Tod, Trauer und Trauerbewältigung sind schwere Themen. Das gilt für Erwachsene, aber genauso auch für Kinder. Denn die Familientrauerbegleiterin und diplomierte Kleinkinderzieherin Christine Leicht aus Bern sagt ganz klar: «Die Zeiten, wo Kinder beim Trauerprozess ausgeschlossen wurden, sind vorbei!» In einem ganztägigen Seminar im bernischen Oberburg  sensibilisiert sie Mitglieder der IG Bauernhofspielgruppe zum Umgang mit Trauer und Trauerbewältigung bei Kindern.

Zu Beginn sagt die Referentin: «Trotz des schweren Themas soll der Tag nicht schwer werden.» Aber bereits der Einstieg, bei dem sich Christine Leicht vorstellt und erklärt, wie und warum sie zu ihrer Arbeit als Trauerbegleiterin kam, macht die Frauen betroffen. Die Referentin selbst musste sich im Alter zwischen acht und 16 Jahren von nahestehenden Menschen, darunter mehreren Schulkameraden, für immer verabschieden, was sie sehr beschäftigte. Ihr Glück sei gewesen, dass ihre Mutter ihr die Möglichkeit gab, die Todesfälle wirklich mitzuerleben. «Sie hatte immer ein offenes Ohr für mich und gab mir den Raum, selbst Antworten zu finden», erzählt Christine Leicht. Damit sei der Grundstein für ihre Arbeit als Trauerbegleiterin gelegt worden.

Die Unterschiede beim Trauern

Christine Leicht zeigt zunächst Unterschiede auf, wie Erwachsene und Kinder trauern. Während wir Erwachsenen in einem Trauermeer schwimmen, spricht die Fachfrau bei Kindertrauer vom Pfützen-Hüpfen. Kinder können in einem Moment traurig sein, weinen, toben oder schreien und im nächsten Moment trällern sie bereits wieder ein Lied oder erfreuen sich an einem Schmetterling, lachen und spielen. Kinder leben im Moment.

Tränen zulassen und nicht unterdrücken

Tod und Trauer Wie mit Trauernden umgehen – ein Gedicht klärt auf Friday, 3. December 2021 Trauer kommt meist in Wellen. «Sie kann uns runterziehen», weiss Christine Leicht nur zu gut. Aber: «Wenn wir mit der Welle mitgehen, kann sie uns auch wieder an Land spülen. Trauern ist ein Grundgefühl und ganz natürlich, wie die Freude auch.» Zum Trauern gehören Tränen dazu, wie zur Freude das Lachen. Diese zuzulassen bedeutet Druck ablassen, wie auch Lachen druckmindern wirkt. Und ebendieses Lachen sollen Trauernde unbedingt zulassen. Nach einem Todesfall kommen oft Erinnerungen an die verstorbene Person auf, die Hinterbliebenen erzählen sich gegenseitig Geschichten und Erlebtes, was enorm tröstlich wirkt. Dabei darf durchaus gelacht werden, betont die Fachfrau.

Immer nur die Wahrheit erzählen

Und im ganzen Prozess dürfen auf keinen Fall die Kinder vergessen werden. Sie brauchen besondere Unterstützung. Es sei gut, wenn neben den Eltern eine weitere, dem Kind wichtige und vertraute Bezugsperson von ausserhalb zur Seite steht, die emotional weniger stark betroffen ist. Eines macht Christine Leicht an diesem Tag immer wieder deutlich: «Kinder sind neugierig, brauchen Erklärungen ihrem Alter entsprechend; und sie wollen dazugehören, auch zur Trauerfeier.» Kinder spüren alles, auch wenn ihnen etwas verheimlicht wird. Halbe Wahrheiten oder sogar Märchen zu erzählen über den Tod, dies in der Absicht das Kind zu schützen, könne das Gegenteil bewirken und Kinder in ihrer Entwicklung schädigen. «Kinder, die um einen geliebten Menschen trauern, haben das Recht auf Informationen, die im Zusammenhang mit dem Tod des Menschen stehen, um den sie trauern. Sie haben das Recht auf die Wahrheit über das was geschehen ist, und dies in kindgerechter Sprache, auch bei einem Suizid», macht Christine Leicht deutlich.

