Wir treffen Maël Matile an einem sonnigen Frühlingstag in Burgdorf. Draussen blühen die Forsythien und drinnen empfängt uns das schlichte, aber helle «Landlicht». Wo früher einmal ein Coop war, ist es nun Selbstbedienungsladen und Begegnungsort in einem. Eine breite Fensterfront zieht sich entlang des Raumes – viel Licht, doch die Sonne fällt nicht direkt hinein. So bleibt die Frische im Laden. Es riecht nach Holz, nach Brot und Lagergemüse.

Maël Matile, der 36-jährige Geflügelproduzent aus Kaltacker BE, betreibt den Laden gemeinsam mit seiner Frau Sabine und zwei weiteren Ehepaaren. «Die Idee war, die Direktvermarktung zu bündeln», sagt Maël. Bündeln – das heisst für ihn und die anderen Mitgründerinnen und Mitgründer: eine breite Palette an regionalen, saisonalen Grundnahrungsmitteln für den täglichen Bedarf unter einem Dach.

Vom Land ins Licht

Zwei Jahre ist der Laden jetzt an diesem Standort – gegründet als GmbH von den drei Ehepaaren, alle mit gleichem Einsatz und gleichem Risiko. Eine einfache, faire Struktur, aber alles andere als ein einfacher Weg, wie man im Gespräch mit dem jungen Mann erfährt. «Landlicht – das steht für uns: Wir sind alle vom Land. Und wir wollen mit unseren Lebensmitteln ein Stück Hoffnung ans Licht bringen. Wir wollen ein Angebot zu fairen und erschwinglichen Preisen», erklärt Maël.

«Man muss den Mut haben, zu investieren.»

Maël Matile, seit 13 Jahren selbstständiger Unternehmer.

Obwohl der Laden als Selbstbedienungskonzept funktioniert, ist immer samstags jemand der Bauernfamilien da, sei es im Laden selbst oder aber im Raum nebenan, wo angeliefert wird. «Wenn jemand den persönlichen Kontakt sucht – wir sind da», sagt Maël. Manche kommen eben nur für frisches Gemüse, Gebackenes oder Milchprodukte, andere zusätzlich noch für einen kurzen Schwatz. Die Kundschaft ist divers. Ein einseitiges Zielpublikum strebt Maël nicht an. Natürlich stehe die Familie im Fokus – aber eben nicht nur. Den Kunden zudem vorschreiben, was sie essen sollen, will hier niemand. Am Ende zählt, dass die Leute kommen und vor allem auch wiederkommen. «Das meistverkaufte Produkt? Das Ei», sagt Maël. «Gut für mich», meint er und lacht.

Dass die Kundschaft bewusst einkauft, merkt er deutlich. Viele achten auf Regionalität, auf die Herkunft. «Aber sie schauen auch auf den Preis. Unsere Herausforderung ist, dass eine Familie für hundert Franken hier ihren Wocheneinkauf mit Grundnahrungsmitteln machen kann», erklärt er. Die Marge sei eng kalkuliert. Stromkosten, Kühlung, Infrastruktur – ein Hofladen auf dem eigenen Betrieb habe da andere Voraussetzungen als ein Mietobjekt in dieser Grösse, wie das Landlicht in Burgdorf. «Wir müssen wachsen – und gleichzeitig die Kosten im Griff behalten. Das eine geht nicht ohne das andere. Fakt ist nach zwei Jahren: Wir müssen noch mehr», ergänzt der gelernte Geflügelzüchter.

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Mehr als eine schöne Idee

Dass der Umsatz stetig steigt, ist ermutigend. «Wir verzeichnen jetzt etwa fünfzig Einkäufe am Tag. Es könnten doppelt so viele sein. Denn die fixen Kosten bleiben», erklärt er. Mit dem Landlicht wollen die drei jungen Familien mehr sein als eine schöne Idee – sie wollen wirtschaftlich tragfähig bleiben.

Um die Kundschaft zu pflegen und allenfalls auch neue Kunden zu generieren, wird es zweimal im Jahr festlich im Landlicht: beim Apfelmarkt im Herbst oder beim Eiertütschen vor Ostern. «Solche Anlässe bringen Leben in den Laden und zeigen, dass regionale Versorgung auch Gemeinschaft bedeutet», sagt Maël Matile. Und obschon ihm genau das sehr wichtig ist in seinem Leben: Der Alltag ist arbeitsintensiv. Auffüllen, reinigen, kalkulieren, planen. Das Landlicht ist kein Selbstläufer.

