Das milde Winterwetter ist augenfällig. Der Übergang zum Frühling bahnt sich an. Die Zeichen dafür sind nicht zu übersehen. Die Tageslänge nimmt zu, die Wiesen erhalten ein sattes Grün. Pollen erschweren Allergikern das Leben. Bienen besuchen Frühblüher, und die ersten Blattknospen des Schwarzen Holunders öffnen sich. Kornelkirschen blühen, und die Blütenknospen des Schwarzdorns zeigen erstes Grün.
Die Natur erwacht
[IMG 2]Medienwirksam sind Wetterrekorde: «Nie seit Messbeginn …» – Sie kennen das. Doch wer regelmässig im Freien arbeitet, dem liegen die Rekorde weniger am Herzen. Seine Wahrnehmung ist auf die Zeichen der Natur gerichtet. Diese Zeichen verhalten sich ähnlich wie die Türchen am Adventskalender: Eines nach dem andern öffnet sich bis zum Vollfrühling.
Nach den gleichförmigen Wintertagen lauscht das Ohr dem ersten Lied der Amsel. Früher als üblich machen sich im Wald die Singdrosseln bemerkbar. Variantenreich und laut setzt ihr Gesang einen Gegenakzent zur winterlichen Stille.
Diese wurde nur ab und zu durch den Ruf der Meisen oder des Zaunkönigs oder durch das Schwatzen eines Bergfinkenschwarms unterbrochen. Jetzt trommeln die Buntspechte und stecken mit Flugakrobatik ihr Territorium ab. Gleichzeitig mit den Honigbienen zeigen sich die ersten Feuerwanzen und Schmetterlinge, die aus der Winterstarre erwachen. Mit etwas Glück lassen sich auch Taubenschwänzchen oder Winterlibellen beobachten, während die Grasfrösche ihre Laichgewässer aufsuchen.
Über der Norm
Die Beobachtungen werden untermauert von den harten Fakten der Messwerte: 1,1 Grad Celsius beträgt die durchschnittliche Februartemperatur in der Periode 1991–2020 in Bern/Zollikofen. Dagegen der Stand für den Februardurchschnitt am 21. Februar 2024: 6,3 Grad. Das gleiche Signal zeigt sich an anderen Stationen: durchschnittlich 7,1 Grad anstelle des Normwerts von 1,7 Grad in Schaffhausen, −2,9 Grad anstatt −7,5 Grad auf dem Säntis. Und zuvor lag auch im Januar die Durchschnittstemperatur schweizweit 1,6 Grad über der Norm.
Zu warme Luft
Ein Grund für den massiven Wärmeüberschuss der letzten Monate ist, dass die Grosswetterlage aussergewöhnlich stark auf Windrichtung West verharrt. Dies zeigt der Blick auf die Wetterkarten der letzten Wochen. Im Normalfall gelangte verhältnismässig milde Luft vom Atlantik und im Extremfall äusserst warme Subtropenluft aus Südwesten in die Schweiz.[IMG 3]
Und auch während der kühleren Phasen war die Luft mit Ursprung über dem Nordatlantik zwar kühl – aber eben nicht richtig kalt. Nur an ein paar wenigen Tagen im Januar setzte sich kalte, kontinentale Luft aus dem Osten in der Schweiz fest. Die übrige Zeit wechselten sich Episoden mit nasser Strömung aus West oder Südwest mit Hochdruckgebieten mit subtropischer Luftmasse und starkem Absinken ab.
Es öffnen sich die Türchen
Die Natur zeigt: Mit der Wetterlage der letzten Wochen stehen die ersten Türchen des «Frühlingskalenders» offen. In Form von Zugvögeln, Insekten und blühenden Pflanzen werden weitere folgen. Dabei bleibt eine bange Frage: Wo bleibt die Kälte? Noch liegt der Mai in weiter Ferne, und die Chancen für Frost sind schon allein durch die Länge der Nacht täglich gegeben.
Die Vermutung, dass sich die Kälte noch nicht ganz verabschiedet hat, wird durch die aktuellen Modellläufe des Europäischen Zentrums für Mittelfristvorhersage gestützt. Gemäss dessen Prognosen sinken ab nächster Woche die Morgenwerte auch im Mittelland unter den Gefrierpunkt, die Temperatur der Luftmasse scheint sich wieder den Normwerten der letzten dreissig Jahre anzunähern. Die weiteren Türchen am «Frühlingskalender» öffnen sich damit wahrscheinlich langsamer als in den vergangenen Tagen.