Die Folgen von Unwahrheiten können weitreichend sein

Die wiederholte Aussage einer weinenden Mama, die auf Nachfrage des Kindes jeweils sagt: «Ich weine nicht, ich habe nur was im Auge», könne zu Wahrnehmungsstörungen beim Kind führen. Die Trauerbegleiterin plädiert, die Sache beim Namen zu nennen, nicht zu dramatisieren und auch nicht zu beschönigen. Kinds- und altersgerecht eben. Die Aussage: Opa ist gestorben, weil er krank war, töne oberflächlich gesehen als annehmbare Erklärung. Es gibt aber viele Menschen, die krank sind und nicht sterben. Kleine Kinder können jedoch zwischen ernsthaften und weniger ernsthaften Krankheiten nicht unterscheiden. Die Gefahr besteht, dass danach das Kind leicht jede Art von Krankheit mit dem Tod in Zusammenhang bringt. Und was absolut untragbar sei, Kindern zu erklären, die verstorbene Person sei für immer eingeschlafen oder entschlafen. Das könne im schlimmsten Fall zu Einschlafproblemen führen.

Den Tod nicht umbenennen sondern beim Namen nennen

Die Familientrauerbegleiterin rät, den Tod auch als solchen zu benennen: «Die Mama ist gestorben.» Was der Tod ist, ist erwiesen und kann den Kindern altersgerecht vermittelt werden. So könne den Kindern erklärt werden, dass die Person zwar aussieht als würde sie schlafen, dass das Herz aber nicht mehr schlägt, der Körper nicht mehr warm ist. Solche Dinge muss ein Kind auch wissen, wenn es sich von der verstorbenen Person verabschiedet. Es muss genau wissen, wie die Person aussehen wird, bevor es zu ihr hingeht. Daher müsse unbedingt nachgefragt werden, um das Kind entsprechend vorzubereiten. Das Kind braucht dabei unbedingt eine stabile Bezugsperson an seiner Seite.

Die tote Mama darf verabschiedet werden - mit der richtigen Vorbereitung

Ja, das Kind von der verstorbenen Person Abschied nehmen zu lassen, ist etwas, was Christine Leicht befürwortet. Und sie sagt: «Ich wünsche mir, dass der Umgang mit dem Tod wieder natürlicher wird.» Sie selbst hat auch schon ein Stethoskop mitgenommen, um einem Kind, das sie beim Gang zur toten Mama begleitet hat, den Unterschied hören zu lassen. Wichtig ist auch, sich bewusst zu sein, dass Kinder bis etwa acht Jahre nicht um die Endgültigkeit des Todes wissen.

Es sind viele Informationen, welche die Spielgruppenleiterinnen an diesem Seminartag mit auf den Weg bekommen. Christine Leicht lässt immer wieder anonymisierte Beispiele aus ihrem Arbeitsalltag einfliessen. Darunter sind solche, welche die Frauen schmunzeln lassen aber auch solche, die tief betroffen machen. Die Fachfrau mahnt jedoch: «Mitgefühl ist zwingend nötig aber Mitleid ist für die Betroffenen eine Belastung.»

Spielgruppen sollten ein Konzept zum Umgang mit einem trauernden Kind erarbeiten

Den Spielgruppenleiterinnen rät Christine Leicht, primär ihre eigene Trauergeschichte zu reflektieren, damit es nicht zu grossen Vermischungen mit den Betroffenen kommt. Weiter empfiehlt sie den Leiterinnen für ihre Spielgruppen ein Konzept zu erarbeiten, wie mit der Situation umgegangen werden soll, wenn beispielsweise ein Elternteil eines Spielgruppenkindes verstirbt. Eine gute Möglichkeit das Thema bei einem akuten Trauerfall in der Spielgruppe zu behandeln, sei ein Ritual. Dies könne eine Kerze sein, die angezündet wird und alle Kinder können Schätze wie einen schönen Stein, Tannenzapfen usw. hinlegen und dem Mami des Kindes etwas wünschen, singen oder sagen. Eine solche Handlung gebe einem betroffenen Kind sehr viel Halt. Klare Informationen an die Eltern der Spielgruppenkinder sei hier sehr wichtig. Christine Leicht rät auch dazu, bei der betroffenen Familie nachzufragen über welche Bilder diese mit dem Kind gesprochen haben. Etwa, dass die Mama jetzt bei den Sternen ist. Eine gute Möglichkeit, um mit kleineren Kindern ins Gespräch zu kommen sei der Weg über Bilderbücher.

Bücherempfehlungen zum Thema Tod und Trauer

Christine Leicht plädiert dafür, mit Kindern zu sprechen und über den Tod zu philosophieren, auch wenn nicht gerade ein Todesfall eingetreten ist. Dies gelinge gut mit Hilfe von Bilderbüchern. Dabei können Gefühle der Kinder mit ganz alltäglichen Dingen abgeholt werden.

