«Alles hat sich so ergeben», sagt Jeannette Stadelmann-Eugster. Seit zwei Jahren führt sie mit ihrem Mann René eine Hofbeiz. Wie sie dazu gekommen sind, erzählte sie am zweiten Ostschweizer Agrotourismus-Stamm, der am Dienstag auf ihrem Betrieb in Neugut Degenau stattfand. Die Veranstaltung wurde organisiert vom Strickhof, Arenenberg, vom Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen LZSG sowie dem Landwirtschaftsamt Appenzell Ausserrhoden.
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Brunch, Taufe, Geburtstag oder Hochzeit
Das Ehepaar Stadelmann-Eugster hatte den Familienbetrieb übernommen, nachdem der Bruder von René verstorben war. Um weiterhin auswärts arbeiten zu können, stellten die Automechanikerin und der Polizist von der Milchwirtschaft auf Mutterkühe um. Dabei stellte sich die Frage, wie man das Fleisch vermarkten könnte, ausser es in den Handel zu geben. «Daraus ist die Idee der Hofbeiz entstanden», erzählte Jeannette Stadelmann-Eugster, die selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen ist.
Der Plan wurde konkret: Die Familie erhielt die Baubewilligung für ein einstöckiges Gebäude von rund 150 m2 mit einer Küche, welche auch als Produktionsraum zugelassen ist, und einem Gästeraum,. Zudem engagierte sie eine Werbefirma, welche ein Logo kreierte. 2022 erfolgte die Eröffnung der Hofbeiz. Diese ist regulär am ersten Wochenende im Monat geöffnet, für Gruppen von 15 bis 60 Leuten auch auf Anfrage hin. «Da wir gut vernetzt sind, sprach sich unser Projekt schnell herum», so die Bäuerin.
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Sie ist für das Kochen zuständig
Die Nachfrage sei von Anfang an da gewesen. Bei den gebuchten Anlässen handelt es sich um Verschiedenes wie Firmenessen, Geburtstage, Taufen, Brunchs, Tagungen oder Grillevents. Zudem wird diesen November zum ersten Mal eine Metzgete stattfinden.
Das Fleisch stammt von den eigenen Angusrindern. «Pro Jahr verkaufen wir sieben bis acht Tiere als Mischpakete und brauchen das Fleisch in der Hofbeiz», sagte die Bäuerin, die für das Kochen zuständig ist. Auch bei den weiteren Produkten lege man Wert auch Regionalität: Das Gemüse komme vom Biobauer nebenan, das Brot von einer Nachbarin. Jeannette Stadelmann-Eugster ist weiterhin Teilzeit auswärts tätig, während ihr Mann inzwischen Vollzeit auf dem Hof arbeitet. Für die Anlässe haben sie zudem Angestellte im Stundenlohn. «Wir sind zufrieden, es läuft wirtschaftlich gut», resümierte die 40-Jährige.
Die Holzbeige vor der Terrasse
Zu den Investitionen, die sie getätigt haben, meint ihre Schwiegermutter Jeannette Stadelmann-Gsell, die beim Landwirtschaftsamt Appenzell Ausserrhoden als Beraterin für Direktvermarktung tätig ist: «Man darf beim Einstieg in den Agrotourismus ruhig den Mut haben, unternehmerisch zu sein.»
Schon etwas länger im Agrotourismus tätig sind Claudia und Daniel Tschannen aus Illighausen: Sie fingen vor 15 Jahren mit einem Schlafen-im-Stroh-Angebot an, nachdem sie die Milchwirtschaft aufgegeben und einer Ergänzung zur Rinderaufzucht suchten. «Attraktiv ist, dass unser Hof nahe am Bodensee liegt», stellte Claudia Tschannen fest. Heute bieten sie Übernachtung und Frühstück für maximal 20 Personen an. Die Schlafplätze teilen sich auf mehrere Zimmer sowie ein Strohlager auf, die Tschannens vorwiegend in Eigenregie umgebaut haben.
Zielpublikum sind Familien mit Kindern, aber auch Gruppen wie etwa Schulklassen. Aufgrund der Lage im Grünen können sich Kinder frei austoben. Auf die Frage nach Herausforderungen antwortete die Thurgauerin: «Man muss sich bewusst sein, dass das Sommerhalbjahr vorwiegend aus Arbeit besteht, während die Gäste freihaben.» Ihr Motto laute, man müsse Menschen mögen, fügte sie hinzu. Und wie grenzt sich die Bauernfamilie ab? «Wir haben zum Beispiel als Sichtschutz eine Holzbeige vor unserer Terrasse», so Tschannen. «Zudem definieren wir klar, wo sich die Gäste aufhalten dürfen.»
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Interview
«Selbstbewusst hinter dem Preis stehen»
Die Preisgestaltung von Agrotourismusangeboten ist nicht einfach, da oftmals direkte Vergleiche fehlen. Auf was sollten Anbieter achten?
Karin Wechsler: Oft setzen Anbieter die Preise zu tief an, ohne vorher eine Vollkostenrechnung zu erstellen. Nebst den produktspezifischen Kosten sind auch die Investitionen sowie die Lohnkosten und ein Gewinn einzurechnen. Auch der Kontakt zu den Tieren, ein gepflegter Garten, hofeigene Produkte oder eine gute ÖV-Verbindung schaffen einen Mehrwert. Zudem sind immer wieder Ersatzprodukte zu beschaffen, beispielsweise regelmässig neue Frotteewäsche. Ausserdem ist bei der Kalkulation an die vielen Extras zu denken, wie etwa das Schöggeli auf dem Kopfkissen oder das Abschiedsgeschenk, selbst wenn diese ungebraucht zurückbleiben. Auch empfiehlt es sich, einmal die Zeit zu stoppen und sich bewusst zu werden, was alles zum zeitlichen Aufwand gehört.
Zur Person
Karin Wechsler ist Vizepräsidentin von Agrotourismus Schweiz. Sie berät Betriebe und bietet auf ihrem Hof in Neuenkirch LU zusammen mit der Pächterfamilie Übernachtungen im Baumhaus an.
Viele Anbieter sind unsicher, in was sie investieren sollen. Was raten Sie ihnen?
Es lohnt sich, in etwas Schönes und Spezielles zu investieren, mit dem sich der Gast wohlfühlt. Es ist nicht nötig, bei jedem Franken zu sparen. Mit einem entsprechenden Preis lässt sich dies wieder herausholen. Wichtig ist, dass man selbstbewusst hinter dem Preis stehen darf. Generell gilt, je teurer das Angebot, desto anspruchsvoller sind die Gäste. Letztlich sind es die Rückmeldungen und der Markt, die uns sagen, was preislich im Rahmen liegt. Auf jeden Fall sollen die Bauernfamilien erst investieren, wenn sie die Umnutzungsbewilligung erhalten haben.
Welche Tipps geben Sie für den Einstieg in den Agrotourismus?
Am besten fängt man klein an, macht seine ersten Erfahrungen und falls dann nichts draus wird, kann man ohne wesentlichen finanziellen Verlust immer noch aufhören. Oder man merkt, dass es für die anderen Familienmitglieder nicht stimmt, und dann wird es schwierig, erfolgreich Agrotourismus zu betreiben. Es müssen alle auf dem Hof dahinterstehen können.
