Wer Sabrina Frauchiger das erste Mal sieht, würde den Beruf der gepflegten, gepiercten und grossflächig tätowierten Landwirtin vielleicht nicht auf Anhieb erraten. «Ich höre oft: ‹Du siehst gar nicht aus wie eine Bäuerin.› Manche denken, mein Partner Joel macht den Stall allein und ich sei einfach Hausfrau.» Solche Aussagen stören die 32-Jährige nicht, im Gegenteil: «Ich finde es eher lustig, was Leute einem manchmal nicht zutrauen, nur wegen des Aussehens.»
Aufgewachsen ist Frauchiger auf dem elterlichen Betrieb im Aargau, mit vielen Pensionspferden, Mastrindern und Ackerbau. Landwirtschaft war für sie von klein auf ein wichtiger Bestandteil des Lebens. «Ich habe nach der Schule mitgeholfen, früh angefangen zu reiten und das auch lange gemacht.» Nach einer Lehre als Landschaftsgärtnerin, die ihr jedoch nicht besonders gefiel («Die Tiere haben mir gefehlt»), absolvierte sie eine Zweitausbildung zur Landwirtin.
Jeder macht einen Stall
Dann lernte sie Joel Zeller kennen und zog zu ihm auf den Pachtbetrieb in Seegräben ZH – mit rund 70 Milchkühen, Aufzucht, etwas Mast und 50 Hektaren Acker- und Weideland. «Ein gutes Pachtverhältnis ist uns wichtig, darum gehen wir auch sehr respektvoll miteinander um», sagt Sabrina Frauchiger.
Seit November 2024 gehört ein zweiter Stall zum Betrieb, der Besitzer unterstützt sie bei der Stallarbeit. «Früher haben wir alles gemeinsam gemacht – einer hat gemolken, der andere eingestreut und die Kälber getränkt. Jetzt haben Joel und ich uns aufgeteilt: Jeder macht einen Stall, aber grundsätzlich können wir beide alles.» Natürlich sei das manchmal eine Herausforderung. «Wir haben keine Familie in der Nähe, müssen alles selbst stemmen. Aber wir sind gut eingespielt.»
Ihr Aussehen ist der Mutter von Louane (2,5) normal wichtig: «Ich finde es wichtig, gepflegt zu sein – sich morgens das Gesicht zu waschen, die Haare zu kämmen. Und ich würde nicht ungeduscht und in dreckigen Stallkleidern vom Hof gehen. So würde ich mich nicht wohlfühlen.» Zwei Stunden vor dem Spiegel zu verbringen, kommt für sie aber nicht infrage: «Den Kühen ist es egal, wie man aussieht.»
Sabrina Frauchiger ist das Januar-Model im aktuellen Bauernkalender – zum zweiten Mal. «Beim ersten Mal bin ich 2018 aus Neugier und zum Spass mit einer Freundin ans Casting gegangen. Ich wollte wissen, ob sie mich überhaupt nehmen. Es war ein schönes Erlebnis – man steht nicht jeden Tag vor der Kamera, wird geschminkt und frisiert.» Für die zweite Teilnahme wurde sie direkt angefragt. «Die Organisatorin hat gefragt, ob ich nochmal mitmachen will.» Bei der Bildidee hatte sie Mitspracherecht: «Zuerst wollten sie mich mit Bienen fotografieren – aber ich habe keinen Bezug zu Bienen. Dann habe ich vorgeschlagen, etwas mit einer Maschine zu machen – das passt besser zu meinem Alltag.»
«Den Kühen ist es egal, wie man aussieht.»
Das Bauernkalendermodel ist gerne gepflegt, aber nicht übermässig gestylt.
