«Ich will auf Augenhöhe mit meinem Mann Lukas sein. Aus diesem Grund habe ich die Ausbildung Bäuerin mit Fachausweis (FA) gemacht.» Fabienne Graf aus Buus im Baselbiet hat klare Vorstellung von ihrem Leben. Das Ziel des Paares ist es, irgendwann einmal gemeinsam einen Betrieb führen zu können. Aber nicht nur. Gefragt, wo sie sich in zehn Jahren sehe, überlegt die Bäuerin, die zudem das Masterstudium in Geowissenschaften an der Uni Basel abgeschlossen hat, eine Weile.

Ihr Blick wandert zum Fenster der Wohnung raus, die mitten im Dorf Buus, liegt. Dann erklärt sie, dass sie gerne einen Betrieb mit vielen Tieren und eine Familie hätte. Daneben möchte sie aber auch noch auswärts arbeiten können und ganz wichtig: «Ich möchte Spass bei allem haben, möchte mich selbst sein können und mir mit meiner Einstellung und Lebensphilosophie immer treu bleiben.»

 

«Ich will auf Augenhöhe mit Lukas sein

Fabienne Graf zum Grund, warum sie den Fachausweis Bäuerin gemacht hat.

Thema der Abschlussarbeit

Mit dieser Einstellung verwundert es nicht, dass Fabienne Grafs Thema bei der Abschlussarbeit im vergangenen Jahr «Work-Life-Haushalt-Balance» lautete. Sie beleuchtete darin, wie es gelingen kann, die Mitarbeit auf dem Hof, aber auch mit ausserhäuslicher Arbeit unter einen Hut zu kriegen. Sie ist sehr froh, dass sie für die Arbeit einen Referenzbetrieb gefunden hat, dessen Familie eine ähnliche Einstellung hat wie sie und ihr Mann. «Ich habe keinen Garten und kein Haus und wollte über etwas schreiben, das mich auch jetzt beschäftigt, nämlich alles unter einen Hut zu bringen», erklärt sie.

Prüfung folgt auf Prüfung

Und genau das war im Vorfeld der Prüfungen eine grosse Herausforderung. Denn parallel zum Schreiben der Arbeit bildete sich Fabienne Graf zur Bodenkundlichen Baubegleiterin weiter, erzählt sie, und die Erinnerungen an die lebhafte Zeit sprudeln ebenso lebhaft aus ihr heraus. Nur gerade drei Tage nach der Prüfung zur Bäuerin FA trat sie vergangenen Oktober zur anderen Prüfung an. Bestanden hat sie beides mit Bravour. Mit der Note 5,8 schloss sie die Bäuerinnenausbildung als Beste ab.[IMG 3]

«Ich weiss nicht, wie ich alles auf eine Reihe gekriegt habe», betont sie. Geholfen habe ihr sicher, dass sie etwas vom Perfektionismus weggekommen sei und sich gewohnt ist, kurze und knackige Berichte zu schreiben. «Aber heute würde ich das so nicht mehr machen», meint die 30-Jährige und lacht dabei. Gefragt, was sie neben dem Zeitmanagement sonst noch an die Grenze gebracht habe, kommt ihr, auch nach einigem Überlegen, nichts in den Sinn.

Schlusslesung weggelassen

Dass sie als Beste abschneiden würde, hätte sich Fabienne Graf in den kühnsten Träumen nicht vorstellen können. «Zum Schluss konnte ich die Arbeit nicht mehr sehen und schickte sie ohne Schlusslesung ab», verrät sie. Zudem stellte sie darin eine moderne Bäuerin dar und wusste nicht, wie das bei den Expertinnen ankommen würde. Für die Familie des Referenzbetriebes rechnete sie einen Staubsaugerroboter. Die Präsentation habe sie mit einem Bild aufgelockert, das eine Katze auf einem solchen Roboter sitzend zeigte. Als Fabienne Graf zwei etwas ältere Expertinnen zum Fachgespräch reinkommen sah, rutschte ihr Herz in die Hose. «Ich dachte, Mist, werden die meinen Humor verstehen?» Sie liess sich nicht beirren und zog ihre Präsentation wie geplant durch, während die Expertinnen keine Miene verzogen, erinnert sie sich. Später erkannte sie: «Es ist saugut gelaufen.»

Bügeln mag sie nicht

Nicht ganz so gut lief es ihr bei der praktischen Prüfung im Modul Reinigungstechnik und Textilpflege. Da mussten die Kandidatinnen Zettel mit Aufgaben ziehen. «Und was zieht Fabienne? Natürlich Bügeln», erzählt sie heiter. Und wie sie das sagt, merkt sie: «Ich habe doch noch eine Grenze gefunden, nämlich Bügeln. Ich besitze nicht einmal ein Bügeleisen.» Zudem habe sie krankheitshalber gefehlt, als das Bügeln geübt worden sei.[IMG 2]

Der Abschluss Bäuerin mit Fachausweis werde ihr in Zukunft bei vielem nützlich sein, ist sie sich sicher. «Ja, ich bin stolz, aber Lukas noch fast mehr», verrät sie mit einem Seitenblick auf ihren Mann. Lukas Graf freut sich über den Erfolg seiner Frau. Doch es erzeuge auch einen gewissen Druck, da er sich gerade auf die Prüfung zum Meisterlandwirt vorbereite, gesteht er, bevor er sich zu seinem Schulmaterial zurückzieht.

Nicht nur am Herd stehen

Fabienne Graf erachtet die Bäuerinnenausbildung als gute Sache. Zu Beginn sah das etwas anders aus. Gestartet sei die Ausbildung mit Putzen und Produkteverarbeitung. Da sei ihr schon die Kinnlade heruntergefallen. Sie habe sich gesagt, «Hey, wir sind nicht mehr hinter dem Mond und stehen als Frau nur hinter dem Herd.» Sie fragte sich da, ob gewisse Punkte nicht modernisiert werden sollten. Rückblickend findet sie auch das gut. Denn noch heute arbeite sie mit einer Einkaufsliste und mit einem Mise-en-place, bevor sie mit Kochen beginne. Sehr gefallen haben ihr auch das Gartenmodul und die Buchhaltung, auch wenn letzteres etwas trockene Materie sei. Da dieses Thema komplett neu war für sie, musste sie sich «richtig hineinknien». Aber sie habe dabei sehr viel mitgenommen. «Lernen macht mir Spass und es fällt mir leicht», reflektiert sie sich selbst.

Gute Lebensschule

Das Schwierigste sei gewesen, zwischen der Arbeit als Geowissenschaftlerin und dem einen Schultag pro Woche hin und her zu switchen. Denn während dem Schultag sei ihre Arbeit im Geschäft liegengeblieben. Nebst dem Erlernten sind Fabienne Graf tolle Freundschaften geblieben. «Es war eine gute Lebensschule und ermöglicht mir einen guten Austausch mit meinem Mann auch auf dem fachlichen Gebiet», resümiert sie.