Der Mountainbike-Sport boomte in den vergangenen Jahren. Schweizweit sind rund 680'000 Personen mit einem Mountainbike unterwegs. Als erster Kanton der Schweiz hat Schwyz seit Herbst 2023 ein kantonales Gesetz über Velowege. Neben der verbindlichen Planung eines Velonetzes für Alltag und Freizeit werden im Rahmen des Mountainbike-Konzepts auch Mountainbike-Routen aufgenommen und geplant. Da dieses Freizeitvergnügen nicht selten in Gebieten mit landwirtschaftlicher Nutzung stattfindet, kann es zu Problemen kommen. Philipp Waldis aus Gersau kennt beide Seiten. Er ist einerseits Landwirt und Geschäftsführer des Maschinenrings Rigi, andererseits aber auch leidenschaftlicher Biker und Geschäftsstellenleiter des Vereins Mountainbike Schwyz (MTB Schwyz).

Warum fasziniert das Mountainbiken so viele Menschen?

Philipp Waldis: Beim Mountainbiken kann man mit Gleichgesinnten gemeinsam Zeit in schönster Natur erleben. Biken macht Jung und Alt Spass und wirkt sich zudem positiv auf die Gesundheit aus. Allerdings ist nach dem extremen Boom der vergangenen Jahre wohl der Peak erreicht. Das Angebot an Occasion-Mountainbikes ist momentan riesig.

Wo darf denn eigentlich ein Biker, neben den normalen Strassen, überall durchfahren?

Das ist kantonal unterschiedlich geregelt. Zum Beispiel ist Luzern momentan noch restriktiv. Da ist es nur auf Waldstrassen, befestigten Wegen oder als Bikeweg markierten Routen erlaubt, mit dem Bike durchzufahren. Anders ist die Situation im Kanton Schwyz. Als erster Kanton hat Schwyz ein kantonales Gesetz über Velowege verabschiedet. Darin ist festgelegt, dass das Befahren von Fuss- und Wanderwegen mit Velos gestattet ist, sofern dies nicht durch die Rechtsordnung untersagt ist. [IMG 2]

Was sollte ein betroffener Landwirt machen, wenn die Biker nicht über die Wanderwege fahren, sondern die Abkürzung über sein Wiesland nehmen?

Abo Mountainbike Die Haftungsfrage ist für Bauern bei Mountainbike-Routen entscheidend Monday, 20. May 2024 Grundsätzlich bevorzugt es die grosse Mehrheit der Biker, auf Wegen oder Trails zu fahren. Während der Vegetationszeit dürfen zwar Weiden ohne hohes Gras zu Fuss begangen werden. Dies gilt aber nicht für Biker. Diese dürfen nur die entsprechenden Wege benützen, das hat auch etwas mit Anstand zu tun. Wenn diese Regelung von den Bikern nicht eingehalten wird, würde ich die betroffene Fläche, wenn möglich, auszäunen. Lässt sich das Problem so nicht lösen, kann die entsprechende kantonale Anlaufstelle Hilfe bieten. In Schwyz ist das die Fachstelle Langsamverkehr. Wir von MTB Schwyz arbeiten mit dieser Fachstelle zusammen und haben mit dem Kanton eine Leistungsvereinbarung. Dadurch können wir von MTB Schwyz Betroffene unterstützen und gemeinsam nach nachhaltigen Lösungen suchen.

Wie könnten denn solche Lösungen aussehen?

Das geht von Besucherlenkung mittels Lattenzäunen, Wegweisern oder Hinweistafeln über Hilfsmittel für Weideübergänge bis zur Sanierung von Wegstücken. Im Rahmen des Schwyzer Mountainbike-Konzepts wird aktuell auch eruiert, welche Wege von Bikern am stärksten frequentiert werden. Aus diesen Daten wird dann ein mögliches MTB-Wegnetz vorgeschlagen, welches dann in die Vernehmlassung kommt.

Ein weiteres Ärgernis der Landwirtschaft sind die Grasnarbenschäden unmittelbar neben der offiziellen Bikestrecke. Da entstehen teils mehrere neue Spuren, da die ursprüngliche Route ausgewaschen ist. Wie kann das verhindert werden?

Grasnarbenschäden sind oft auf stark frequentierten und steilen Abfahrtsstrecken mit keinem oder mangelndem Unterhalt zu beobachten. Vielfach sind solche Strecken bequem per Bahn zu erreichen. Das hat einerseits damit zu tun, dass dort oft unerfahrene Biker unterwegs sind, welche beim Bremsvorgang das Hinterrad vielfach vollständig blockierten und so den Untergrund schädigen. Andererseits führen auch die vermehrten Starkniederschläge zur Auswaschung von Wander- und Bikewegen. Durch Biker verursachte Erosionsschäden müssen behoben werden. Eine Lösung kann sein, dass sehr stark frequentierte Wegstücke befestigt oder eine flachere Linienwahl gesucht wird. So können auch Auswaschungen reduziert werden. Betroffenes Weide- und Wiesland wird wieder saniert und frisch eingesät. Schwierig wird dies, wenn das betroffene Mountainbike-Wegstück in einer Schutzzone liegt.

Und wer finanziert diese Sanierung?

Gehört der zu sanierende Wanderweg dem Kanton oder einer Gemeinde, können diese für die Kosten aufkommen. In Gebieten mit einer intensiven touristischen Nutzung haben sicher auch Bahnbetreiber oder Tourismusorganisationen ein Interesse, dass die Natur intakt bleibt, und unterstützen Wegsanierungen. Daneben gibt es aber noch weitere Besitzverhältnisse. Auch Erschliessungsstrassen von Alpen oder Waldgebieten werden teils von Bikern genutzt. Wer wie stark für Schäden verantwortlich ist, ist nicht immer klar. Wir von MTB Schwyz haben zwar keine finanziellen Ressourcen, können aber zwischen den Parteien vermitteln und die Betroffenen unterstützen.

Gibt es beim Mountainbike-Boom auch Chancen für die Landwirtschaft?

An beliebten Bikerouten gibt es sicher Potenzial für agrotouristische Angebote. Ob Übernachtungsangebote, Verpflegungsmöglichkeiten oder nur ein kleiner Selbstbedienungsstand, das Potenzial für die Landwirtschaft ist sicher da. Dazu müssen die Bauernfamilien aber natürlich auch die nötigen personellen Ressourcen haben.

Wichtig ist auch die Haftungsfrage. Wer haftet, wenn ein Mountainbiker in einen Zaun fährt oder auf dem Hofplatz verunfallt?

Wie bei anderen Verkehrsteilnehmern gilt auch bei den Bikern, dass diese ihr Fahrzeug unter Kontrolle haben müssen. Das heisst, dass diese vorausschauend fahren und die Geschwindigkeit anpassen. Gefährlich sind sicher temporäre oder fixe Weidezäune aus Draht, welche die Wanderwege oder Strassen queren. Diese müssen unbedingt eine ausreichende Signalisation aufweisen und gut erkennbar sein. Mittels spezieller Weidetore wie Flow-Gate oder Bike-Brücke kann nicht nur die Durchfahrt vereinfacht werden. Auch die Gefahr, dass Tiere wegen offen gelassener Zäune ausbrechen, ist geringer.