Ist von kollektiver Hofführung die Rede, ist der Vorwurf des Kommunismus nicht weit und die Skepsis oft gross. Darunter versteht man die Idee, dass eine Gruppe gleichberechtigter, nicht verwandter Personen als Betriebsleitung auftritt. «Bei Kollektiven geht es in der Regel um das Teilen von Arbeit und Verantwortung, manchmal von Eigentum, und es wird oft Direktvermarktung betrieben», erklärte Mirjam Bühler. Sie betreut bei der Kleinbauern-Vereinigung (VKMB) die Anlaufstelle für ausserfamiliäre Hofübernahme und referierte an einer abendlichen Podiumsdiskussion. «Wir wollen nicht Familienbetriebe gegen Kollektive ausspielen, alle Formen haben ihre Berechtigung», hielt Bühler fest. Man lege an diesem Anlass einen Fokus auf Kollektive, weil das Interesse daran zunehme und das Wissen darüber gleichzeitig wenig verbreitet sei.
Die Grenzen des BGBB
Ein vorwiegend junges Publikum war der Einladung der VKMB gefolgt. Das passt zum Kontext, denn neue Formen der Betriebsführung gelten als besonders interessant für die nächste Generation von Menschen in der Landwirtschaft, die eine Alternative zum Alleinunternehmen sucht. Das Gesetz macht kollektive Hofübernahmen allerdings nicht gerade einfacher, denn das Bäuerliche Bodenrecht (BGBB) ist auf Familienbetriebe und innerfamiliäre Hofübernahme ausgerichtet. Trotzdem warnt die VKMB eindringlich davor, das BGBB aufzuweichen: «Es schützt Landwirtschaftsland vor Spekulation, hohen Preisen und Zerstückelung», begründet Mirjam Bühler. Ausserdem ermögliche es eine sinnvolle Kontrolle über den Zugang zu Land. «Bauern sind nicht die einzigen, die gerne etwas davon hätten», sagt die Fachfrau.
Somit drehte sich die Podiumsdiskussion nicht darum, wie das BGBB verändert werden sollte. Vielmehr zeigten die Gäste auf, welche Möglichkeiten sich bereits heute bieten, und erklärten, wie ihre kollektiv geführten Betriebe funktionieren (siehe Kästen auf der gegenüberliegenden Seite). Generell seien Kollektive eine Möglichkeit, wieder mehr Menschen in die Landwirtschaft zu bringen, ist man bei der VKMB überzeugt. Dabei werden Quereinsteiger(innen) als Gewinn gesehen, da sie oft verschiedene Fähigkeiten mitbringen und zur Diversifizierung eines Hofs beitragen können.
«Bauern sind nicht die einzigen, die gerne etwas davon hätten»
Mirjam Bühler, VKMB, warnt vor einer Aufweichung des BGBB.
Keine ideale Rechtsform verfügbar
In der Westschweiz beschäftigt sich die landwirtschaftliche Beratung des waadtländischen Bauernverbands (Proconseil) unter anderem mit kollektiver Hofführung. Grosse Themen sind dabei einerseits die passende Rechtsform und andererseits der schwierige Zugang zu Land. «Für einen Anfang ist es einfacher, zu pachten», sagt Delphine Piccot, Beraterin bei Proconseil. Denn als Pächter habe man unter gewissen Bedingungen ein Vorkaufsrecht für die bisher gepachteten Flächen.
Gibt es Direktzahlungen?
Dafür muss es sich beim Pächter/Käufer entweder um den Eigentümer eines landwirtschaftlichen Gewerbes handeln oder die gepachtete Fläche muss gross genug sein, um ein landwirtschaftliches Gewerbe zu bilden. Bei einer Pacht sind die finanzielle und rechtliche Schwelle (Ausbildung) tiefer als beim Landkauf – «Jeder kann Land pachten», so Piccot. Für den Erhalt von Direktzahlungen sind sowohl die rechtliche Form als auch die Ausbildung der Beteiligten wichtig. Genossenschaften sind per se nicht direktzahlungsberechtigt. Bei AGs müssen 2∕3 der Beteiligten aktive Bewirtschafter sein und damit eine anerkannte landwirtschaftliche Ausbildung haben. Im Fall einer GmbH liegt der erforderliche Anteil für den Erhalt von Direktzahlungen bei ¾.