«Es ist nur ein Foto»
Negative Reaktionen auf die Kalenderfotos hat sie nie erlebt: «Mein Umfeld hat das sehr positiv aufgenommen. Einige meinten: ‹Wenn ich jünger wäre, würde ich auch mitmachen.›» Sie ist überzeugt: Wer beim Bauernkalender mitmacht, braucht Selbstvertrauen, muss aber keine Selbstdarstellerin sein: «Es ist nur ein Foto, man steht nicht vor Publikum – das hingegen würde mir schwerfallen. Ich bin eine zurückhaltende Person. Bei einer Fernsehsendung würde ich deshalb nicht mitmachen.» Natürlich könne es Reaktionen auf das Modeln im Kalender geben. «Da muss man wissen, wie man damit umgehen kann. Wichtig ist, dass man hinter der Entscheidung steht.» Sie wollte zeigen: Landwirtinnen müssen nicht immer in Gummistiefeln und Arbeitshosen herumlaufen.[IMG 3]
Ein prägendes Merkmal von Sabrina Frauchiger sind ihre Tattoos. Seit sie 16 ist, sammelt sie Körperkunst. «Damals musste meine Mutter noch mitkommen.» Inzwischen ist sie grossflächig tätowiert – Beine, Arme, Rücken, Bauch, Brust, Hände. «Einige Motive haben eine Bedeutung: mein Sternzeichen, der Name meiner Tochter mit Fussabdruck, ein Pferdekopf von einem früheren Pferd, ein Pfotenabdruck von einem meiner Hunde, die Trense, weil ich lange geritten bin. Andere gefallen mir einfach – Totenköpfe, Dämonen. Trotzdem höre ich keine harte Rockmusik.»
Tattoos im Gesicht kämen für sie nicht infrage, alles andere schon. «Mein Partner hat keine Tattoos, aber er hat mich so kennengelernt. Für ihn ist das in Ordnung – das Gesicht wäre für ihn eine Grenze, und das verstehe ich.» Natürlich sorgen ihre Tattoos für Reaktionen. «Einige finden es zu viel – meine Eltern zum Beispiel sagen: ‹Es muss dir gefallen›. Und das tut es. Ich leiste mir das – ich gehe nicht oft aus, mache keine teuren Ferien. Es ist mein Hobby, mein Ausdruck.»
Genug Schlaf hilft
Mit dem eigenen Körper im Reinen zu sein, ist für Sabrina Frauchiger kein Widerspruch zum körperlich fordernden Alltag auf dem Hof. «Ich habe mich eigentlich immer wohlgefühlt in meiner Haut. Natürlich gibt es Dinge, die man an sich nicht mag. Aber deswegen versteckt man sich nicht. Jeder soll sich so zeigen, wie er oder sie es gut findet.» Zeit für Sport bleibt aktuell keine – wegen Tochter Louane, wegen der vielen Arbeit. «Aber ich merke, dass ich mich dann am wohlsten fühle, wenn ich genug geschlafen habe und mich fit fühle. Das ist manchmal schwierig, aber ich versuche, darauf zu achten.»
Die Leidenschaft für die Landwirtschaft ist bei Sabrina spürbar – trotz Belastung und eingeschränkter Freizeit. «In gewissen Momenten fragt man sich natürlich, wofür man das alles macht – wenn man sieht, was andere verdienen, die halb so viel arbeiten, und wie flexibel sie sind. Aber für mich ist das Bauern ein Lebensentwurf, den ich nicht missen will.» Ein Bürojob von 8 bis 17 Uhr, montags bis freitags, wäre nichts für sie: «Wir haben natürlich wenig Auszeiten. Letzten Sommer waren wir mal drei Tage weg – aber erstens ist es stressig, eine Aushilfe zu finden, und zweitens geht man doch nicht mit einem ruhigen Gefühl, falls etwas passieren würde.»[IMG 2]
Stadt prallt auf Land
Neben den 70 Milchkühen – hauptsächlich Holstein, deren Milch an Emmi geht – und den Mastrindern gehört auch ihr Hund Jack zum Hof: ein working Kelpie, der aktuell in der Ausbildung zum Hütehund ist. «Er soll später mal die Kühe von der Weide holen. Wir üben fleissig.»
Und auch wenn der Betrieb im urbanen Raum liegt und sie immer mal wieder von Beschwerden hört oder liest – nicht auf dem eigenen Hof, aber bei Bauern, die sie kennt, etwa wegen Glocken oder Stallgeruch – bleibt die Landwirtin gelassen: «Manche wollen auf dem Land wohnen, aber alles wie in der Stadt haben. Das passt für mich nicht zusammen.» Dass manche sie aufgrund ihrer Optik vielleicht genau für eine urbane Frau halten, stört sie hingegen nicht.