Kaum hat Nadine Hofstetter vor dem Bauernhaus in Schüpbach BE Platz genommen, stürmt ihre Tochter Ronja zu ihr. Die Zweijährige war mit der Grossmutter am Auberginen ernten und bringt nun ihrer Mutter begeistert einige Mini-Früchtchen, während es sich der sieben Monate alte Joel auf Nadine Hofstetters Schoss bequem macht. Sie wirkt voller Energie und gleichzeitig sehr entspannt. Hier pulsiert das Leben, hier wird gearbeitet, gewachsen, geerntet.

Nadine Hofstetter ist 31-Jährig, verheiratet und Mutter von zwei kleinen Kindern. Sie ist gelernte Gemüsegärtnerin und hat ihre Berufslehre im Seeland absolviert. «Auch wenn es mir dort gut gefiel, so richtig heimisch bin ich nie geworden. Hier im Emmental sind die Leute viel umgänglicher», erzählt sie. Das unkomplizierte «Sälu» ist im Emmental normal, hier wird jeder geduzt. Dies entspricht ihrer fröhlichen Art. «Das Glück kommt zu denen, die lachen», so ihr Konfirmationsspruch. Der passe gut zu ihr, meint Nadine Hofstetter, sie nehme das Leben mit einem breiten Lachen. «Wenn ich genug geschlafen habe, ist alles gut», ergänzt sie und streicht Joel über den Kopf.

Der Hofladen ist die Haupteinnahmequelle

«Ich habe immer gesagt, dass ich den Betrieb übernehmen möchte, bevor ich dreissig werde», sagt Nadine Hofstetter, «schliesslich haben wir den ersten Tunnel im Herbst 2017 gestellt, um Nüssler anzubauen. Da war ich 23, mein Bruder 21-jährig.» Die elterlichen Betriebe mit den Standorten in Schüpbach, wo der Hofladen ist, und in Signau, führt Nadine Hofstetter gemeinsam mit ihrem Bruder Toni Hofstetter, der gelernter Landwirt ist. Bei der Hofübernahme Anfang 2018 gründeten die beiden eine Geschwistergemeinschaft. Ausser den Heidelbeeren und den Weihnachtsbäumen, die sie von den Eltern übernommen hatten, stellten sie den Betrieb komplett um und richteten ihn für die Direktvermarktung von Gemüse und Fleisch ein.

Auf 16 ha bauen sie nun ein vielfältiges Gemüseangebot an. Dazu kommt Urdinkel, Silomais und Grünfutter an. Zusätzlich halten sie Rinder, Schweine, Poulet, Truten und Schafe. Die Haupteinnahmequelle ist der Hofladen. Auch dadurch, dass er direkt an einer stark befahrenen Hauptstrasse liegt, wird er sehr gut besucht. Zudem beliefert der Hof einige Läden und Restaurants in der Region mit frischem Gemüse. Während Spitzenzeiten, wie etwa der Heidelbeer-Ernte, arbeiten bis zu zwanzig Personen auf den Feldern mit. Das ganze Jahr haben die Geschwister eine Person fest angestellt und bilden einen Lehrling aus.

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Die Kinder immer mittendrin

Im ersten Jahr mussten sich Nadine und Toni Hofstetter in ihren neuen Rollen als Betriebsleiter erst zurechtfinden. Beide wussten noch nicht, wie der andere tickt. Nadine Hofstetter fand rasch heraus, dass die Zusammenarbeit nach dem Prinzip «Leben und Leben lassen» am besten gelingt. «Man muss sich zusammenraufen und einander nicht dreinreden», sagt sie. So funktioniert es seit sieben Jahren. Sie lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. «Ich habe gelernt, es auch mal stehen zu lassen und weiterzugehen», fügt sie mit einem Lächeln hinzu. Es ist ihr wichtig, dass es harmoniert, dass man im gegenseitigen Respekt zusammen unterwegs ist und am gleichen Strang zieht.

Die Verantwortung für die beiden Betriebszweige, das Gemüse und die Tierhaltung, haben sie aufgeteilt. Die Geschwister mit ihren Familien helfen einander, sei es auf dem Hof oder bei der Kinderbetreuung. Die jeweiligen Kinder wachsen gemeinsam mit ihren Cousins auf und sind immer mittendrin. Auch die Grosseltern ziehen mit und helfen, wenn sie Zeit haben. Nadine Hofstetters Ehemann Roland arbeitet zu 90 % auswärts als Fahrzeugbauer, Toni Hofstetters Frau Andrea ist mit einem 40 % Pensum bei der Spitex angestellt.

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Mit dem Stand-Up-Paddle auf die Aare

Ein Vorteil der Geschwistergemeinschaft ist auch, dass Ferien und freie Tage problemlos möglich sind und der Betrieb trotzdem weiterläuft. Bei schönem Wetter zieht es Nadine Hofstetter in der Freizeit mit dem Stand-Up-paddle auf die Aare. Wasser sei ihr Element, dort könne sie sich entspannen, sagt sie. «Mein Lieblingsplatz ist einfach am, im oder auf dem Wasser», sagt sie. Ihr Mann hält ihr dann mit den Kindern den Rücken frei. Der Grindelwaldner ist begeisterter Jäger, ihn zieht es zur Entspannung eher in den Wald. «Jagen wäre nichts für mich, das ist mir viel zu langweilig», wehrt Nadine Hofstetter ab. Einander auch Freiräume zu geben, gehört zum guten Gelingen ihrer Ehe.

Für Nadine Hofstetter muss immer etwas laufen. Die engagierte Gemüsegärtnerin ist am liebsten draussen und freut sich, wenn ihre Kulturen gut wachsen. Dieses Jahr wurden sie vom Hagel verschont, der auch schon grossen Schaden angerichtet hat. Solche Momente sind schlimm für sie, etwa so, wie wenn eines ihrer Kinder traurig ist, und sie nicht weiss, wie helfen. «Früher war der Betrieb mein Kind, jetzt ist es wie ein drittes Kind», erzählt sie. Das Telefon läutet unterdessen zum wiederholten Mal. «Diesmal muss ich es abnehmen», sagt sie entschuldigend und nimmt eine Bestellung auf.

Weitere Informationen

Fragen an Nadine Hofstetter

Von welchem Erlebnis erzählen Sie immer wieder?
Vom Wedele machen mit dem Grossvater

Welche Arbeit liegt Ihnen gar nicht?
Das Traktorfahren

Welchen Traum möchten Sie sich noch verwirklichen?
Einen Ferrari in der Garage

Worauf achten Sie bei einem Mann oder einer Frau als Erstes?
Auf die Zähne

Wohin möchten Sie noch reisen?
Norwegen, Finnland, Schweden