Sich beraten lassen
Zu den verschiedenen rechtlichen Formen für Kollektive enthält die Uniterre-Broschüre «La Terre à celleux qui la cultivent» eine Liste, die neben AG und GmbH unter anderem auch Einzelunternehmen, einfache Gesellschaften, Stiftungen oder Vereine aufführt. «Jede der derzeitigen Rechtformen hat ihre Vor- und Nachteile, keine erfüllt die Wünsche der Kollektive vollständig», schrieben die Autoren. Möglich ist auch die Kombination verschiedener Formen. Man empfiehlt, eine Beratung in Anspruch zu nehmen und kollektiv geführte Betriebe zu besuchen, um sich selbst ein Bild zu machen.
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Grosse Allmenden
«Die Landwirtschaft bietet eine Steilvorlage für kollektives Wirtschaften», findet Tina Siegenthaler vom Fondlihof in Dietikon ZH. Schliesslich seien die Grundlagen der Produktion – Boden, Wasser, Sonne, Luft, Biodiversität – im Grunde nichts anders als Gemeingüter. «Es bietet sich an, dass sich dafür nicht nur eine Person verantwortlich fühlt oder fühlen muss.» Eine Neuheit ist gemeinsames Nutzen und Arbeiten in der Landwirtschaft allerdings nicht. Im Jura seien teilweise die Hälfte der Weideflächen Allmenden, führte Hannes Schmid aus. Bevor die Ferme de Cerniévillers, auf der er lebt und arbeitet, zum kollektiv geführten Hof geworden ist, sei sie von vier Geschwistern gemeinsam geleitet worden. «Das war schon eine Art Kollektiv», findet Schmid. Der nächste Schritt war der Einbezug von Menschen ausserhalb der eigenen Verwandtschaft.
«Mir macht es nichts, wenn man das als Kommunismus bezeichnet»
Hanno Schmid lebt und arbeitet auf der Ferme de Cerniévillers, die bereits in zweiter Generation von mehreren Familien gemeinsam geführt wird.
Er könnte sich nicht vorstellen, einen Betrieb alleine zu führen, sagt Hanno Schmid, «auch weil man in einem Kollektiv so viel Abwechslung hat». Die Arbeiten werden aufgeteilt und die Ferme de Cerniévillers ist mit verschiedenen Betriebszweigen und eigener Verarbeitung divers aufgestellt. Das kollektive Leben erschöpft sich aber nicht im Arbeitsalltag. Das gemeinsame Essen und die Erziehung der Kinder in der Gemeinschaft sind für Schmid genauso wichtig. «Mir macht es nichts, wenn man das als Kommunismus bezeichnet», meint er schulterzuckend.
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Mehr Möglichkeiten
Im Fall des Genfer Ziegen- und Gemüsehofs La Touvière wurde die kollektive Übernahme vom ehemaligen Bewirtschafter lanciert, erinnert sich Sophie Hodel. Niemand des heutigen Kollektivs komme aus einer Bauernfamilie, sie selbst eingeschlossen. Für die Beteiligten kam eine alleinige Betriebsübernahme von Anfang an nicht infrage. Durch die Organisation als Gruppe werden Teilzeitpensen und Freitage möglich, was Raum lässt für andere Engagements und mehr Zeit für die Familie. Und dies trotz aufwendiger Betriebszweige wie der Direktvermarktung. Hinzu komme das Bedürfnis der Beteiligten, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen und möglichst viele Menschen an der Landwirtschaft teilhaben zu lassen.
