«Für mich war lange klar: Das kann jede(r), das ist keine Hexerei», meint Irene Amstutz zu den klassischen Tätigkeiten, die einer Bäuerin zugeschrieben werden. Sprich Haushalt, Garten, kochen, einmachen – denn sie sei dabei einfach von sich ausgegangen. Amstutz ist auf einem Bauernhof aufgewachsen – und das waren alles Dinge, die sie von ihrer Mutter mitbekommen und in der Bäuerinnenschule vertieft hatte. Doch in den letzten Jahren sei ihr bewusst geworden, was für ein grosses Handwerk sie damit beherrsche. Und nun kann die 39-Jährige so einiges an ihre Schüler(innen) weitergeben.

Auf Augenhöhe

Die zweifache Mutter ist Seklehrerin und Bäuerin FA. Mit diesem Wissen im Gepäck unterrichtet sie seit Anfang Februar jeweils mittwochs die Agriprakti-Schüler(innen). Diese sind ungefähr zwischen 15 und 17 Jahre alt und absolvieren das Hauswirtschaftsjahr auf verschiedenen Landwirtschaftsbetrieben. Dabei schätzt Irene Amstutz die Möglichkeiten sehr, die sie in Absprache mit der Agriprakti-Leiterin Silja Müller hat. «Hier kann ich den Unterricht flexibel an die aktuellen Gegebenheiten anpassen, das hatte ich in der Volksschule, wo ich knapp15 Jahre unterrichtete, weniger», meint Amstutz. Sie habe die Möglichkeit, sich einzubringen und den Jahresplan mitzugestalten. Sie hinterfragt viel. Was für sie keinen Sinn macht, lässt sie weg oder modelliert es um, stets mit dem Fokus auf die Lebenswelt der Jugendlichen.

Der Unterricht bei Irene Amstutz ist praxisorientiert und alltagsnah gestaltet. Die Herausforderung dabei sei, dass das schulische Niveau der Schülerinnen breit ist: von Sek C bis zur Kanti ist alles vertreten. Es muss also ein Mittelweg gefunden werden, die Schwächeren zu stärken und die Stärkeren zu fördern. «Ich glaube, das ist genau mein Ding, ich begleite Jugendliche auf Augenhöhe», erklärt Amstutz strahlend.

Verantwortung lehren

So geht Irene Amstutz auch Aufgaben zum Teil anders an, als man es von der Volksschule kannte. Das brachte ihr ein «Sie sind schon irgendwie anders» von einer Schülerin ein. Aber das sehe sie als Kompliment. Denn ihre Philosophie besteht darin, die jungen Menschen zu motivieren, Verantwortung für ihr Lernen zu übernehmen. Sie zu ermutigen, sich auch an schwierige Aufgaben heranzuwagen, dranzubleiben und ihnen zu zeigen, wie sie sich verbessern können. Sie gibt den Jugendlichen die Chance, mit Nacharbeit ihre Note zu verbessern, oder arbeitet statt mit einer Prüfungsnote mit einer Benotung des Prozesses. «Und wenn dann eine Jugendliche ausrechnet, dass es sich nicht lohnt, nochmals nachzuarbeiten, weil es keinen grossen Unterschied macht in der Gesamtnote, so ist auch das Verantwortung», erklärt sie.

Auch zu Hause

So geht sie es auch zu Hause mit ihren beiden Kindern Lea (8) und Dario (11) an. Lea ist für die fünf Hofkatzen verantwortlich, das heisst füttern, Zecken- und Gesundheitskontrolle und natürlich darf auch das Kuscheln mit ihnen nicht zu kurz kommen. Und Dario habe schon, seit er 6 Jahre alt gewesen sei, immer von Ziegen geschwärmt. Er sei, wo immer er Ziegen sah, bei diesen gewesen. Nachdem die Begeisterung angehalten hatte, durfte er Zwergziegen halten – unter der Bedingung, dass er sich selbst darum kümmert und Verantwortung übernimmt. Und so organisiert er seither alles selbst: er studiert die Wetterprognosen und ruft seinen Grossvater an, ob er beim heuen hilft, optimiert mit seinem Vater die Heuraufe, weil zu viel Futterverlust da war, mistet und füttert. Aktuell ist die Aufregung gross, denn die Geburt bei der Zwergziege Stella kann jeden Moment losgehen. Auch das gehöre dazu, die Zwergziegen, deren Verhalten und den Lebenszyklus beobachten.

Die Familie Amstutz wohnt auf einem Landwirtschaftsbetrieb mit rund 9 Hektaren Land, 2 ha Wald sowie einem Stall mit 14 Mastrindern. Der landwirtschaftliche Teil ist an den Bruder von Irene Amstutz verpachtet, wobei die Betreuung der Rinder aber ihnen obliegt. Zum Hof gehört ein grosser Garten, der von Amstutz bewirtschaftet wird. «Wir haben eine grosse Achtung und eine riesige Wertschätzung, was die Eltern meines Mannes Remi hier aufgebaut haben», meint Irene Amstutz, «das wollen wir auf unsere Art und mit unseren Fähigkeiten erhalten.»

So mache sie beispielsweise den Garten nicht nach «Lehrbüechli», sondern so, wie es ihr gefalle. Da dürfen die Akelei dort wachsen, wo sie sich ausgesät haben, in einem Eck wachsen Brennnesseln und Spitzwegerich, welche sie verarbeitet. Neu hat es noch zwei Hochbeete, die ihr Sohn mit ihrem Mann zusammengebaut hat. Anderswo wachsen die Sonnenblumen und Kefen, welche sie mit ihren Schülerinnen angezogen hat. Sie zeigt ihnen dann regelmässig Fotos, damit sie sehen können, wie diese wachsen und gedeihen.

Viel Abwechslung

Die Abwechslung und die Vielfalt sind es, die die Lehrerin so schätzt. Und auch, dass sie sich die Arbeiten selbst einteilen kann. Auf dem Hof sei es besonders das «dürfen», denn sie habe die Freiheit, aus Früchten, Gemüse und Kräutern leckere Sachen zuzubereiten oder zu konservieren. «Ich habe ein grosses Spektrum an Wissen, Fähigkeiten und Tools, die ich anwenden kann, sowohl in der Schule als auch auf dem Hof», meint sie. Das einzusetzen und den Jugendlichen, die auf der Schwelle zwischen Kind und Erwachsenen sind, etwas mitgeben zu können, auf das sie im späteren Leben wieder zurückgreifen können, das sei schon toll.