Am 31. August wird im glarnerischen Mollis der neue Schwingerkönig gekürt, 56 000 Zuschauer werden am späten Sonntagnachmittag in der Arena gespannt den Schlussgang verfolgen, unzählige zu Hause vor den Bildschirmen. Der Sieger dieses epischen Zweikampfes wird nicht nur Ruhm und Ehre bekommen, der neue Schwingerkönig darf auch den Siegerstier Zibu in Empfang nehmen.
Gegenwert wird vorgezogen
Der Original-Braunvieh-Stier Zibu ist der Wertvollste der zehn Lebendpreisen des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest (ESAF) 2025 im Glarnerland. Neben dem Muni dürfen sich die Spitzenschwinger auch auf mehrere Rinder und Fohlen freuen. Dass der neue König den Muni behalten wird, ist ziemlich unwahrscheinlich, die Lebendpreise sind heutzutage weitgehend symbolischer Natur. Da nur noch wenige Schwinger aktive Landwirte sind, wird dem Siegerstier mehrheitlich der Gegenwert als Geld vorgezogen.
An den Rummel gewöhnt
Dass nach dem Schlussgang neben dem Schwingerkönig alle Augen auf Muni Zibu gerichtet sein werden, wird den gut dreieinhalbjährigen Stier nicht stören. «Zibu ist ein sehr ruhiges Tier und war in der Vergangenheit schon oft an Anlässen, wo er vor vielen Leuten präsentiert wurde», erklärt Züchter und Besitzer Bert Horner. An einer Veranstaltung sei Zibu sogar von einer herumschwirrenden Drohne gefilmt wurden, auch das habe den Muni nicht unruhig gemacht.
Erstmals im Tal
Zibu verbringt die verbleibenden Wochen bis zum ESAF auf dem Talbetrieb Hornerhof, der etwas oberhalb von Glarus liegt. «Die letzten drei Sommer war er jeweils mit mir zusammen auf der Alp Altenoren ob Linthal z Alp, dieses Jahr muss er den Sommer erstmals im Tal verbringen», so Bert Horner weiter. Das Risiko für einen Unfall des über 1300 Kilogramm schweren Kolosses sei zu gross. Mindestens einmal wöchentlich geht Bert Horner nun von der Alp ins Tal, um mit Zibu laufen zu gehen.
«Es ist wichtig, einen Muni eng zu führen, sonst verliert dieser den Respekt.»
Laut Bert Horner halten unerfahrene Stierenhalter die Tiere zu locker.
Ersatzmuni steht bereit
Der Luxor-Sohn Zibu ist nicht der einzige mächtige Stier, der momentan im Stall des Hornerhofs steht. Auch der gleich alte OB-Muni Haegar aus der Zucht von Ruedi Elmer aus Elm verbringt den Sommer auf dem Talbetrieb der Familie Horner. «Ich habe Haegar vor gut drei Jahren als Kalb gekauft. Er wäre der Ersatzstier, wenn Zibu sich verletzen oder krank würde», erklärt der 65-jährige Stierenzüchter. Zibu sei momentan trotz seines enormen Gewichtes topfit, einzig die unsichere Blauzungen-Situation bereitet Horner etwas Sorgen machen. Wie wichtig es ist, einen Stier auf der Ersatzbank zu haben, zeigte sich 2022 am letzten Eidgenössischen in Pratteln, als der Red-Holstein-Stier Magnus kurz vor dem Anlass lahmte und darum ausgewechselt werden musste.
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Schon der 24. Zuchtstier
Im Gegensatz zu seinen Stallkollegen ist Zibu selbstgezüchtet. Seine Mutter Valido Varna war eine sehr leistungsstarke Kuh und geht ursprünglich auf eine Zuchtlinie von Hans Reif-Probst aus Bonstetten ZH zurück. Lorento Luxor, der Vater von Zibu, stammte aus der Zucht von Andi Staub aus Hütten ZH und war ebenfalls ein Natursprungstier. «Ich hatte seit 1984, als ich mit der Landwirtschaft begann, schon 24 Zuchtstiere», betont der erfahrene Glarner Stierenhalter.