Grosse Höfe führen
«Das Modell ist absolut übertragbar, sobald man das nötige Land zur Verfügung hat», ist Hanno Schmid überzeugt. Die rechtliche Form der AG für einen Landwirtschaftsbetrieb gewinne an Aktualität, da die Höfe immer grösser werden. Da kommen die Vorteile einer gemeinsamen Leitung und Bewirtschaftung besonders zum Tragen. «AG oder GmbH sind für mich die besten Lösungsansätze», so der Jurassier. Die Betriebsanerkennung durch die Behörden sei in diesen Rechtsformen oder als Genossenschaft möglich, ergänzt die Waadtländer Beraterin Delphine Piccot. Vor allem bei AGs und GmbHs fehle es den Ämtern aber an Erfahrung, wenn es um Verkauf und Weitergabe eines Betriebs geht. «Es gab bisher nur wenige solche Fälle», begründet sie.
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An diesem Umstand sollte sich in Zukunft aber etwas ändern, führt Mirjam Bühler aus: Die VKMB sei Teil einer Begleitgruppe für die Überarbeitung des BGBBs, die ausserfamiliäre Hofübernahmen vereinfachen soll. In diesem Rahmen ist auch vorgesehen, die offenen rechtlichen Fragen zu AGs und GmbHs zu klären. «Ein grundsätzliches Interesse an einer Vereinfachung der ausserfamiliären Hofübernahme ist da», bemerkt Bühler, «wie viel davon am Ende durchkommt, ist eine andere Frage.»
Erfahrungen teilen
Auf jeden Fall sei es wertvoll, sich mit anderen auszutauschen und so von bestehender Praxiserfahrung zu profitieren. Auch verweist Mirjam Bühler auf die Broschüre von Uniterre zu diesem Thema: «La Terre à celleux qui la cultivent» enthält praktische Informationen für bzw. über Kollektive und werde bald auch auf Deutsch übersetzt erscheinen.
Konflikte angehen und vermeiden
In keiner Gruppe herrscht immer Friede, Freude, Eierkuchen. Daher ist der Umgang mit Konflikten gerade in Kollektiven wichtig. «Wir haben zwar eine stabile Gruppe, darin sind aber nicht immer die gleichen Leute», bemerkt Hanno Schmid. Es gebe immer wieder Wechsel, doch die Organisationsform als AG ermögliche auch begrenzte Auszeiten.
Verträge anpassen
Etwa alle zwei Wochen treffen sich die neun Erwachsenen auf der Ferme De Cerniévillers zum Austausch, für den man sich einen halben Tag Zeit nimmt. Von Anfang an die Dinge vertraglich zu regeln sei zwar hilfreich, «Verträge müssen aber auch immer wieder wechselnden Bedürfnissen angepasst werden». Das Rechtliche hält Schmid nicht für das Schwierigste bei kollektiver Hofführung, sondern das Zwischenmenschliche. «Niemand macht das gerne. Aber wer nicht bereit ist, Konflikte auszutragen, sollte nicht kollektiv arbeiten.» Manchmal brauche es auch Hilfe von aussen in Form eines Coachings.
«Kolossal unterschätzt»
«Genauso wichtig wie die Produktion ist, zu lernen, wie man gut zusammenarbeiten kann», stimmt Tina Siegenthaler zu. Die Folgen der Übernahme des gesamten Betriebs durch die ursprüngliche Gemüse-Solawi habe man beim Fondlihof «kolossal unterschätzt». Informelle Gewohnheitsrechte und unterschiedliche Vorstellungen zur Entwicklung der Hof-Solawi wurden zum Problem, es gab Konflikte, Mediationen und Supervisionen sowie am Ende zwei Austritte aus der Betriebsgruppe. «Heute haben wir in der Betriebsgruppe neben regelmässigen Sitzungen auch Supervisionen.» Auch gelte die Abmachung, dass man einander bei Bedarf zur Supervision schicken kann

