Grossratskandidaten vorstellen – aber bitte nicht von der SVP. Ein Nein zur Trinkwasser-Initiative begründen – und damit leben, dass man dafür Kollegen verliert. Alleine vor einer Klasse rechtfertigen, wieso Kälber von ihren Müttern getrennt werden – damit es Käse gibt. Verschweigen, dass man in Schangnau Ferien macht, um zu verhindern, dass man ausgelacht wird. Das sind nur einige wenige Geschichten, die unsere Söhne während ihrer Schulzeit erlebt haben. Und zwar nicht nur im Umgang mit Mitschülern, sondern auch mit Lehrpersonen.
Nicht stufengerecht
Diese Erlebnisse haben alle etwas gemeinsam. Sie sind nicht stufengerecht. Unsere Söhne erlernen beide nicht den Beruf des Landwirts, also müssen sie auch nicht erklären können, weshalb man Kühe von Kälbern trennt. Und schon gar nicht, solange sie noch die Schulbank gedrückt haben.
Schulkinder werden für ihre Herkunft ausgegrenzt, beschimpft oder angefeindet. Das hat nicht System, aber es passiert. Und wir müssen davon ausgehen, dass es zunehmen könnte, auch wenn dazu keine Erhebungen gemacht werden. Das ist die Basis, mit der wir umgehen und leben lernen müssen.
Mobbing ist ein ernstzunehmendes Problem
Mobbing auf dem Pausenplatz hat es wohl schon immer gegeben. Denn gehänselt hat man auch in den Fünfzigerjahren. Die leide Angelegenheit wurde einfach nicht als Mobbing bezeichnet. Über Mobbing im Kindesalter ist heute viel bekannt. Das Thema wird in der Kinderpsychologie stark beackert. Ob diese Art von Ausgrenzung zunimmt, ist schwer zu beurteilen, denn Statistiken, die einen Vergleich zulassen, sind rar. Der Begriff Mobbing tauchte in der Erwachsenenwelt erstmals in den Achtzigerjahren auf, seit den Neunzigern spricht man auch bei Kindern davon.
Laut Fachpersonen kann es in jeder Klasse zu Mobbing kommen. Eines der Hauptprobleme dafür sind die Werthaltungen – bestehen hier deutliche Unterschiede, kann das zu Problemen führen. Das ist auch der Grund, weshalb es in Schulen von Agglomerationen oft zu grösseren Schwierigkeiten kommt. Je unterschiedlicher die Herkunft der Kinder, desto unterschiedlicher die Werthaltung der Ursprungsfamilie und damit der Kinder. Einfach gesagt heisst das, dass es Bauernkinder, die auf dem Land leben, grundsätzlich einfacher haben, als Bauernkinder, die Schulen in Stadtnähe besuchen. Das sind Beobachtungen, welche viele Eltern teilen würden.
Die Landwirtschaft als Zielscheibe
Nun bekommt das Ganze aber noch eine andere Dimension. Die Schweiz hat bald 9 Millionen Einwohner. Nicht einmal mehr 150 000 Personen sind in der Landwirtschaft beschäftigt. Der direkte Bezug geht verloren. Und zwar nicht nur jener der Mitschüler, sondern auch jener der Lehrpersonen. Auch sie scheinen zuweilen eigene Werthaltungen im Klassenzimmer zum Masstab zu machen. Und genau dafür bietet die Landwirtschaft derzeit fruchtbaren Boden.
Initiativen, Soziale Medien oder Ernährungsbewegungen machen es der bäuerlichen Bevölkerung nicht einfach. Sie muss ihre Arbeitsmethoden verteidigen und ihre Einkommensquellen rechtfertigen.Im Grunde ist das in Ordnung. Gesellschaftliche Bewegungen und die Nachfrage am Markt steuern in einem freien Land das Angebot. Daran muss sich auch künftig nichts ändern. Wer den Beruf des Landwirts oder der Landwirtin erlernt, muss darauf vorbereitet werden, dass die Nahrung als Lebensmittelpunkt im Interesse der Öffentlichkeit steht. Das heisst, wir müssen die jungen Leute, die dereinst in unsere Stiefel stehen wollen, fit machen. Wir müssen sie an den Landwirtschaftsschulen darauf vorbereiten, dass es nicht nur politisch wiederholt ungemütlich werden kann. Sie müssen merken, wo ihnen die Argumente ausgehen und was sie tun sollten, damit das nicht passiert. Der Bauernstand der Zukunft muss in vielen Bereichen sattelfester sein, als wir es heute sind, daran führt kein Weg vorbei.
Sofort aktiv werden
Was wir aber vermeiden müssen, ist, aus all unseren Kindern quasi Verteidigerzu machen. Wir müssen und dürfen nicht respektieren, dass unsere Kinder an den Schulen ihrer Herkunft wegen ausgelacht, beschimpft oder auch ausgefragt werdenund sich für unseren Berufsstand schliesslich stark machen müssen. Das geht zu weit und ist in keiner Weise stufengerecht. Niemand trägt dafür Verantwortung, wohin er oder sie geboren wurde.
Wer erlebt, dass Kinder mit solchen oder ähnlichen Erzählungen nach Hause kommen, muss sich umgehend mit der Klassenlehrperson in Verbindung setzen. Reicht das nicht, muss weiter oben interveniert werden. Es handelt sich dabei nicht um ein einfaches Hänseln, an dem die Persönlichkeit von Kindern wachsen kann. Hier können sie nur scheitern, weil sie sich für ihre Herkunft rechtfertigen müssen. Das darf der ganze landwirtschaftliche Sektor weder von anderen Schulkindern, noch von deren Eltern und schon gar nicht von Lehrpersonen hinnehmen.