Maël bringt es nüchtern auf den Punkt: «Ein Hofladen muss bewirtschaftet werden.» Sonst funktioniere es nicht. Träumerei bringe nichts und die Ideen müssten realistisch, umsetzbar und auch tragfähig sein. So wurde auch rund ums Landlicht der ursprüngliche Gedanke eines Cafés verworfen – heute zählt das, was läuft, ändern oder erweitern könne man stets. Und die Lage in Burgdorf mit rund 17 000 Einwohnern sei gut, wenn auch nicht zentral: Ein Veloweg führt vorbei, der Bahnhof ist nah, Parkplätze sind vorhanden. Der Standort funktioniert – trotz allem. «Aber du kannst nicht einfach sagen, das ist jetzt super. Du musst dich ständig hinterfragen», erklärt Maël auch gleich sofort. Auf Lorbeeren auszuruhen, scheint definitiv nicht sein Ding zu sein.

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Der Hof Gutisberg

Wir schliessen die Ladentüre des Landlichts hinter uns und fahren weiter. Ein paar Kilometer ausserhalb von Burgdorf, auf rund 700 Metern über Meer in Kaltacker, liegt der Betrieb Gutisberg. Hier produziert die Familie Matile, was unter anderem im Landlicht verkauft wird. Auf dem idyllisch gelegenen Hof ist Sabine aufgewachsen. Der Betrieb hat sich seit ihrer Ehe mit Maël stark verändert. Wo einst gemolken wurde, ist ein KMU entstanden. Vier Angestellte arbeiten mit. Das junge Paar hat viel in die Infrastruktur investiert. Neben dem Legehennenstall ist so einiges rund um den Eierbetrieb entstanden. Maël ist privater Eierproduzent, er hat den Stall in Eigenregie erstellt – ohne Integrationen, auch wenn die Eier vom Weidhof, Maëls GmbH, auch in den Coop-Regalen angeboten werden.

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Bei unserer Ankunft hängt Sabine Wäsche auf, derweil nimmt sie am Telefon Bestellungen entgegen. «Anders ginge es nicht», sagt ihr Mann Maël auf dem Weg zum Legehennenstall. Es brauche die ganze Familie. Der dreifache Vater sieht im Alltag der Familie viele Vorteile. Die Kinder hätten viel Bewegungsfreiheit auf dem Hof. «Sie haben viele kreative Ideen und denken aber auch schon im Betrieb mit. So zeichnet unser Achtjähriger bereits einen neuen Schafstall oder weiss, wie die Maschinen im Legehennenstall funktionieren. Sie wachsen einfach mit», sagt er und schaut in den grünen Hühnerhof.

Die Hühner picken unter blühenden Kirschbäumen im Auslauf. Sie suchen den Schatten, meiden die pralle Sonne. «Du kannst ihnen Quadratmeter bieten, aber sie nutzen nur, was sie brauchen», sagt Maël bestimmt. «Wichtig ist, dass sie tun können, was sie möchten. Nicht der Zentimeter entscheidet, sondern das Tierwohl im Alltag», erklärt der Lehrmeister.

Die Hühner haben es schön. «Ich will, dass es unseren Tieren gut geht, dafür brauche ich niemanden, der mir sagt, wie das genau aussieht. Wir sind das den Tieren, aber auch unseren Konsumenten schuldig», meint er. Natürlich sei eine Grundlage beim Tierschutz notwendig, schliesslich müsse es ja auch praktikabel und kontrollierbar sein. Aber alles, was mehr ist als die Grundlage, die es gesetzlich zu erfüllen gibt – darüber will der Fachmann selber bestimmen. «Mir bringt das Wissen von Leuten am Schreibtisch wenig, ich muss es erkennen, sehen und verstehen und letztendlich auch umsetzen können», schlussfolgert er. Gefragt danach, wie er zur Stallgrösse und zu Massentierhaltung in der Schweiz denkt, sagt er: «Die Anzahl Tiere ist nicht relevant, sondern die Einstellung des Betriebsleiters. Man kann zu 50 Hennen gut schauen oder zu 10 000. Das Tier muss im Zentrum stehen und nicht die Anzahl.» Er erinnert an die 9 Millionen Einwohner, die unser Land aktuell hat. «Wenn wir sie ernähren wollen, dann müssen wir auch Menge produzieren. In Eiern gesagt: Das machen wir nicht alles mit einem kleinen mobilen Hühnerstall.»

«Gewisse Werte haben unser Land geprägt.»

Maël Matile, Geflügelzüchter und Lehrmeister.

