Die interne Vernehmlassung zur Bildungsrevision steht an, doch das Modell 3+1 ist alles andere als unumstritten. Kürzlich scheiterte im Vorstand ein Antrag, dass weitere Varianten geprüft werden sollten. Was ist Ihre Position?
Markus Ritter: Es wurden in einem langen Prozess verschiedene Varianten geprüft und deren Vor- und Nachteile abgewogen. Am Schluss kamen die involvierten Bildungsexpert(innen) zum Schluss, dass das Modell 3+1 den vielfältigen Bedürfnissen an die landwirtschaftliche Grundbildung am besten entspricht. Die Vernehmlassung wird nun zeigen, ob diese Meinung in der Branche getragen wird. Jetzt ist der Zeitpunkt, um Bedenken einzubringen.
Was sagt der SBV zu der Kritik aus Verbänden und Organisationen, unter anderem einer zu starken Spezialisierung im dritten Lehrjahr und eines zu starken Abbaus der Pflichtlektionen?
Das vorgeschlagene Modell zeichnet sich dadurch aus, dass die Lernenden ihre Ausbildung gemäss ihren betrieblichen Bedürfnissen gestalten können. Wenn jemand einen reinen Grünlandbetrieb mit Mutterkühen hat, dann reicht ihm eine dreijährige Ausbildung mit einem Schwerpunkt im dritten Lehrjahr. Wenn es uns nicht gelingt, die künftigen Betriebsleitenden mit vielfältigen Betrieben im Mittelland zu einem vierten Lehrjahr zu motivieren, dann ist die Kritik berechtigt.
Wie steht der SBV zur Forderung nach mehr Bio in der Ausbildung?
Das ist auch unser Ziel. Das Wissen zum biologischen Landbau ist überall integriert. Wir können das heute niemandem mehr vorenthalten. So profitieren alle von diesem wertvollen Wissen und die Hürde, umzusteigen, sinkt. In der Fachrichtung Ackerbau gibt es zusätzlich noch Ackerbau Bio.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Befürchtung, dass das freiwillige vierte Lehrjahr zu wenig attraktiv sein wird.
Diese Befürchtung verstehe ich und hier müssen wir unser Augenmerk darauflegen. Ein wichtiger Schritt ist sicher auch, dass im vierten Lehrjahr ein markant besserer Lohn vorgesehen ist. Doch ich bin überzeugt, dass es möglich ist, den richtigen Groove hinzubekommen. Es muss selbstverständlich sein, das vierte Lehrjahr zu machen, weil es attraktiv ist, und die Ausnahme, es bei drei Jahren zu belassen.
Was ist von der internen Vernehmlassung zu erwarten?
Die interne Vernehmlassung ist die Gelegenheit, das vorgeschlagene Konzept abzustützen sowie gleichzeitig die vorhandenen Bedenken sowie Vorschläge aufzunehmen und sie in der Folge zu prüfen. Falls die Vernehmlassung zeigt, dass das Modell nicht getragen wird, dann müsste die OdA Agri Ali Form über die Bücher.
Steht die Bildungsreform nun auf der Kippe?
Aus aktueller Sicht würde ich sagen nein. Es gibt zwar Kritik am Modell, aber aus sehr unterschiedlichen Richtungen. Die einen möchten die bisherige dreijährige Ausbildung optimieren. Andere sind überzeugt, dass nur eine vierjährige Ausbildung es erlaubt, das nötige Wissen zu vermitteln. Von dem her ist für den Vorstand des SBV das Modell 3+1 auch zwischen diesen Fronten ein Kompromiss.
Warum ist das Modell 3+1 für den SBV der richtige Weg in die Zukunft?
Der grosse Vorteil aus meiner Sicht ist die Flexibilität des Systems. Es werden nicht alle Lernenden über eine Leiste geschlagen, sondern sie können sich jenes Wissen aneignen, das sie auf ihrem jeweiligen Betrieb brauchen. Zudem gibt es mit den Fachrichtungen die Möglichkeit, sich in Bereichen zu vertiefen, die bisher so nicht möglich waren. Zum Beispiel als Schweinezüchter(in).
Die Ansprüche an die landwirtschaftliche Bildung werden immer komplexer und auch die Anforderungen, um einen Betrieb zu führen, steigen, wie kann die Bildung da Schritt halten?
Das muss unser Ziel sein! Unsere Berufe sind extrem anspruchsvoll geworden. Nicht nur in der Produktionstechnik oder der Tierhaltung, sondern auch beim ganzen Drumherum. Es gibt immer mehr anspruchsvolle Technik zu beherrschen, viele Auflagen zu beachten, Effizienz in der Büroarbeit ist gefragt und vieles mehr. Wenn es uns gelingt, eine Mehrheit für eine vierjährige Ausbildung zu motivieren, dann hat die Grundausbildung an Wert gewonnen. Und wir müssen uns bewusst sein: Mit der Grundbildung ist es nicht getan, vielmehr geht es um lebenslanges Lernen. Regelmässige Weiterbildungen sind ein Muss, um sein Wissen aktuell zu halten.
Die Lernendenzahlen sind gut – wie will man sicherstellen, dass das auch so bleibt?
Die Grundausbildung bleibt attraktiv, wenn sie den unterschiedlichen Bedürfnissen der Lernenden möglichst gut Rechnung trägt, Flexibilität erlaubt und Kenntnisse vermittelt, auf die man im Arbeitsalltag angewiesen ist.
Viele Betriebe suchen Angestellte, der Fachkräftemangel verschärft sich, die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt ist gross – wie will man dieser Thematik in Zukunft begegnen?
Indem wir nicht nur die Kinder von Bauernfamilien, die mit dem Ziel einer späteren Betriebsübernahme die Grundbildung absolvieren, sondern auch Leute von ausserhalb der Landwirtschaft für eine Ausbildung in unserem Berufsfeld begeistern. Deshalb sind Auftritte wie jene an den Swiss-Skills oder an Bildungsmessen wichtig. Wir planen, ab Sommer 2023 15 Lernende aus dem Berufsfeld Landwirtschaft auf dem Instagram-Kanal von Schweizer Bäuerinnen und Bauern über ihren Arbeitsalltag und ihre Erfahrungen berichten zu lassen. Junge Lernende eignen sich als Botschafter für unsere interessanten und vielfältigen Berufe in und mit der Natur sicher am besten.
