Der Himmel ist bedeckt, die Nebelschwaden hängen an diesem Tag besonders tief. Ein grauer Montag, aber Leana Waber ist aufgestellt. «Ich lasse die Esel nachher raus», informiert sie ihren Vater Ernst Waber, öffnet die Haustür zum einstöckigen Wohnhaus des 1972 ausgesiedelten Betriebes und macht auf dem Küchentisch Platz für einen Notizblock und zwei Tassen Kaffee.
«Nicht mehr und weniger wert»
Der 30-Hektaren grosse IP-Betrieb in der Talzone 1 führen zurzeit noch Wabers Eltern. In ihrer Familie war seit der Geburt ihres jüngeren Bruders Luan klar, dass er übernehmen würde. Aus diesem Grund hat sie sich damals auch nicht für die Lehre als Landwirtin entschieden, erzählt Leana Waber drinnen am Küchentisch. «Es kann sein, dass ich das heute anders machen würde, aber ich habe den Weg via Agronomie-Studium gewählt – es ist halt eine andere Ausbildung als eine Lehre, nicht mehr oder weniger wert.» Sie verschränkt die Arme und lässt ihren Blick durch die weissen Vorhänge übers Feld schweifen.
Work-Life-Balance?
Leana Waber ist normalerweise am Freitag und am Wochenende auf dem Betrieb eingespannt, das restliche Pensum ist gefüllt mit diversen Posten in diversen Verbänden. Eine Work-Life-Balance kenne sie eigentlich nicht. «Manchmal denke ich schon, es wäre schön, einen Garten zu pflegen oder etwas Kreatives zu tun, aber ich habe eigentlich kein Hobby – meine Arbeit ist meine Motivation», sagt die junge Agronomin mit einem Lachen.
«Als junge Frau muss man sich halt beweisen – das ist unsere Realität.»
Leana Waber hat sich an diese Tatsache gewöhnt.
Zusammen mit Mathias Grünig und Gaby Mumenthaler ist die 28-jährige Bernerin Teil der Geschäftsführung des Berner Bauernverbandes (BEBV). Dort leitet sie seit letztem Jahr die Abteilung Politik und Märkte. «Es kommt schon vor, dass Mitglieder einen Mann am anderen Ende der Telefonleitung erwarten – das merkt man den Leuten schnell an», erzählt sie. So müsse sie sich manchmal erklären, dass sie diesem Ressort vorsitzt und Auskunft geben kann.
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«Ich bin eine direkte Person»
Selten direkt, aber manchmal über Umwege erfährt sie, dass sie doch zu weiblich oder zu jung sei für das Amt. «Das ärgert mich. Ich bin eine direkte Person. Es wäre angenehmer, auf direktem Weg zu erfahren, wenn jemand mit meiner Arbeit nicht zufrieden ist», sagt sie in einem bestimmten Ton.
Trotz der Skepsis, der Blicke oder den gelegentlichen missbilligenden Kommentaren, die Mehrheit der Leute, mit denen Leana Waber zu tun hat, interessiert es nicht, wer das Geschäft führt. Dieser Meinung ist sie auch, deshalb hält sie auch nicht viel von Quotenfrauen. «Für die meisten muss einfach die Leistung stimmen, so auch für mich», sagt sie. Deshalb will sie mit Kompetenz überzeugen.
«Als junge Frau muss man sich halt beweisen – das ist unsere Realität», stellt sie fest. Manchmal beweise sie sich sogar mehrmals täglich, scherzt sie. «Damit muss man schon umgehen können. Je nach Tagesform gelingt mir das besser oder schlechter», gibt sie zu. Wenn nach einem schwierigen Tag das Energielevel tief ist, muss sie sich selber versichern, dass die meisten Bauernfamilien wohl mit ihrer Arbeit zufrieden sind und sich der Einsatz besonders für diese lohnt. Sie musste lernen, die Kritik der lauten Minderheit entsprechend einordnen zu können.
