«Hätte uns bei der Betriebsübergabe an unseren Sohn jemand auf die Situation aufmerksam gemacht, hätten wir wohl anders gehandelt. Selbst unser Treuhänder war sich der Problematik nicht bewusst», sagt Fritz Neuenschwander. Er und seine Frau Janine starteten schon vor über dreissig Jahren mit agrotouristischen Angeboten auf ihrem Bauernhof Diegenstal.
Anfänglich waren es einfache Zimmer für Ferien auf dem Bauernhof. Die prächtige Aussicht und die Gastfreundschaft des Betriebsleiterpaares zogen bald immer mehr Gäste an, und über die Jahrzehnte wurden immer mehr touristische Aktivitäten entwickelt. Tipi-Zelte und Schlafen im Stroh, Feste und Seminare in einem Partyraum mit Gastronomie, Gemüse in Folientunnels für die Kulinarik der Gäste, Angebote für Schulen, Spielplatz, Kleinviehgehege und vieles mehr.
Authentische Angebote
Der Event-Bauernhof wurde weitherum bekannt und zog Gäste und Mitarbeitende aus der ganzen Welt an. Es sei ihnen wichtig gewesen, dass die Angebote authentisch und mit der Landwirtschaft verträglich waren, betont Neuenschwander. «Wir wollten Brücken Bauen zwischen Produzenten und Konsumenten und das Verständnis fördern.»
Neuenschwanders gehörten nicht nur mit den agrotouristischen Angeboten zu den Pionieren. Auf Diegenstal wurde schon vor Jahrzehnten ein Windrad für die Energieversorgung erstellt, und mit der Solaranlage 2008 gehörten sie zu den Ersten in der Region. Und für die schon 1990 angeschaffte Rundballenpresse seien sie anfänglich von Berufskollegen noch etwas belächelt worden, erzählt Fritz.
Sohn führt Biobetrieb
Mit Ferien und Events auf dem Erlebnisbauernhof ist seit Ende 2022 aber Schluss. Schon 2018 haben sie den Biobetrieb frühzeitig an Sohn Mario übergeben, der war damals knapp 30, Fritz noch nicht 60-jährig. Geplant war, dass die abtretenden, aber noch rüstigen und aktiven Eltern Janine und Fritz den Bereich Agrotourismus, schon vorher in einer AG organisiert, weiterführen würden und Mario sich auf die Landwirtschaft konzentriert. Als der neue Betriebsleiter ein Baugesuch für die Anpassung eines Kleintiergeheges stellte, wurde die gesamte betriebliche Situation von den Behörden aber genauer überprüft.
Das zog sich allerdings, auch wegen Corona, über längere Zeit und zwischen Gemeinde und Kanton hin. Die über die Jahre erstellten und tolerierten Fahrnisbauten wie Tipis, Einzäunungen für Tiere, Spielplatz und Gemüsetunnels wurden in Frage gestellt beziehungsweise als nicht mehr bewilligungsfähig beurteilt.
«Erneute Bewilligungen wären wohl nicht einfach gewesen.»
Fritz Neuenschwander weiss, dass es heute schwieriger ist als zu seinen Anfangszeiten.
Fertig mit Toleranz
Und im Schlussbericht stellte die Luzerner Dienststelle Raum und Wirtschaft (Rawi) Ende 2021 fest, dass wegen dem Wechsel der Eigentumsverhältnisse die bisher tolerierte Umnutzung der Gebäude und Anlagen für den Agrotourismus nicht mehr gültig seien. Die Aufteilung des Landwirtschaftsbetriebes und des Nebenbetriebes mit Agrotourismus widersprach den Auflagen des Raumplanungsgesetzes. Wäre die Einheit weiterhin gewahrt worden, wäre eine Weiterführung denkbar gewesen, allerdings hätte ihr Sohn wohl alle Angebote neu per Gesuch bewilligen lassen müssen, meint Neuenschwander. «Was wohl aufgrund der verschärften Auflagen nicht mehr einfach gewesen wäre.»
Innovationen gehemmt
Er bedauert, dass solche landwirtschaftsnahen Nebenerwerbe bei einem Betriebsleiterwechsel nicht automatisch weiterlaufen können. «Das passt nicht zur Forderung nach mehr Innovationen und Unternehmergeist in der Landwirtschaft.»
Bauer Fritz ist auch Jurymitglied beim Agropreis der Emmental Versicherung. Jährlich beurteile die Jury gegen 60 eingereichte innovative Projekte. Bei jedem touristischen Projekt und auch bei vielen mit landwirtschaftlichem Hintergrund seien raumplanerische Auflagen der Stein des Anstosses. Neuenschwanders haben auch viele Kontakte zu deutschen und österreichischen Anbietern von Agrotourismus. «Wenn ich denen erzähle, dass wir zwar in der Schweiz auf dem Bauernhof eine Ferienwohnung anbieten dürfen, aber ohne Küche, so schütteln die nur den Kopf.» Da hinke die Schweiz sehr hinten nach.
«Meine ausländischen Kollegen schütteln den Kopf.»
