Die Landwirtschaft ist exotisch – so zumindest scheint sie auf manche Bewohnerinnen und Bewohner im Grossraum Zürich zu wirken. Nachstehend erzählen vier Agglomerations-Bäuerinnen von realen Begegnungen.
Die vier Bäuerinnen gehören zu einer Gruppe, die sich in lockeren Abständen zu einem Kaffee trifft. Diese Form des Austausches ist ihnen wichtig. Denn wenn man darüber reden kann, wird Erlebtes leichter und man realisiert, dass es anderen auch so geht wie einem selbst: Man ist nicht allein.
Weit weg von der Landwirtschaft
Die Schilderungen der Frauen waren spontan und manchmal wurde über das Erlebte gelacht. Die Bäuerinnen betonen aber, dass durch die Veröffentlichung ihrer Erlebnisse auf keinen Fall eine abschätzige Haltung gegenüber den Menschen einnehmen wollen, denen die Landwirtschaft fremd ist.
Die Begegnungen zeigen aber auf, wie weit viele Konsumentinnen und Konsumenten vom Alltag und den Arbeiten in der Landwirtschaft sind. Da einige der Bäuerinnen einen Hofladen führen, ziehen sie es alle vier vor, anonym zu bleiben. Die Namen sind jedoch der Redaktion bekannt.
Ein besonderer Salat
Bäuerin C. erzählt: «Es hat die ganze Woche geregnet. Das Ernten und Reifen der Erdbeeren wurde dadurch mehr als erschwert. Da fragte mich eine Kundin: ‹Weshalb hat es keine Beeren heute?› Meine Antwort: ‹Weil es ewig geregnet hat.› Da erwiderte die Kundin: ‹Ja, aber heute scheint doch die Sonne?›»
Frage der Kundschaft: «Warum ist eigentlich der Schnittsalat so viel teurer als der Kopfsalat?» Nach der Erklärung gesteht der Kunde: «Ah, ich dachte immer, der Schnittsalat sei von der Bäuerin schon gerüsteter Kopfsalat.»
Winter-Himbeeren
Bäuerin A. erzählt: «Unser Hofschild mit den aktuellen Angeboten im Laden war im Februar umgefallen. Irgendjemand stellte es wieder auf, doch leider mit der Rückseite nach vorn. Dort waren noch Angebote des Sommers notiert, wie etwa ‹frische Himbeeren›. An diesem Tag hatten wir sehr viel Kundschaft im Laden und alle erkundigten sich nach Himbeeren. Ich erklärte etwas erstaunt, dass diese im Moment nicht Saison hätten, bis ein Kunde mich auf das Schild am Strassenrand hinwies.
Von Güggeln und Eiern
Bäuerin A. erzählt: «Nach einem tollen Hoffest sassen alle noch beisammen. Da kam eine Frage zum Leben der Hühner auf: ‹Brauchen die Hühner überhaupt einen Güggel, um Eier legen zu können?›»
Bäuerin S. erzählt von zwei Telefonanrufen. «Beim einen fragte eine Anruferin: ‹Ich bastle gerade eine Ritterrüstung für meinen Sohn. Könnte ich von Ihrem Güggel ein paar Schwanzfedern bekommen?› Ich antwortete: ‹Mein Güggel trägt die Schwanzfedern selbst.› Darauf die Anruferin: ‹Aber wäre es möglich ihm ein paar auszureissen?›»
Eine andere Anruferin fragte: «Unsere Tochter war heute bei Ihnen auf dem Hof und hat sich ein Ei erbettelt. Nun möchte sie es ausbrüten und zu diesem Zweck trage ich das Ei nun in meinem BH. Könnten Sie mir sagen, wie lange ich es mit mir tragen muss?»
Alles Stier oder was?
Bäuerin M. erzählt: «Wir haben die behornten Kühe auf die Weide gelassen. Ein Spaziergänger fragte besorgt: ‹Hoppla, das sind ja alles Stiere, oder?›»
Bäuerin S. erzählt: «Es klingelte an der Tür: ‹Sie sollten unbedingt mit Leintüchern auf die Weide kommen. Eine Kuh bekommt ein Baby!›»
Von Äpfeln und Birnen
Bäuerin C. berichtet: «Eine Gruppe Studierende besuchte den Hof. Eine Studentin musterte die Obstanlage und fragte: ‹Woran erkenne ich eigentlich, ob der Baum da vorn nun dieses Jahr Äpfel oder Birnen trägt? Kann man das beeinflussen?›»
Bäuerin S. erzählt: «Einige Leute kamen zur verabredeten Kartoffelernte aufs Feld. Bei der Begrüssung stand eine Frau staunend vor den Maisstauden der Nachbarparzelle und sagte: ‹Aha, so sehen Kartoffelpflanzen aus!›»
Die Sache mit den Ferien
Bäuerin C. erinnert sich an ein Klassenlager auf dem Hof: «Die Frauen bereiteten das Essen für die Kinder zu. Da sagt eine: ‹Ach, ich weiss gar nicht, wohin wir im Herbst in die Ferien wollen. Aber zuerst geht es ja in die Sommerferien.› Sie schaute etwas verlegen zu mir und fragte dann: ‹Also, können Sie auch in die Ferien gehen?› Ich lachte und sagte: ‹Unser jüngster Sohn ist jetzt volljährig. In all den Jahren sind wir fünfmal als Familie für je eine Woche in die Ferien gefahren.› Die Frau darauf betreten: ‹Hm, und ich mache mir Gedanken über die Herbstferien.›»
Bereichernde Begegnungen
Als Bäuerin, die Milch verkauft, muss man allerdings nicht unbedingt die Koffer packen, um andere Kulturen erleben zu können.
Bäuerin M. schwärmt: «Syrische Frauen, die jeweils warme Milch holen, um ihren salzigen Käse herzustellen, bringen regelmässig Versucherli davon vorbei. Ab und zu auch Dattelguezli oder gefüllte Weinblätter. Das ist fast wie in die Ferien fahren.»
So leisten Agglo-Bäuerinnen und -Bauern viel Aufklärungsarbeit. Es braucht zwar manchmal etwas Humor und Gelassenheit, doch sie geniessen auch die schönen Begegnungen. Das bringt die beiden Welten näher.