Es sei wichtig, einen Muni immer eng am Nasenring zu halten, denn dieser merke sofort, wenn er zu locker geführt werde und verliere dadurch schnell den Respekt. Die schwierigste Phase von Stieren sei vielfach das Alter von zwei bis drei Jahren, danach würden Stiere meist wieder gelassener und ruhiger. Zibu selber sei aber bisher immer äusserst ruhig gewesen. Das liege auch daran, dass auf dem Hornerhof dank der vielen Enkelkinder immer viel Betrieb sei und sich der Stier so an den Rummel gewöhnen könne.
«Das ESAF-OK wollte aber einen im Glarnerland gezüchteten Braunviehstier.»
Bert Horner beabsichtigte erst, am Zuger Stierenmarkt einen Jungstier zu kaufen.
Versprechen per Handschlag
Zibu überzeuge nicht nur mit einem ruhigen Charakter, sondern auch mit seinem schönen Exterieur. Insbesondere in der oberen Linie gefalle der Muni. «Zibu hat aber auch einen sehr schönen Kopf mit wohl geschwungenen Hörnern. Das ist bei einem Siegerstier fast das Wichtigste, da er auch von vielen Menschen ohne landwirtschaftlichen Hintergrund begutachtet wird», so Bert Horner. Dass gerade Zibu zum Siegermuni auserkoren wurde, war Zufall.
«An einer Vorstandssitzung der Milchgenossenschaft, wo auch der heutige ESAF-OK-Präsident Jakob Kamm dabei war, kam die Idee auf, dass das Eidgenössische eigentlich einmal im Glarnerland stattfinden sollte. Ich versprach damals Jakob Kamm per Handschlag, dass ich dann für den Siegermuni besorgt sein würde», erinnert sich Bert Horner zurück, der selber leidenschaftlicher Schwing-Fan ist. Als dann das Glarnerland im März 2021 den Zuschlag bekam, löste Bert Horner sein Versprechen ein. «Erst beabsichtigte ich eigentlich, am Zuger Stierenmarkt ein Tier auszusuchen, doch das ESAF-OK wollte einen im Glarnerland gezüchteten Stier.» Als dann seine eigene Zuchtkuh Varna ein prächtiges Stierkalb gebar, entschied sich Bert Horner, dieses als ESAF-Siegerstier vorzuschlagen.
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Von einem Kalb zu 100 Tieren
«Zeitweise habe ich Zibu fast täglich am Nasenband aus dem Stall geführt. Mittlerweile ist das für ihn so etwas Alltägliches, dass das gemeinsame Spazieren nicht mehr jeden Tag nötig ist», so der Neu-Pensionär Bert Horner. Er hat nach 40 Jahren Betriebsführung den Hof an seine Söhne Peter und Samuel übergeben. «Ich habe 1984 mit ein paar Quadratmeter Land und einem Kalb begonnen und konnte meinen Söhnen vor zwei Jahren einen Betrieb mit 34 Hektar Land und hundert Stück Vieh übergeben», erklärt Bert Horner nicht ohne Stolz.
Nach zwei glücklicherweise glimpflich abgelaufenen Herzinfarkten nimmt er es heute etwas gemütlicher. Den Sommer verbringt er bereits zum 33. Mal auf der dreistaffeligen Alp Altenoren Chäsboden, welche sich von 1350 bis 2100 m ü. M. zieht. Die Alp wird von Sohn Samuel und dessen Familie geführt, Bert Horner ist für das Melken, Käsen und die Unkrautbekämpfung zuständig ist. Gelassen und entspannt blickt Bert Horner auch dem anstehenden ESAF entgegen: «Ich weiss um den ruhigen Charakter von Zibu, ich werde unseren gemeinsamen Auftritt in der grossen Arena geniessen können.»