Gelebte Wertehaltung

Maël Matile steht im Auslauf und beobachtet die Hühner. Hier ist er gerne. Die Leidenschaft zum Huhn hat er quasi in die Wiege gelegt bekommen – und das, obschon er nicht auf einem Bauernhof aufgewachsen ist. «Ich bin nicht konservativ», sagt er, «aber gewisse Werte haben unser Land geprägt», sagt er plötzlich. Es sei wichtig, zu wissen, woher man kommt und zu erfahren, was die Generationen vor einem getragen haben. In der Schweiz zu leben, sei ein Privileg, vielleicht werde das nicht oft genug so gesehen. Und so sei es auch wichtig, etwas zum eigenen Glück beizutragen. «Es ist nicht viel in unseren Händen – aber das, was wir beeinflussen können, das sollten wir positiv gestalten», sagt er.

Dann erzählt er uns von einem nahen Freund, der auch Arbeitskollege war, den er im vergangenen Jahr verloren hat. Der Verlust hat ihn nachdenklich gemacht. «Es hätte auch mich treffen können», meint Maël Matile und ergänzt: «In solchen Momenten wird einem klar, worauf es ankommt.» Auf gute Mitarbeitende zum Beispiel – und auf den Zusammenhalt in der Familie. Seine Frau Sabine, die drei Kinder Noa, Emelie und Noël, die Schwiegermutter Maya Widmer, die Mitarbeitenden: Am Mittagstisch sitzen sie oft alle zusammen. Wenn die Schwiegermutter mal nicht mitesse, dann sei er mit 36 der Älteste am Tisch, erklärt er uns schmunzelnd.

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Nicht jeder ein Unternehmer

Maël Matile weiss auch schon in jungen Jahren, dass die Belastung in der Urproduktion zuweilen sehr gross ist. «Es ist nicht jeder oder jede zum Unternehmer oder zur Unternehmerin gemacht», meint er. Es brauche Belastbarkeit, gerade in der Landwirtschaft. Es ist noch nicht so lange her, als sein Schwiegervater Alfred Widmer starb, der bis zuletzt auf dem Hof mitgearbeitet hat. Ungefragt läuft es trotzdem weiter. Die Uhr bleibe nicht stehen, die Arbeit warte nicht. «In solchen Momenten muss man Hilfe annehmen und einen intensiven Austausch pflegen – das ist entscheidend.»

Kein Platz für Stillstand

Maël Matile ist seit 13 Jahren selbstständig und seit 20 Jahren in der Branche. Dass er mit 23 Jahren die Weidhof GmbH gegründet hat, klingt im Rückblick fast beiläufig. Heute sucht der Unternehmer weitere Eier-Produzenten. Die Nachfrage nach Schweizer Eiern ist hoch. «Wenn die Leute Eier essen – und das tun sie –, dann sollten diese Eier von hier kommen.»

Er setzt auf gesundes Wachstum. «Man muss den Mut haben, zu investieren», sagt er. Und auch Schulden nicht nur als Belastung zu sehen, sondern als Teil einer Strategie. Viel Wert dabei legt er auf das Verbindende – in der Familie, aber auch im Umfeld, in der Nachbarschaft. Und dabei spielen auch Traditionen eine wichtige Rolle. «Am 1. August ein Feuer mit den Nachbarn – das geht verloren, wenn es niemand macht. Mir ist das wichtig», sagt er. Für das Verbindliche, das einst Genossenschaften und Käsereien zusammenhielt, fehlt heute zunehmend die Zeit und teils auch die Strukturen, denkt er. Der Zusammenhalt sei aber wichtig. «Darum finde ich auch den Bauernverband grundsätzlich eine gute Sache. Kritisieren ist einfach. Sich engagieren – das ist etwas anderes. Mir liegt das Zweite näher.»

Der Betrieb Gutisberg in Kaltacker
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Der Betrieb Gutisberg umfasst 15 Hektaren Landwirtschaftsland. Rund zwei Drittel davon werden ackerbaulich genutzt. Der Rest dient der Fütterung der Tiere – vor allem der 200 Mutterschafe. Das Herzstück des Betriebs ist ein Legehennenstall mit 6000 Legehennen. Weiter verkaufen Matiles Junghennen. Angebaut wird:

- Weizen – für Brotgetreide an die Mühle Kleeb
- Kartoffeln – für Grosshandel und Direktverkauf
- Zuckerrüben und Silomais
- Futtergetreide Tritcale
- Futterflächen – als Weide, Heu oder Grassilage für die eigenen Tiere
Tierische Produkte:
- Freilandeier – für die Weidhof GmbH
- Zuchttiere der Rasse Engadinerschaf
- Lammfleisch – direkt ab Hof
- Aufzucht von 6500 Masteltertieren in Kombination mit Pouletmast.