Céline Spirig liebt Kühe, darum war für die Zürcherin klar, dass sie die Tiere irgendwann in ihren Alltag integrieren möchte. Das hat geklappt.

Inzwischen arbeitet sie jeden zweiten Sonntag am Morgen und am Abend in einem Stall mit. Wie es dazu kam? «Das ist eine lustige Geschichte», meint Céline Spirig schmunzelnd, es habe mit ihrer früheren Arbeit als Lehrerin zu tun.

Einfach angefragt

Sie sei mit ihrer Klasse auf einer Herbstwanderung gewesen, auf der sie neben dem Betrieb in Illnau vorbeigelaufen seien, auf dem sie heute arbeitet. Schon da habe sie grosse Freude an den Kühen gehabt. Einige Zeit später fuhr sie mit ihrem E-Bike nach Feierabend eine etwas grössere Runde heimwärts nach Winterthur, wo sie damals lebte. Dabei sei ihr der Betrieb wieder eingefallen.

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Daher fuhr Céline Spirig nochmals an dem Hof vorbei, und wie es der Zufall wollte, musste sie anhalten, weil die Kühe von der Weide in den Stall zum Melken getrieben wurden. «Ich habe mich total gefreut, die Kühe zu sehen, und fragte die Bäuerin, die der Herde folgte, ob sie Hilfe brauchen.»

Die Bäuerin antwortete, es sei aussergewöhnlich, dass jemand so frage, aber sie hätten schon Kapazität. Da erst habe sie der Bäuerin gestanden, dass sie noch nie zuvor gemolken habe. Nach einer Bewerbung per Whatsapp war für beide Seiten klar, dass das passen könnte. So begann Céline Spirig, jeweils am Mittwochnachmittag das Melken zu lernen.

Anstrengender Tapetenwechsel

Damals war für Céline Spirig bereits klar, dass sie einmal auf eine Alp gehen möchte. Als Corona kam und ihr bei der Arbeit als Lehrerin alles zu viel wurde, kündigte sie. Sie war bereit für einen Tapetenwechsel. «Am Freitag habe ich meine Klasse in die Oberstufe entlassen und am Sonntag fuhr ich auf die Alp», erinnert sie sich.

Der Sommer sei sehr hart gewesen, erzählt Céline Spirig weiter, sie habe noch nie so intensiv gearbeitet. Und auch das frühe Aufstehen hatte es in sich. «Wenn beim Klingeln eine Drei vorn auf dem Wecker zu sehen ist, dann ist das für mich schon sehr früh.» Damals wusste sie noch nicht, ob sie nochmals einen Alpsommer machen möchte. Heute kann sie es sich wieder vorstellen.

Céline Spirig liebt Kühe auch als Fotomotive und hatte die Kamera auch auf der Alp dabei. Es seien sehr viele schöne Bilder entstanden in den jeweils zehn Minuten, die sie gelegentlich zwischen der strengen Arbeit hatte, erklärt sie. «Doch auf den Fotos sieht man nicht, dass die Füsse schmerzen oder man müde ist. Man sieht nur die schönen und romantischen Bilder.»

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Theorie und Praxis

Diesen Spagat zwischen Realität und Ideal erlebt Céline Spirig nicht nur auf der Alp, sondern auch jetzt während ihres Studiums. Denn nach dem Alpsommer unterrichtete sie nur noch ein Jahr als Stellvertreterin und hängte dann den Lehrerjob gänzlich an den Nagel. Zuerst überlegte sie sich, die verkürzte Lehre als Landwirtin zu machen. Nachdem es aber mit dem Lehrplatz nicht geklappt hatte, suchte sie nach anderen Möglichkeiten, wie sie die Landwirtschaft in ihr Leben integrieren könnte.

Schliesslich begann sie ein Studium als Umweltingenieurin an der ZHAW mit der Vertiefung biologische Landwirtschaft, um den Zugang zur Landwirtschaft vom akademischen Weg her zu finden. Zuerst absolvierte sie ein Jahr im Vollzeitstudium, jetzt ist sie Teilzeitstudierende, wobei sie nebenbei in einer Landi arbeitet.

Und eben jeden zweiten Sonntag steht sie auf dem Milchviehbetrieb in Illnau im Stall. Der Hof wird konventionell bewirtschaftet und im Studium hört die 28-Jährige auch mal spitze Kommentare über die konventionelle Landwirtschaft. Doch sie weiss auch, dass manche Mitstudentinnen und Mitstudenten die praktische Arbeit auf einem Hof gar nicht kennen.

Noch mehr lernen

Ob sie einmal einen eigenen Betrieb führen möchte, weiss Céline Spirig bislang nicht, das finanzielle Risiko und die Verantwortung schrecken sie momentan ab. Zudem ist sie selbst nicht auf einem Hof gross geworden und hat auch in der Familie keinen Betrieb, den sie übernehmen könnte. Wenn sie einen Hof übernehmen würde, dann stellt sie sich einen Betrieb vor mit kleinen, möglichst geschlossenen Kreisläufen, der den Konsumenten die Landwirtschaft näherbringt und auf dem vielleicht Zweinutzungsrassen leben.

Auch mit Schülerinnen und Schülern auf dem Bauernhof zu arbeiten, könne sie sich vorstellen. Viele Kinder – da ist sie überzeugt – lassen sich von Tieren sehr positiv beeinflussen.

Auch Feldarbeiten erlernen

Fürs Erste möchte Céline Spirig weiterhin auf einem Hof arbeiten und noch mehr lernen als das Melken. Denn im Studium erfahre sie zwar alles über Themen wie «Düngemittelbilanz» oder die Grundlagen eines gesunden Bodens, aber auf einem Traktor sitzen und das Ganze umzusetzen sei aktuell durch die begrenzte Zeit auf dem Betrieb nicht möglich.

«Die Kühe bilden den roten Faden. Doch ich möchte etwas wegkommen vom romantischen Klischee der Träumerin, die gern Kühe hat», sagt sie und fügt mit einem verschmitzten Lachen hinzu: «Ich fände es cool, wenn ich sagen könnte, dass ich auch alle Arbeiten auf dem Feld erledigen kann.»

Fotos von Céline Spirig auf Instagram 

5 Fragen
 
Was möchten Sie besser können?
Geduldig sein.

Worüber haben Sie sich in den letzten 24 Stunden geärgert?
Über einen Businessplan, den ich für ein Modul erstellen muss.

Wohin würden Sie gern einmal reisen?
Nach Neuseeland. Da möchte ich in erster Linie die beiden Inseln bereisen. Aber ich könnte mir auch vorstellen, dort einmal für eine begrenzte Zeit zu arbeiten.

Ihr Rezept für Entspannung?
Entweder mit Kühen kuscheln oder, wenn es nicht die eigenen sind, dann auf der Weide beobachten.

Wie lautet Ihr Leitspruch für das Leben?
«Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe.» Das sagt Pippi Langstrumpf in einem Buch von Astrid Lindgren. Ich probiere gern Neues aus und bin neugierig.