1968 berichtete das Schweizer Fernsehen über «Kunstmilch» und ging dabei der Frage nach, ob das amerikanische Ersatzprodukt mit Sojaextrakt zu einer Gefahr für die Schweizer Milchwirtschaft werden könnte. Der Beitrag war Teil der Sendung «Landwirtschaftliche Rundschau», die vom Landwirtschaftlichen Informationsdienst (LID) gestaltet wurde.
Der damalige LID-Geschäftsführer Rolf Häberli war die prägende Figur der Sendung. Häberli war promovierter Jurist und hatte zuvor für verschiedene Zeitungen gearbeitet. Auch die Folge zur Milchalternative hat er redigiert, angesagt und darin ein Gespräch mit dem Agronomen Ernst Siegenthaler moderiert. Siegenthaler war an der Universität in Michigan USA tätig; er gab Häberli Auskunft über die amerikanische Milchalternative.
Regelmässig gesendet
Solche aktuellen Fragen rund um die Landwirtschaft griff die «Landwirtschaftliche Rundschau» in regelmässigen Abständen im Schweizer Fernsehen auf. Von 1958 bis 1965 lief die Sendung jede zweite Woche, ab 1965 noch jede dritte Woche. 1971 wurde das Format in «Landwirtschaft heute» umbenannt und neu in Farbe ausgestrahlt. Die letzte Folge erschien 1979. Zeitlich parallel dazu strahlte das Westschweizer Fernsehen die «Horizons campagnards» aus, die von 1961 bis 1977 liefen, ab 1965 unter dem Namen «Horizons».
[IMG 2]
Die Sendungen im Deutschschweizer Fernsehen dauerten jeweils eine halbe Stunde und bestanden aus einem oder mehreren Einspielbeiträgen, meist eingeführt von Rolf Häberli. Teilweise wurden die Beiträge begleitet von einem Studiogespräch mit einem Gast.
Ziel: Verständnis schaffen
Mit den Fernsehsendungen richtete sich der LID sowohl an die bäuerliche als auch an die städtische Bevölkerung. Ein wichtiges Ziel der Sendung war es, in den Städten Verständnis für die Landwirtschaft zu schaffen. Allerdings war die Sendezeit am Sonntagnachmittag insbesondere auf die bäuerliche Bevölkerung ausgerichtet. Und auch inhaltlich adressierten viele der Sendungen landwirtschaftlich tätige Personen. Die Folgen trugen Titel wie «Kann der Bauer Ferien machen?», «Von der Milchversorgung einer Stadt», «Energie sparen auf dem Bauernhof», oder «Bauern suchen Frauen».
Auch ins Ausland geblickt
Regelmässig richteten die Sendungen den Blick ins Ausland mit Beiträgen aus den Nachbarländern, aus Skandinavien oder Nordamerika. Die nationalen Fernsehstationen stellten einander ihre Filme über das «Internationale Landwirtschaftsmagazin» gegenseitig zur Verfügung.
So wurde im Schweizer Fernsehen berichtet über «Grossbritanniens Bauern und die EWG», «Wer wird in Europa auf dem Lande wohnen?», «Nepals Bauern brauchen Strassen», oder «Waldbrände in Kanada».
Umgekehrt wurden Filmbeiträge aus der Schweiz ausländischen Fernsehsendern zur Verfügung gestellt. Ausserdem nahm das Schweizer Fernsehen mit Beiträgen aus den landwirtschaftlichen Sendungen am «Internationalen Agrarfilmwettbewerb» in Berlin teil, wo diese mehrmals ausgezeichnet wurden. Beispielsweise gewann der Film «Alpverbesserung in Pitasch» 1964 eine Bronzene Ähre.
Das Ende einer Ära
Das Ende der landwirtschaftlichen Fernsehsendungen in den Jahren 1977 und 1979 war Teil einer umfassenderen Entwicklung. Seit den 1960er-Jahren wurde das Fernsehen zunehmend kommerzialisiert. Ein wichtiger Schritt in dieser Entwicklung war die Einführung der kommerziellen Fernsehwerbung 1965. Damit einher ging eine stärkere Orientierung an der Nachfrage – das heisst dem Publikumsinteresse – als an der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe (Bildung, Information und Unterhaltung).
[IMG 3]
Um die Preise für die Werbespots zu berechnen, wurde die systematische Programmforschung etabliert und das Fernsehen orientierte sich zunehmend am Mehrheitspublikum. In dessen Folge nahm das Schweizer Fernsehen in den 1970er-Jahren einen Programmumbau vor. Zu diesem Umbau gehörte eine Verschiebung des Angebots von Informationssendungen, zu denen die landwirtschaftlichen Sendungen gehörten, hin zu stärker aktualitätsbezogenen Nachrichtenformaten.
Weg von der Bildfläche
Zudem rückten Konsumsendungen wie «Tipps für Sie» oder «Kassensturz» ins Zentrum, während die Landwirtschaftssendungen an Bedeutung verloren. Die stärkere Gewichtung von Konsumsendungen auf Kosten der produktionsorientierten Themen ging in weiten Teilen der Bevölkerung mit einem Verlust an Wissen über die Lebensmittelproduktion einher. In den 1980er-Jahren war der Urproduktion nur noch die unregelmässig ausgestrahlte Sendung Mitenand übers Land gewidmet, in welcher die Landwirtschaft auch aus dem Titel gestrichen war.
Heute sind viele der Fernsehbeiträge aus den 1960er- und 1970er-Jahren digitalisiert und online über das SRF-Archiv und das Filmportal des Archivs für Agrargeschichte (AfA) zugänglich (siehe QR-Code). Als über mehrere Jahrzehnte regelmässig ausgestrahlte Formate sind die Sendungen besonders bedeutende Zeugnisse der Entwicklungen in der Landwirtschaft. Und immer wieder machen sie klar, dass viele Fragen, die uns heute beschäftigen, gar nicht so neu sind, wie sie präsentiert werden. So auch die Diskussionen rund um Milchalternativen.
Ab ins Heimkino
Zahlreiche historische TV-Sendungen und Filme aus und über die Landwirtschaft finden sich in der europäischen Datenbank für Agrargeschichte. Hier gelangen Sie direkt zur Webseite, wo Sie auch Filme von verschiedenen Schweizer Institutionen finden. Wenn Sie vor allem die deutschsprachigen Schweizer Filme interessieren, gelangen Sie hier direkt zur Unterseite des Archivs für Agrargeschichte.