«Wenn dich etwas stört, musst du es ändern.»
Leana Wabers Einstellung.
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Daheim politisiert
Was treibt die junge Agronomin an, einerseits den Berner Bauernverband zu vertreten und Vize-Präsidentin des 2024 gegründeten Vereins Junglandwirtinnen und Junglandwirte (Jula) Bern und auch der Jula Schweiz zu sein?
Politisiert wurde sie zu Hause. Ihr Vater, Ernst Waber, ist Gemeinderatspräsident und auch ihre Mutter Ruth ist politisch engagiert. «Es gab zu Hause immer Diskussionen rund um die Politik», erinnert sie sich. Seit Leana Waber 16 Jahre alt ist, ist sie Mitglied einer Partei. Früh hat sie gemerkt, dass man eine Möglichkeit zur Einflussnahmen hat, wenn man sich politisch entsprechend engagiert. «Wenn dich etwas stört, musst du es ändern», so ihre Einstellung.
In ihrer Studiumszeit an der Hochschule für Agar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen wurde sie von einem Mitstudenten auf ihr politisches Interesse angesprochen. Die Jula Schweiz sei doch etwas für sie. «Keine Sekunde habe ich gezögert. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich gar nicht, dass es eine Junglandwirte- und Junglandwirtinnen-Kommission gibt, die unsere Anliegen vertritt», so Waber.
Ihre «unendliche Motivation», wie sie selber sagt: Die Rahmenbedingungen der Bauernfamilien verbessern. Durch ihre Mitarbeit auf dem elterlichen Betrieb weiss sie, wie stark die Bürokratie belasten kann. «Das muss doch einfacher gehen», sagt sie.
«Warum tue ich mir das an?»
Sie stapelt die leeren Kaffeetassen aufeinander und merkt gleichzeitig, dass sie eigentlich gar nicht weiss, warum sie diese Motivation in sich trägt. «Nach einem strengen Tag frage ich mich manchmal schon, warum ich mir das eigentlich antue – vor allem, wenn man immer wieder angezweifelt wird», sagt sie und wischt die letzten Krümel vom Tisch.
Ihre jugendliche Euphorie treibt Leana Waber an: «Wer weiss, vielleicht habe ich diese Motivation tatsächlich nur aufgrund meines Alters, aber ich will meine Motivation noch lange nicht hinschmeissen», ist sie entschlossen.
Fünf Fragen
Wo finden Sie Ihren Ausgleich?
Definitiv im Stall bei den Tieren, hier herrscht gegenseitiges Verständnis, ohne dass es dazu Worte braucht.
Welches Kompliment freut Sie?
Komplimente zur Kompetenz unabhängig des Alters und des Geschlechtes sind die schönsten.
Welches Kompliment irritiert Sie?
Ich habe schon gehört, dass mein Äusseres nicht zu meiner politischen Haltung passt, darüber kann ich aber lachen.
Wohin würden Sie gerne einmal reisen?
Ich habe es tatsächlich noch nie zum Creux du Van geschafft, obwohl ich ein Jahr im Neuenburger Jura gearbeitet habe.
Worüber haben Sie sich in den letzten 24 Stunden geärgert?
Ich ärgere mich darüber, wenn Diskussionen nicht mehr sachlich geführt werden und auf einmal persönliche Diskrepanzen im Vordergrund stehen, obwohl am gleichen Strick gezogen werden sollte. Das bringt doch niemandem etwas.
Betriebsspiegel Neuhof
Ernst und Ruth Waber mit Selina, Leana, Luan und Jndra
Ort: Kiesen BE
LN: 30 ha, Kunstwiesen und Weiden, Silomais, Kartoffeln und Rüebli.
Viehbestand: 70 Milchkühe, Red Holstein und Holstein, Aufzuchtkälber, Esel, 185 Mastschweine, Ziegen
Besonderes: Lagerhalle für Rüebli und Kartoffeln, Lohnarbeiten für den Kartoffelbau, Solaranlage