Wenige Worte reichen
Christine Leicht findet besonders Bücher passend, die wenige, dafür bestimmte Worte beinhalten. So eines ist das Buch «Fisch schwimmt nicht mehr» (ISBN 978-3-8436-0516-8), Patmos Verlag. Darin steht eine Katze traurig vor dem Goldfischglas. Der Hund fragt die Katze: «Warum schaust du so traurig?» Dieses Buch bietet gute Gelegenheit, um über Fragen mit dem Kind zu kommunizieren.

Mögliche Fragen
Etwa: «Woran sieht der Hund wohl, dass die Katze traurig ist? Wann warst du das letzte Mal traurig? Warum warst du traurig? Lass uns in den Spiegel schauen. Wie könnte dein Gesicht aussehen, wenn du traurig, wütend oder fröhlich bist?» Es gibt zahlreiche gute Bücher, welche die Fachfrau empfehlen kann. Hier ein kleiner Auszug davon:
Für immer anders (ISBN 978-3-8436-1267-8), Patmos Verlag. Eine Hilfreiche Begleitung für trauernde Familien und wertvolle Lektüre für Lehrerinnen, Erzieher, Seelsorgerinnen und Pflegende.
Gemeinsam trauern, gemeinsam leben – Der Familientrauerkalender (ISBN 978-3-8436-0620-2), Patmos Verlag.
Selber denken macht schlau (ISBN 978-3-7296-5080-0), Zytglogge-Verlag. Was ist, wenn man tot ist? Ist streiten immer schlecht? – Philosophieren mit Kindern und Jugendlichen. Eine Neuauflage erscheint am 14. Dezember 2021.
Leni und die Trauerpfützen (ISBN 978-3-86739-157-3), Balance Buch und Medien Verlag. Leni trauert um ihren Hund, Altersempfehlung: 6 bis 8 Jahre.
Abschied von der kleinen Raupe (ISBN 978-3-429-01995-2), Echter Verlag GmbH Würzburg. Eine Schmetterlingsgeschichte, Sterben als Transformation, 3 bis 5 Jahre.

Erinnerungen in einem Album festhalten

Und zu guter Letzt ist es Christine Leicht ein grosses Anliegen die Frauen aufzufordern: «Initiiert ein Erinnerungsalbum.» Denn ein vierjähriges Kind kann sich mit 30 Jahren nicht an sehr vieles von seiner verstorbenen Mama erinnern. Aber genau die Erinnerungen sind es, die einen geliebten Menschen so lange in unserem Herzen weiterleben lassen, wie wir das wollen.

Das ist die IG-Bauernhofspielgruppe

Die IG Bauernhofspielgruppe ist eine in der Deutschschweiz tätige Interessengemeinschaft von Bauernhofspielgruppenleiter(innen). Sie haben alle eine entsprechende Ausbildung absolviert. Die IG organisiert Fachtagungen, offene Türen für ihre Mitglieder, bietet Beratung zu verschiedenen Themen des Spielgruppenalltags sowie bei Problemen an, und vermittelt Adressen von Bauernhofspielgruppen an interessierte Eltern. Mit der Website wird den Mitgliedern eine Plattform geboten, wo sie ihre Spielgruppen vorstellen und präsentieren können.

Einblick in andere Betriebe
Die HV und die Fachtagungen finden jeweils auf dem Hof ​​einer Spielgruppenleiterin statt. Dies werde sehr geschätzt und sei bereichernd. Die IG sieht sich als Netz für Bauernhofspielgruppen, damit ein Austausch stattfinden kann. Zwar ist der  Schweizerische Spielgruppen-LeiterInnen-Verband im Bereich Grundausbildung Spielgruppen­leiter/in eine versierte Anlaufstelle, er kann aber fachlich nicht auf Bauernhofspielgruppen ausgelegt werden.

Neue Präsidentin
Diese Abgrenzung soll mit der Interessengemeinschaft Bauernhofspielgruppe realisiert werden. Zu deren neuer Präsidentin wurde am 16. November Alexandra Kamm gewählt. Sie tritt Anfang 2022 das Amt als Nachfolgerin von Karin Wyss, Schmidigen BE, an. Bei Fragen zur IG Bauernhofspielgruppe gibt Alexandra Kamm, Tel. 044 865 43 01 oder per E-Mail an: alekamm@bluewin.ch, Auskunft.

Abo Trauer So begreifen Kinder in unterschiedlichem Alter und Entwicklungsstadium den Tod Friday, 3. December 2021 Je nach Alter eines Kindes und seinem Entwicklungsstand hat es andere Fähigkeiten hinsichtlich der geistigen Wahrnehmung und der Denkprozesse. Christine Leicht hat diese Fähigkeiten zum Thema Tod nach Altersgruppen aufgelistet und beschreibt, wie Erwachsene das Kind alters- und entwicklungsgerecht unterstützen können.