Fritz Neuenschwander sagt, dass in Deutschland und Österreich mehr möglich sei.
Viele Anfragen abgelehnt
Eigentlich hätten sie gemäss Verfügung der Behörden schon im Sommer 2022 alle Tourismus-Angebote beenden beziehungsweise die Gebäude umnutzen und Anlagen rückbauen müssen. Weil sie aber noch sehr viele bestätigte Buchungen für Anlässe im vergangenen Jahr hatten, wurde die Frist bis Ende 2022 verlängert. Auch für dieses Jahr hätten Neuenschwanders schon viele Anfragen gehabt, mussten aber alle absagen.
Gebäude umnutzen
In diesen Wochen werden nun die Anlagen wie Tipi, Spielplatz, Trampolin, Swimmingpool und auch die Folientunnel für das Gemüse rückgebaut und viel Material verkauft. Auch die Ferienzimmer und der Partyraum müssen umgenutzt werden. Die Bauten seien zwar seinerzeit legal bewilligt worden, allerdings nicht für agrotouristische Zwecke. Die Umnutzungen erfolgten später, beispielsweise vom Schopf zum Partyraum. «Die Gebäude dürfen stehen bleiben, die Räume müssen aber wieder anders genutzt werden.» So musste Sohn Mario nun wieder ein Gesuch stellen, dass die Räume als Lager und Garagen für landwirtschaftliche Zwecke legalisiert werden konnten.
Mehr Augenmass
Fritz hat zwar Verständnis, dass raumplanerische Auflagen eben vollzogen werden müssen, wenn die ursprünglichen Bedingungen nicht mehr gegeben sind.
Es sei aber schon störend, wenn Tipis auf einem Bauernhof abgeräumt werden müssen, wenn man sehe, was anderswo in eine Landschaft gebaut werde. «Etwas mehr Augenmass wäre wünschenswert.» Und es sei schon etwas störend, wenn bei so grosser Nachfrage so viel Wertschöpfung auf der Landschaft vernichtet werde. Er hätte etwas mehr Entgegenkommen auch zeitlich erwartet, so kurz vor der Pensionierung in rund zwei Jahren. «Dann hätten wir sowieso aufgehört.» Zumal Sohn Mario nicht daran interessiert war, den Agrotourismus in diesem Ausmass weiterzuführen. Im Nachhinein könne man gar die vorzeitige Betriebsübergabe an Sohn Mario in Frage stellen, zumal diese den Stein ins Rollen brachte, meint Neuenschwander selbstkritisch.
Bioladen eröffnet
Beruflich aufhören wollen Neuenschwanders aber nicht, unternehmerische Herausforderungen locken die beiden weiterhin. So konnten sie im Dorf Rickenbach Räume mieten und eröffneten im Februar einen Bioladen, zumal sie schon auf Diegenstal jahrelange Erfahrung mit Direktvermarktung hatten. Dort bieten sie nun ein breites Sortiment von Getreide über Würste bis zu selbst gepressten Ölen an. Das Geschäft sei gut angelaufen, sagt Bauer Fritz.
Auflagen für Agrotourismus beachten
Wer einen «nichtlandwirtschaftlichen Nebenerwerb mit engem sachlichem Zusammenhang zur Landwirtschaft» führen will (dazu gehören agrotouristische Angebote), muss einige raumplanerische Voraussetzungen erfüllen:
- Landwirtschaftliches Gewerbe gemäss bäuerlichem Bodenrecht. Grundbuchanmerkung des Nebenbetriebes.
- Projektbeschrieb mit wer, was, wie, wann notwendig.
- Gesetzliche Anforderungen wie ein Gewerbebetrieb in der Bauzone.
- Persönliche Führung durch Betriebsleiterfamilie, und anfallende Arbeit muss überwiegend selbst geleistet werden von Bewirtschafter oder Partnerin.
- Gästezimmer dürfen nicht auf Dauervermietung ausgelegt werden, so ist auf eine Kochgelegenheit zu verzichten.
- Bei Besenwirtschaften muss ein namhafter Teil des Angebots aus selbst produzierten Lebensmitteln bestehen.
- Nur Bauten nutzbar, die landwirtschaftlich nicht mehr benötigt werden. Nebenerwerb muss in bestehende Gebäudevolumen integriert werden.
- Maximale Fläche an Ausbauten 100 m2, innerhalb bestehender Volumen zur Hälfte angerechnet. Fahrnisbauten wie Tipis sind wie Anbauten anzurechnen.
- Gewerbebetrieb darf nicht vom landwirtschaftlichen Gewerbe abgetrennt werden.
Wird landwirtschaftliches Gewerbe nicht weitergeführt oder sind Voraussetzungen für eine Bewilligung gemäss Art 24 b RPG nicht mehr erfüllt, fällt die Bewilligung dahin und Nebenbetrieb ist aufzugeben.
Quellen: Luzerner Wegleitung Bauen ausserhalb Bauzonen; «Begriffe Bauen ausserhalb» von Espace Suisse.
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