Abo Ehe für alle Bauernsohn liebt Bauernsohn: «Wir sind schwul und das ist ganz normal» Friday, 17. September 2021 «Bauernsohn liebt Bauernsohn» – Dieser Titel in der BauernZeitung sorgte im September 2021 für einiges Aufsehen. Damals lernten wir Sebastian Bütler (27) und Christof Rigert (35) kennen, die sich auf diesem Weg für ein Ja bei der Abstimmung über die «Ehe für alle» einsetzten. 

Beide Männer sind auf einem Bauernhof in der Zentralschweiz aufgewachsen. Sie planten eine Hochzeit und die Übernahme von Sebastian Bütlers elterlichem Betrieb mit 16 Kühen, die Milch für die ZMP produzieren, und 15 Hektaren Ackerbau. Was ist daraus geworden? 

Vater pendelt zu den Kühen

Drei Jahre später leben die beiden nicht mehr in einer Hochhauswohnung in der Suurstoffi in Rotkreuz ZG. Ein Schild mit den beiden Familienwappen Rigert und Bütler empfängt Besucher bei der Eingangstür des Bauernhauses in Hünenberg ZG. «Im Dezember sind wir hierher umgezogen», erzählt Sebastian Bütler beim Kaffee in der lauschigen Gartenlaube. «Meine Eltern sind nach Cham gezügelt. Seither pendelt mein Vater zu seinen Kühen.» 

«Eine Übernahme war zu kompliziert.»

Weil sie keine Ausbildung haben, verzichten sie darauf, aktiv zu bauern.

Bis Ende Jahr bewirtschaftet Matthias Bütler den Hof noch, danach geht er in Pension. Sebastian Bütler und Christof Rigert kaufen Haus und Hof mit den Mietwohnungen zum Verkehrswert, werden den Betrieb aber nicht mehr aktiv bewirtschaften. Das Land wird an benachbarte Bauern verpachtet. «Wir haben gemerkt, dass eine Hofübernahme zu kompliziert ist, weil wir beide noch keine landwirtschaftliche Ausbildung haben.»

Auf den Berufen bleiben

Abo Gleichgeschlechtliche Paare dürfen in der Schweiz ab dem 1. Juli 2022 richtig heiraten. In der Landwirtschaft spricht man eher selten über Höfe von Lesben, Schwulen oder Transmenschen, aber es gibt sie. Lesbisch und trans lebende Menschen in der Landwirtschaft «Gibt es in der Schweiz überhaupt queere Bauernhöfe?» Saturday, 11. December 2021 Dazu erreiche man mit 16 Kühen und zehn Hektaren eigenem Land auch die Standardarbeitskraft (SAK) nicht ganz. «Einfach so irgendwie neben unseren eigentlichen Jobs zu bauern, damit wir Direktzahlungen bekämen, hat sich für mich nicht richtig angefühlt», bilanziert Sebastian Bütler. Deshalb haben sie sich entschieden, beide weiterhin in ihren Berufen zu bleiben. Bütler ist Gärtner und bei einem privaten Anwesen angestellt, Christof Rigert ist Sales Manager International bei der Zentralbahn und deshalb beruflich viel im Ausland. 

Garten neu angelegt

Ist dies der Fall, hadert Sebastian Bütler nicht mit dem Alleinsein, sondern widmet sich seinen Interessen. «Im Garten hat sich einiges getan», sagt er und lacht. «Ich arbeite ja beruflich in einem englisch angelegten Park und genau das gefällt mir auch, diese Mischung aus strukturiert und romantisch, wie man sie von den englischen ‹Cottage-Gärten› kennt.»

Angelegt hat Sebastian Bütler den Garten auch für die eigene Hochzeit. Am 28. Juni haben die beiden standesamtlich geheiratet, am 29. Juni folgte das grosse Hochzeitsfest mit freier Trauung auf dem Hof und anschliessender Kutschfahrt zur bis dahin geheim gehaltenen Abend-Location, wo eine rauschende Party stieg. 

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«Die Überzeugung, dass Sebastian mein Partner fürs Leben ist, hat sich noch verstärkt.»

Christof Rigert über die vergangenen gemeinsamen Jahre. 

Seit acht Jahren sind die beiden nun ein Paar. Kennengelernt haben sie sich damals auf einer Datingplattform. Kurz vor dem bereits geplanten Treffen liefen sie sich im Ausgang über den Weg. Bedenken, dass Sebastian mit damals 19 zu jung für ihn wäre, waren bei Christof Rigert rasch verflogen. Ihn beeindruckte dessen Reife und dass sie mit den gleichen Werten aufgewachsen waren, verband sie noch enger.

