Abo Beratungsangebote für überlastete Bauernfamilien Es braucht branchenspezifische Beratungsangebote für die Burnout-Prävention Monday, 14. August 2023 Der Rücken schmerzt? Darüber zu sprechen, fällt kaum jemanden in der Landwirtschaft schwer. «Doch meist arbeitet man dennoch weiter», weiss Doris Brönnimann, Coach, Mediatorin und Bäuerin in Köniz BE. «Denn Schwächen gibt man in der Landwirtschaft ungern zu.»

Das gilt besonders für psychische Erkrankungen oder Krisen. Man gibt Stärke vor, obwohl man sich miserabel fühlt. Das gilt für Bauern wie für Bäuerinnen. So ist es etwa eine sensible und fordernde Phase für alle Beteiligten, wenn eine junge Frau frisch auf einen Hof kommt.

Den Platz finden

«Sie muss ihren Platz auf dem Hof erst finden und einnehmen», weiss Doris Brönnimann. «Die Frauen möchten das neue Zuhause gestalten und mit dem Partner Neues entwickeln.» Denn sie hat das eigene soziale System verlassen und wünscht sich, am neuen Ort dazu zu gehören.[IMG 2]

Auch die ältere Generation muss sich erst an die Situation gewöhnen. Und dann ist da noch der Hofnachfolger, der sich oft zwischen Eltern und Partnerin wie «im Sandwich» fühlt. «Seine Aufgabe ist es, sich von den Eltern zu lösen und sich der Partnerin zuzuwenden.»

Gespräche einplanen

Sie empfiehlt Paaren daher, regelmässig Paargespräche einzuplanen. Dabei sollen beide ihre Bedürfnisse ansprechen. Die Verbundenheit als Paar und das Vertrauen ineinander kann so wieder wachsen und beiden wird klar, was sie brauchen.

Doris Brönnimann empfiehlt zudem, sich auch immer wieder alleine mit den eigenen Bedürfnissen zu beschäftigen. Das heisst unter anderem, sich klar werden darüber: Was für eine Bäuerin, was für ein Bauer will ich sein? «Wir dürfen wählen und unsere eigene Identität leben.»

Und wenn alles zu viel wird? «Man beisst sich durch, das ist ein Tenor, den es häufig gibt.» Dauert das «Durchbeissen» zu lange, fühlt man sich plötzlich ausgeliefert und hilflos. «Man vergisst, dass man immer mindestens drei Möglichkeiten hat, etwas zu verändern, wenn man bereit ist, die Konsequenzen zu tragen.»

Sich um sich selbst kümmern

Wichtig ist daher, sich selbst um das eigene Wohlbefinden zu kümmern. Sich zu fragen: Was gibt mir Kraft, wie kann ich mich erholen, welche Bedürfnisse könnte ich mir erfüllen? Wo kann ich Unterstützung holen? Hilfreich kann es sein, mit jemandem über die eigene Situation zu reden. Zum Beispiel mit dem Partner, der Partnerin und Freunden.

Oder man ruft beim bäuerlichen Sorgentelefon an. «Häufig hilft es schon, wenn jemand empathisch zuhört, ohne gleich eine Lösung zu liefern.» Auch Sport treiben und Freundschaften pflegen kann entlastend wirken. «Oft sind es kleine Schritte, die einem dabei helfen, aus dem Gefühl der Machtlosigkeit zu kommen und sich wieder ‹machtvoll› zu fühlen.»

Hilfe annehmen

Doch manchmal braucht es den Mut, sich einzugestehen, «ich schaffe es nicht allein». Professionelle Hilfe anzunehmen, ist keine Schwäche, sondern eine Stärke. In einer Beratung hat man die Chance, eigene Bedürfnisse zu erkennen, neue Sichtweisen zu entwickeln oder andere Verhaltensweisen auszuprobieren.

«Auf dem Hof geht gar nichts, wenn es den Menschen nicht gut geht. Sie sind das Wichtigste», weiss Doris Brönnimann. Daher lohne es sich, auch in das Wohlbefinden der Menschen zu investieren, nicht nur in Maschinen. «Es sind die Beziehungen, die tragen.» In Krisen sollte man sich daher nicht zu lange allein durchbeissen. «Sich eine Beratung oder eine Therapie zu gönnen, ist oft eine Abkürzung, um das Leben wieder geniessen zu können.»

Weitere Informationenwww.doris-broennimann.ch