alltägliche Lebensverrichtungen wie Ankleiden, Körperpflege oder Mahlzeiten dauernd auf die Hilfe Dritter angewiesen ist.

Die Karenzfrist zur Beanspruchung der Hilflosenentschädigung wird durch die Reform von einem Jahr auf ein halbes Jahr verkürzt. Auch das kann bei Annahme der Reform eine Chance für Bäuerinnen sein, denn sie übernehmen oft Betreuungsleistungen für Eltern beziehungsweise Schwiegereltern, die noch auf dem Hof leben.

Das Haar in der Suppe

Abo AHV-Reform: Pro und Kontra Gleichstellung auf dem Buckel der Frauen? Monday, 12. September 2022 Man sieht, die Reform hat durchaus Vorteile, insbesondere für die Frauen der Übergangsgeneration. Sie können durch den Rentenzuschlag ihr Alterseinkommen etwas aufbessern, auch wenn sie dafür länger arbeiten müssen.

Dennoch glücklich mit der Vorlage sind auch viele Frauen der Übergangsgeneration nicht. So kam in Rekordzeit ein Referendum mit über 314 000 Unterschriften zustande. Was passt den Frauen nicht, die das Referendum unterschrieben haben?

Es ist nicht nur die Erhöhung des Rentenalters, das die Frauen spaltet, sondern auch das zweite Paket mit der Finanzierung über die Mehrwertsteuer. Der normale Mehrwertsteuersatz liegt heute bei 7,7 Prozent, dieser wird bei Annahme der Vorlage um 0,4 auf 8,1 Prozent angehoben. Auch der reduzierte Satz beispielsweise für Nahrungsmittel und Medikamente wird von 2,5 auf 2,6 Prozent erhöht. Das Referendumskomitee warnt vor der Teuerung, die durch die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes noch angeheizt würde.

Neue Lösungen gesucht

Laut den linken Parteien sollen die Nationalbankgewinne für die AHV-Finanzierung herhalten. Diesbezüglich hat die SP eine Volksinitiative lanciert. Die sogenannte SNB-Initiative will, dass ein Teil der Nationalbankgewinne an die AHV geht. Die Finanzierung der AHV stösst auch bei konservativen Politikern auf Skepsis. So verlangte Mitte-Ständerat Beat Rieder, dass der Bundesrat in einem Bericht aufzeigt, wie eine Finanzmarkttransaktionssteuer in der Schweiz aufgebaut sein müsste, um die AHV mittel- und langfristig zu finanzieren.

Nächste Abbauschritte

Auch schreibt das Referendumskomitee, dass ein Jahr vor dem aktuell geltenden Rentenalter nur noch die Hälfte der Männer und Frauen erwerbstätig seien. Die Erhöhung des Rentenalters werde also mehr Personen in die Langzeitarbeitslosigkeit oder in die Sozialhilfe treiben. Und es warnt davor, dass bei einem Ja schon 2026 der nächste AHV-Abbauschritt folgen würde. Dann sei die Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre programmiert.

Wie das Abstimmungsergebnis auch ausfallen wird, das Thema Altersvorsorge ist damit noch lange nicht vom Tisch. Beraten wird anschliessend im Parlament die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG 21). Vorgesehen ist, dass der Umwandlungssatz gesenkt wird, aber Teilzeitbeschäftigte einen besseren Versicherungsschutz erhalten.

Auch zwei Volksinitiativen beschäftigen sich mit der Vorsorge. Die Renteninitiative der Jungfreisinnigen verlangt die Erhöhung des Rentenalters von Männern und Frauen auf 66 Jahre, anschliessend soll das Rentenalter mit der Lebens-erwartung weiter steigen.

Eine weitere Initiative will eine 13. AHV-Rente einführen, sodass alle Rentnerinnen und Rentner Anspruch auf eine 13. Rente haben sollen. Sie wurde vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund Ende Mai 2021 eingereicht.

Der Bundesrat lehnt beide Volksinitiativen ab. Die Initiative für eine 13. AHV-Rente (22.043) diskutiert im Oktober (und eventuell im November) nochmals die Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit Nationalrat.

Halbherzigkeit gilt nicht bei dieser Reform
Entweder ist Mann/Frau dafür, dann heisst es zweimal ja stimmen: Einerseits zur Erhöhung der Mehrwertsteuer für die Finanzierung der AHV und andererseits für den AHV-Gesetzesentwurf, in welchem das Rentenalter der Frauen auf 65 angehoben wird. Beide Vorlagen müssen eine Ja-Mehrheit finden bei den Stimmbürgern, aber auch bei den Kantonen. Der Schweizer Bauernverband bekennt Farbe und hat die Ja-Parole zur Rentenreform herausgegeben. Anders der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband, der Stimmfreigabe beschlossen hat.

Meistens stehen die Kleinbauernvereinigung und die Uniterre in Opposition zum Bauernverband. Zu dieser Abstimmung fehlt es aber an einer klaren Position. Nachgefragt zur Parolenfassung zur AHV-Vorlage heisst es bei beiden Organisationen, dass sie keine Parolen herausgeben. Bei der Renteninitiative (22.054) ist der Ständerat Erstrat. Falls möglich wird die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats im vierten Quartal die Beratungen aufnehmen.