Abo Die Landwirtschaft ist genauso regenbogenbunt wie die übrige Gesellschaft. (Bild Pixabay) Menschen Diskriminierung: Welche Erfahrungen machen Schwule, Lesben und Transgender in der Landwirtschaft? Thursday, 6. February 2020 «Die Überzeugung, dass Sebastian mein Partner fürs Leben ist, hat sich in den letzten Jahren noch verstärkt», sagt er und lächelt seinen Ehemann an. 

Eigene Kinder sind kein Thema

«Ja. Und da eigene Kinder für uns kein Thema sind, ist unser gemeinsames Projekt mit dem Hofkauf unser Baby», ergänzt Sebastian Bütler. «Meinem Vater war es wichtig, dass der Hof in der Familie bleibt, ob wir aktiv bauern, spielt für ihn keine Rolle. Christof und ich sind die fünfte Generation hier.» Dieser fügt an: «Wir wollen hier einen Begegnungsort für unsere Familien und Freunde schaffen. Ich bin schon Götti und Sebastian wird bald Onkel. Dann können die Kinder bei uns auf dem Hof Ferien machen.» 

Negative Reaktionen darauf, dass sie zwei Männer sind, die sich lieben, haben die beiden nie erhalten. Für Sebastian Bütler gestaltete sich das Outing in der Jugend unkompliziert, Christof Rigert brauchte etwas mehr Zeit, doch seither hat auch er den vollen Rückhalt von Familie und Freunden. Die Hochzeit krönt nun das gemeinsame Glück.

«Christof hat immer gesagt, dass er bezüglich Antrag keine traditionellen Vorstellungen hat. So kann man sich täuschen.»

Sebastian Bütler machten den Antrag erst im Stehen und ohne Ring, doch damit stiess er auf Widerstand.

Willisauer Ringli umfunktioniert

Wer hat eigentlich den Antrag gemacht? Die beiden grinsen sich an bei dieser Frage. Vor drei Jahren sagte Sebastian Bütler zur BauernZeitung: «Ich bin da schon traditionell und wünsche mir ein Verlobungsfest. Und Christof ist schliesslich der Ältere.»

Der Antrag kam dann doch von Sebastian. Sie waren schön auswärts essen, beide im Anzug. «Christof hat immer gesagt, er habe keine traditionellen Vorstellungen.» Also machte Sebastian den Antrag im Stehen: «Aber Christof meinte, das gehe nicht und überhaupt hätte ich keinen Ring. So kann man sich also täuschen.»

Sebastian lacht und erzählt weiter: «Ich habe dann das Willisauer Ringli vom Dessert als Ring umfunktioniert und bin später doch noch hingekniet. Dann sagte er doch Ja.» Christof Rigert schmunzelt: «Ich dachte, der arme Tropf in seiner schönen Anzughose auf dem feuchten Asphalt, es hat geregnet.»

Weil Liebe nun mal Liebe ist
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Kommentar von Jeanne Göllner

Eigentlich sollte es in der heutigen Zeit diesen Kommentar gar nicht mehr brauchen, aber ich schreibe ihn trotzdem, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass er manchmal leider doch nötig ist. «Wir sind schwul und das ist ganz normal»: Dieses Zitat hatten wir im September 2021 gross in der BauernZeitung. Wir stellten die beiden Bauernsöhne Sebastian Bütler und Christof Rigert vor, ein glückliches Männer-Paar, das sich damals für ein Ja bei der Abstimmung für die «Ehe für alle» einsetzte. Auf den Artikel kamen fast ausschliesslich gute, aber leider auch ein paar unschöne Reaktionen. Kurz darauf gab das Schweizer Stimmvolk Schwulen und Lesben die Möglichkeit, «richtig» zu heiraten und nicht nur die Partnerschaft eintragen zu lassen. Ende Juni haben Sebastian Bütler und Christof Rigert Ja gesagt.

Die beiden hätten bisher glücklicherweise keine negativen Erfahrungen mit ihren Mitmenschen gemacht, sagen sie. In der Tat hat sich in den letzten Jahren viel Gutes für die LGBT-Gemeinschaft in der Schweiz getan, aber eben nicht nur. So mussten kürzlich im Vorfeld der Zürcher Pride zwei Teenager wegen ernsthafter Drohungen gegen das Regenbogen-Fest verhaftet und die Sicherheitsvorkehrungen hochgefahren werden.

Liebe ist Liebe – und ich wünsche allen queeren Menschen in der Schweiz ein tolerantes Umfeld, das sie akzeptiert, wie sie sind. Auch in der Landwirtschaft. j.goellner@bauernzeitung.ch