Unsere Elterngeneration hörten wir ab und zu klagen: «Wir sind froh, sind wir älter und müssen das nicht mehr mitmachen.» Für die Bäuerinnen und Landwirte um die Lebensmitte waren solche Aussagen oft nicht unbedingt nachvollziehbar. Früher änderte sich ja scheinbar nichts so schnell, als dass man nicht hätte mitgehen können. In der Zeit vor der Jahrhundertwende konnte man in fast allen Berufen auf Bestehendem aufbauen. Auch in der Agrarpolitik gab es damals schon Veränderungen. Diese hatten jedoch für einige Jahre Gültigkeit.
Früher war es noch möglich, sich gezielt nach den Vorschriften und der Agrarpolitik auszurichten und längerfristig zu planen. Ein Beispiel waren die früheren Ausmerzaktionen und die schön regelmässig stattfindenden Entlastungskäufe. Das waren während vielen Jahren sichere Absatzkanäle.
Beständigkeit ist out
Ganz anders ist die Situation heute. Aktuell ist die eilende Veränderung das einzig Beständige. Was gestern noch Gültigkeit hatte, kann heute schon falsch sein.
Es ist deshalb noch viel wichtiger als früher, dass sich nach der Hofübergabe die abtretende Generation aus der Verantwortung nimmt und sich nicht mehr in Entscheidungen einmischt.
Klar sollten Vater und Mutter ihre Erfahrungen einbringen (können), aber wenn entschieden werden muss, liegt das nun sinnvollerweise in der alleinigen Verantwortung der jungen Generation. Es könnte ja sein, dass das, was beim Vater noch richtig und rentabel war, nun falsch ist und im schlimmsten Fall sogar Kürzungen der Direktzahlungen zur Folge haben könnte. Verordnungen und Gesetze ändern sich heutzutage sehr rasch und die Vorschriften werden immer mehr.
Die abtretende Generation muss sich durchringen, die verschiedenen Arbeiten auf dem Betrieb genau so zu erledigen, wie es die Hofübernehmergeneration vorschlägt.
Früher hatte der Hofabtreter sinnvollerweise stets darauf geachtet, dass beim Weidegang die Grasnarbe geschont wird, und liess bei nasser Witterung das Vieh nicht auf die Weide. Das war sicher ideal und brachte den entsprechenden Erfolg. Nun hat er seinen Betrieb dem oder der Nachfolger(in) übergeben. Die Jungen möchten ihre Direktzahlungen optimieren und melden sich für den Weidebeitrag beim RAUS-Programm an. Aber sie sind nun gezwungen, mindestens 70 % der Trockensubstanz aus dem Weidegang herauszuholen. Also werden die Tiere ungeachtet der Witterung auf die Weide geschickt – sehr zum Ärger der Eltern.
Im Normalfall diskutieren oder streiten sich die beiden Parteien darüber, wer im Recht ist. Grundsätzlich müsste man beiden, Jung und Alt, zugestehen, dass sie richtig handeln.
Aber die schon wieder geänderten Vorschriften und Neuerungen zeigen, dass es klug ist, wenn die abtretende Generation sich nicht mehr in Betriebsabläufe einmischt. So besteht die Chance, dass beide Generationen auf dem Betrieb gut leben können: der junge Betriebsleiter als Verantwortlicher für den Betrieb und die abtretende Generation als wertvolles Mitarbeiterteam und Inputgeber.
Sich raushalten, aber Anteil nehmen
Da sich die Vorschriften so schnell ändern und zudem die verschiedenen Bedingungen zur Erfüllung dieser Vorschriften immer komplizierter (theoretischer) werden, kann es gut sein, dass die ältere Generation sogar froh darum ist, ihre die Verantwortung abgegeben zu haben.
Wichtig ist aber, dass die ältere Generation das Interesse an der Sache, am Hof und an der Landwirtschaft aufrechterhält. So bleibt sie im Geiste jung und rüstig.
Pius Hager aus Jona SG ist ehemaliger Betriebsberater und Autor des Buchs «Leben – vom Streit zum Frieden. Generationenkonflikt – Partnerschaftskonflikt». Er schreibt für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.
